Die bei einer Sturmflut versunkene sagenhafte Stadt Rungholt wurde zu einem friesischen Mythos. Nun haben Archäologen den Kirchberg der versunkenen Stadt gefunden. In der druckfrischen Juli-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema «Verbotene Geschichte – Vom Alten Ägypten bis zum Dritten Reich» lesen Sie, wie historische Fakten zur Ur- und Frühgeschichte und zu späteren Epochen verbogen oder verschwiegen werden – und wie es wirklich war. Hier mehr erfahren.
Die nach einem heiliggesprochenen Papst benannte zweite Marcellusflut, die am 16. Januar 1362 ihren Höhepunkt erreichte, führte zu einer dramatischen Veränderung der gesamten Küstenlandschaft Norddeutschlands. Zehntausende von Menschen sollen insbesondere in Ost- und Nordfriesland ums Leben gekommen sein. Tief in das Festland eingeschnittene Buchten wie Dollart, Leybucht und Jadebusen entstanden. In Nordfriesland wurden die Uthlande (zu deutsch: „Außenlande“), ein im Mittelalter viel weiter als heute nach Westen ragendendes Landgebiet, von den Wassermassen zerrissen.
Damit führte die zweite Marcellusflut erst zur Entstehung der nordfriesischen Inseln in ihrer heutigen Form oder waren zumindest eine wichtige Etappe auf dem Weg dorthin. Besonders bewegt wurde die Fantasie der Menschen allerdings durch den Untergang der Stadt Rungholt, der sich damals ereignete. Die Stadt soll sich westlich der heutigen nordfriesischen Küstenstadt Husum umd südlich von der heutigen Wattenmeerinsel Pellworm befunden haben.
Nach dem Untergang Rungholts kursierten schnell Sagen, nach denen das lasterhafte Leben der Stadtbewohner von Gott mit einer fürchterlichen Sturmflut abgestraft worden sei. Laut einer Legende, die schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts kursierte, sollen die Rungholter beispielsweise ihren Pfarrer dazu gezwungen haben, einem Schwein, das sie zuvor betrunken gemacht hatten, die Sterbesakramente zu gewähren.
Der mit Drohungen eingeschüchterte Pfarrer konnte sich noch in die Kirche retten. In der folgenden Nacht warnte ihn ein Traum vor der bevorstehenden Sturmflut. Der Geistliche konnte sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, während die sündhaften Rungholter ertranken. Diese Volkssage wurde dann immer wieder von bekannten Autoren aufgegriffen.
Briefmarke mit dem Konterfei von Theodor Storm. Foto: Boris15 I Shutterstock.com
Der Schriftsteller Theodor Storm schilderte in seiner 1871 erschienenen Novelle „Eine Halligfahrt“ beispielsweise den Mythos von Rungholt. Und 1882/83 setzte der holsteinische Dichter Detlev von Liliencron den Rungholtern in seiner Ballade „Trutz, blanke Hans“ ein Denkmal. Hier heißt es:
„Rungholt ist reich und wird immer reicher / Kein Korn mehr fasst selbst der größte Speicher. / Wie zur Blütezeit im alten Rom / Staut hier täglich der Menschenstrom/ (…) Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken, / und Hunderttausende sind ertrunken. / Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch, / Schwamm anderntags der stumme Fisch.“
Einige Küstenbewohner behaupten, man könne die Glocken von Rungholt an manchen Tagen noch geisterhaft läuten hören. Der Stoff wurde auch in dem 2018 ausgestrahlten Borowski-Tatort „Land zwischen den Meeren“ gekonnt adaptiert.
In den letzten Jahrzehnten häuften sich in der Wissenschaft die Stimmen, die die Existenz von Rungholt gänzlich bestritten und unterstellten, dass es sich um eine nur in der Sage existierende Stadt handele. Das war allerdings schon immer unwahrscheinlich. So bemerkte selbst ein Chronist des Vatikans nach der Sturmflut mit Bedauern, dass aus Rungholt nun keine Zahlungen mehr zu erwarten wären.
