Demonstranten mit Reichsflagge am 29. August 2020 vor dem Reichstag in Berlin
von Günther Strauß
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl, sagte der Nachrichtenagentur dpa, ein Mustererlass für Polizei und Ordnungsbehörden liege nun vor. Weiter äußerte er:
„Damit haben wir eine Lösung gefunden für eine bundesweit einheitliche Handhabe.“
Die Innenministerkonferenz hatte schon am 10. Dezember vergangenen Jahres einen internen Arbeitskreis dazu aufgefordert, einen entsprechenden Mustererlass zu erarbeiten. Damit reagierte man auf die zahlreichen Demonstranten, die bei Veranstaltungen der Querdenker im vergangenen Jahr die schwarz-weiß-roten Fahne gezeigt hatten.
Bei etwas genauerem Hinsehen ist diese Reaktion des deutschen Staates auf dieses Phänomen natürlich an Erbärmlichkeit nicht mehr zu überbieten. Anders als das kommunistische Hammer-und-Sichel-Symbol, das nach dem Willen der Innenminister natürlich weiterhin frei in Deutschland gezeigt werden darf, steht die Reichsfahne nämlich nicht für Totalitarismus und den millionenfachen Mord an Andersdenkenden.
Nein, sie steht stattdessen für Demokratie, Parlamentarismus und einen voll entwickelten Rechtsstaat, für eine einmalige Blüte der deutschen Kultur und Wissenschaft, die sich in unzähligen gewonnenen Nobelpreisen niederschlug, für das erste vollständige Sozialversicherungssystem der Welt sowie die staatsbürgerliche Integration der polnischen, dänischen und jüdischen Minderheiten in den neuen Staat.
Nicht vergessen werden sollten auch die herausragenden ökonomischen Leistungen, die Deutschland in den Sektoren Chemie, Pharma, Maschinenbau und Konsumgüter an die Weltspitze brachten und die die ursprünglich stigmatisierend gemeinte Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ zu einem weltweiten Qualitäts- und Gütesiegel erster Klasse werden ließen.
Schon im vergangenen Herbst hatten einige Bundesländer wie Bremen und Thüringen das öffentliche Zeigen der Reichsfahne verboten. In der Bremer Verbotsverfügung hieß es beispielsweise, dass die Reichsflagge als „Hakenkreuzflagge in coming“ gesehen werden müsse – eine Aussage, die an Albernheit kaum mehr zu überbieten ist.
Dies führte dann auch zu ersten Verfahren. So gab im Oktober das Bremer Oberverwaltungsgericht einem Eilantrag der NPD statt und wies ein von Bremerhaven verhängtes Veranstaltungsverbot als rechtswidrig zurück. Das Gericht stufte das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit höher ein. Zudem habe der Erlass keine Gesetzesqualität, betonte das Gericht.
Dies führte dann absehbarerweise zu einem Ruf der Länder nach einer bundesweit einheitlichen Regelung, die nun geschaffen wurde, die aber ebefalls rechtlich angreifbar sein dürfte.