Daschbar al-Bakr, der am Montag unter Terrorverdacht verhaftet wurde, soll sich in seiner Zelle erhängt haben. Unser Autor Rainer Rupp ist im Zusammenhang mit dem angeblich geplanten Terrorakt des Verdächtigen auf so einige Ungereimtheiten gestoßen.
Von Rainer Rupp
Bereits am Dienstagabend äußerte ein ehemaliges Mitglied der Anti-Terroreinheit des Staatsschutzes der DDR dem Autor dieser Zeilen gegenüber seinen Argwohn mit Blick auf die Begleitumstände der Jagd auf den IS-verdächtigen syrischen Flüchtling Daschbar al-Bakr, die in den Tagen zuvor die Schlagzeilen dominiert hatte.
Zu diesem Zeitpunkt war der "Terror-Syrer", wie ihn die Bildzeitung nannte, noch nicht tot. Aus Sicht des erfahrenen Terrorbekämpfers, der aus Chemnitz stammt und noch über vielfältige Verbindungen in die dortige Sicherheitsszene verfügt, weist jedoch bereits der verpfuschte SEK-Zugriff, der für so großes Aufsehen gesorgt hatte, einige augenfällige Ungereimtheiten auf.
Diese ergäben nur dann einen Sinn, wenn der ganze Sinn der Übung gewesen wäre, der Öffentlichkeit eine große Gefahr vorzugaukeln, welche die Sicherheitsbehörden gerade nochmals hätten abwenden können.
Als Beispiel verweist der Mann, der auch über eine Ausbildung als Sprengmeister verfügt, auf die Zündung des angeblich in al-Bakrs Wohnung gefundenen Sprengstoffs im Hof des Hauses, was ein weithin zu hörendes Ka-Wumm nach sich gezogen habe. Anfangs hieß es noch, es seien 300 Gramm einer selbstgemischten, hoch volatilen und explosiven Substanz gefunden worden. Jüngsten Berichten zufolge ist die Menge jedoch bereits auf 1,5 Kilo angewachsen. Der gefundene Stoff wurde jedoch sofort hinterm Haus im Freien gesprengt. Angeblich war er, weil so volatil, nicht transportabel. Für solche Fälle stehen normalerweise aber Spezialbehälter zum Abtransport bereit. Wenn man also ohne eine solche Spezialausrüstung das Zeug problemlos die Treppe runter in den Hof geschafft schaffen konnte, warum konnte man es dann nicht auch gleich abtransportieren?
Und warum wurde das Zeug, das nach offiziellen Darstellungen so hochexplosiv war, im Hof gezündet, ohne dass - wie in solchen Fällen zwingend vorgeschrieben – die umliegenden Häuser evakuiert wurden? Allein durch eine - auch bei einer relativ harmlosen Sprengung entstehenden - Druckwelle könnten die Splitter zerberstender Fenster für die Menschen in ihren Wohnungen zur lebensgefährlichen Gefahr werden. Tatsächlich hat es im vorliegenden Fall zwar einen weithin hörbaren Rumps gegeben, aber keine Evakuierung und gebrochenen Fenster.
Deutet das etwa darauf hin, dass man schon vorher von einer tatsächlichen Harmlosigkeit der angeblich hoch gefährlichen Substanz wusste? Für das große Ka-Wumm im Garten hätten auch ein paar Silvester-Kanonenschläge in einem alten Kochtopf ausgereicht, meinte der ehemalige Sprengmeister.
Sollte mit der ganzen Aktion nur eine große Gefahr suggeriert werden? Immerhin soll al-Bakr einen Anschlag auf einen Flughafen geplant haben, wie man von offizieller Seite angeblich wissen will. In der Öffentlichkeit kommen die schrecklichen Bilder vom Anschlag auf den Flughafen bei Brüssel im März des Jahres hoch.
Soll das alles womöglich helfen, die bereits vielfach angedachten neuen, noch schärferen Überwachungsgesetze durchs Parlament zu bringen? War al-Bakr nur das Opfer einer so genannten "Sting-Operation", angeworben von einem als islamistischer Kopfabschneider firmierenden "Agent Provocateur" im Auftrag eines staatlichen Geheimdienstes?
Die Methode, labile junge Leute unter falscher – in diesem Fall islamistischer - Flagge anzuwerben, in der Herstellung von Sprengstoffen auszubilden, auf Anschläge vorzubereiten und sie dann in letzter Minute mit großem Medien-Tam-Tam als gefährliche Terroristen zu verhaften, ist eine altbewährte Methode des FBI, um die Öffentlichkeit bezüglich der Terrorgefahr auf Trab zu halten. Seit 2001 ist auf dem Wege von Gerichtsverhandlungen und durch Urteile bestätigt zutage getreten, dass in über 50 solcher Fälle ein für die Sicherheitsbehörde tätiger Agent Provocateur den "Mehrtürer" in spe von der Planung bis zum Zugriff an die Hand genommen hatte.