Immer wieder wurden über die Jahrhunderte hinweg außerdem metallene Kessel, Keramik, Schwerter und Ziegel in dem Gebiet um die versunkene Stadt angeschwemmt, insbesondere an den Stränden der Inseln Nordstrand und Pellworm. Auf Pellworm präsentierte der Heimatforscher Hellmut Bahnsen in seinem Rungholt-Museum Bahnsen schon seit 1980 zahlreiche Funde, die er im Wattenmeer und am Inselstrand machte. Viele dieser Funde konnten eigentlich nur auf die versunkene Stadt Rungholt zurückzuführen sein. Auch in Husum, der „grauen Stadt am Meer“ existiert schon seit Jahren eine Rungholt-Ausstellung im Nordsee Museum.
Im Mai dieses Jahres kam dann eine sensationelle Meldung von der Nordseeküste. Wissenschaftler der Universitäten Kiel und Mainz sowie des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein gaben in einer gemeinsamen Presseerklärung bekannt, dass es gelungen sei, den genauen Standort der Hauptkirche von Rungholt zu ermitteln. Eine seit mehr als 100 Jahren diskutierte Forschungsfrage sei damit endgültig geklärt worden.
Mit Hilfe geophysikalischer Methoden sei in der Umgebung der Hallig Südfall, die verwaltungsmäßig zur Gemeinde Pellworm gehört, eine bislang unbekannte, zwei Kilometer lange Kette mittelalterlicher Siedlungshügel, sogenannter Warften, erfasst wurden. Eine dieser sogenannten Warften weise Strukturen auf, die „zweifelsfrei als Fundamente einer Kirche von 40 Meter mal 15 Meter Größe zu deuten sind“. Auch ein Hafen und Entwässerungssysteme sollen gefunden worden sein.
Pferdekutschen auf der winzigen Hallig Südfall. In der Nähe der Hallig wurde nun die Hauptkirche der versunkenen Stadt Rungholt entdeckt. Foto: tourpics_net I Shutterstock.com.
Damit erhärten sich nun die Spekulationen, dass das historische Rungholt in dem Raum zwischen Husum und Pellworm lag. Die Spekulationen, nach denen es den Handelsplatz Rungholt angeblich nie gab, können nun als endgültig widerlegt gelten.
Weiter heißt es, dass die Untersuchungen im Watt „bedeutende neue Funde ans Licht bringen“ und beispiellose Einblicke in das Leben der nordfriesischen Bevölkerung ermöglichen.
Die Archäologin Dr. Ruth Blankenfeldt ergänzt:
„Die Besonderheit des Fundes liegt in der Bedeutung der Kirche als Zentrum einer Siedlungsstruktur, die in ihrer Größe als Pfarrei mit übergeordneter Funktion interpretiert werden muss.“
Die neuen Nachrichten aus Friesland zeigen, wie wichtig es ist, die Inhalte alter Chroniken, Sagen und Quellen ernst zu nehmen – und diese nicht gleich als Phantasterei oder Lüge abzutun. Dies sollte eigentlich schon seit der Entdeckung Trojas durch Heinrich Schliemann hinlänglich bekannt sein, hat sich aber leider noch nicht bei allen Wissenschaftlern herumgesprochen.
Was verschweigt man uns über die Tempelritter und die angeblich ketzerischen Katharer? Oder das astronomische, geometrische und technische Wissen der frühen Hochkulturen? Was verbirgt sich hinter dem Heiligen Gral? Gab es Atlantis wirklich – und wenn ja, wo lag es? Wieso kannten die alten Ägypter offenbar schon Elektrizität? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in der Juli-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema „Verbotene Geschichte – Vom Alten Ägypten bis zum Dritten Reich“ nach – und kommen zu Ergebnissen, die der Öffentlichkeit bewusst verschwiegen werden. Lesen Sie jetzt, was Sie nicht wissen sollen. Hier bestellen.