So etwas gibt es nur in den USA und deutsche Behörden hätten für so etwas zu viele Skrupel? Pustekuchen! Wie die im NSU-Fall bisher gewonnen Erkenntnisse zeigen, ist auch der deutsche Inlandsgeheimdienst, der sich zynischer Weise "Verfassungsschutz" nennt, mit Methoden dieser Art durchaus vertraut. Auch ist sie hohe vorzeitige Mortalität im Umfeld dieses Prozesses auffällig: Rund um den NSU-Komplex häuften sich parallel zum tödlichen Wirken des Trios und vor allem danach rätselhafte, plötzliche Todesfälle wichtiger Ermittler und Zeugen, die möglicherweise Erkenntnisse hätten beisteuern können, die so gar nicht mit den bisherigen Darlegungen des Verfassungsschutzes übereinstimmen wollen.
Nun ist auch al-Bakr erhängt in seiner Zelle aufgefunden worden. Er wäre nicht er erste Terrorverdächtige im deutschen Sprachraum gewesen, der sich in den letzten Jahrzehnten das Leben genommen hätte – von den RAF-Gefangenen in Stammheim über den österreichischen Briefbomben-Verdächtigen Franz Fuchs bis hin zu den mutmaßlichen NSU-Haupttätern Mundlos und Böhnhardt.
In jedem dieser Fälle kam jedoch regelmäßig die gleiche Frage auf: War es Selbstmord oder wurde er "geselbstmordet"? Wer die Prozedur in der JVA bei einem als "hoch gefährlich" eingelieferten Gefangenen kennt und weiß, wie es in einer Untersuchungshaftzelle aussieht, der weiß auch, dass selbst bei Dienst nach Vorschrift ein Gefangener normalerweise keine Chance hat, sein Leben zu beenden. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht sein kann, dass in Verhören gefährliche Wahrheiten und Zusammenhänge, die al-Bakr enthüllen könnte, verhindert werden sollten?
Schon die Tatsache, dass al-Bakr dem Zugriff des SEK entkommen konnte, hatte etwas Groteskes an sich. Die offizielle Erklärung, dass der Verdächtige zu Fuß schneller gewesen sei als die Beamten mit ihren 35 Kilo schweren Schutzwesten, ist so lächerlich, dass sie nur für Comedy taugt. Als ob eine gut ausgebildete und geleitete SEK-Einheit nicht auch auf solche Eventualitäten vorbereitet wäre und für die großräumige Absicherung des Zugriffsorts auch einige flinke Sprinter bereitstellt…
Und wie konnte es sein, dass sich der gerade mal seit einem Jahr in Deutschland lebende al-Bakr sich so gute "Regimekenntnisse" angeeignet hat, dass er unerkannt einen Weg durch die sofort einsetzende, mehrstufige Ringfahndung finden und es bis ins fast 100 Kilometer entfernte Leipzig schaffen konnte? Wollte man womöglich verhindern, dass die normale Polizei ihn fasst, weil auch er "auf der Flucht erschossen" werden sollte? Auffällig ist nämlich, dass alle der in letzter Zeit geplanten oder durchgeführten Terrorangriffe, die in angeblichem Zusammenhang mit ISIS stehen, auch für die Täter tödlich endeten, bevor sie noch verhört wurden und über Motive, Netzwerke, Mittäter und andere Hintergründe hätten aussagen können.
Eine Meldung vom 13. Oktober 2016 in BILD zeigt, dass es auch anders geht: In Salzwedel drang ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in eine Wohnung ein, in der sich ein Verdächtiger mit einem Beil wehrte. "Die Polizisten überwältigten und fesselten den Angreifer", heißt es darin weiter. Zum Vergleich sei an den Fall des 17 Jahre alten afghanischen Flüchtlings erinnert, der vor einigen Monaten in einem Regionalzug bei Würzburg mit einem Beil ein Blutbad angerichtet hatte - eine Tat, die später von ISIS reklamiert wurde.
Ob der afghanische Junge tatsächlich Kontakte in die Terrorszene hatte und von wem er gesteuert wurde, werden wir jedoch nie erfahren. Nachdem er aus dem Zug geflüchtet war, war er von einer SEK-Einheit auf freiem Feld gestellt worden. Dort bedrohte er die Beamten mit dem Beil. Ein Versuch, ihn ins Leere laufen zu lassen und zu überwältigen, um durch Verhöre wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, wurde gar nicht erst gemacht. Stattdessen wurde geschossen, und zwar nicht etwa auf die Beine, sondern so, dass er sofort tot war.