Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin begründet Annalena Baerbock (Die Grünen) Ihre Ukraine-Politik und verheddert sich in Widersprüchen.
Von Gert Ewen Ungar
Bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen zur Berlin-Wahl trat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auf und warb um Stimmen. Sie sprach auch zum Ukraine-Krieg und entfachte für ihre Zuhörer ein Feuerwerk an Desinformation. Es ist schon mehr als erstaunlich, wie resistent sich die deutsche Chefdiplomatin nicht nur gegenüber Fakten, sondern auch gegenüber dem Feedback ihrer Kollegen im Ausland zeigt. Deutschland ist mit seiner Position zum Ukraine-Konflikt international weitgehend isoliert. Baerbock weiß das, denn es wird ihr regelmäßig vorgehalten. Sie verschweigt es dennoch gegenüber den Wählern, um deren Stimmen sie wirbt. Das ist unlauter. Aber das ist natürlich nicht die einzige Verdrehung der Wahrheit.
So behauptet Baerbock, mit Waffenlieferungen und der Unterstützung der Ukraine würden die Grünen auch die eigene Freiheit verteidigen. Das ist nur insofern richtig, als die Grünen zentral mitverantwortlich sind für ein zunehmendes Klima der Repression in Deutschland. Wenn Baerbock von Freiheit spricht, scheint sie diese Freiheit zu meinen, die es den Grünen erlaubt, andere Meinungen und Haltungen zu verbieten und zu canceln.
Damit bedrohen die Grünen die Freiheit "von uns allen" aber deutlich stärker als Russland. Im Gegenteil ist das Klima in Russland weniger vergiftet und die Atmosphäre freier. Das permanente Nachdenken darüber, was man wem zu welchem Thema mitteilten kann, welche Verwerfungen das nach sich ziehen könnte, wem man sich im Hinblick auf aktuelle Themen öffnen und gegenüber wem man lieber die Klappe hält, ist inzwischen signifikant für das gesellschaftliche Klima in Deutschland, aber eben nicht für Russland.
Für diese repressive Entwicklung in Deutschland kann Russland nun wahrlich nichts - das ist eigenes Verschulden. Es ist im Gegenteil die Faktenresistenz in Politik und Medien, die zu diesem repressiven Klima in Deutschland geführt hat.
Alles, was Baerbock in einem kurzen Ausschnitt von vier Minuten sagt, ist höchst diskussions- und fragwürdig. Aber genau diese Diskussion findet in Deutschland eben nicht statt und wird aktiv verhindert. Unter dem Deckmantel, gegen russische Desinformation vorgehen zu müssen, schafft man den freien Diskurs ab. Die Grünen haben an dieser Entwicklung maßgeblichen Anteil.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine sei ein Angriff auf die europäische Friedensordnung, behauptet Baerbock und argumentiert ahistorisch – wir immer, möchte man hinzufügen. Die europäische Friedensordnung wurde mit dem einseitigen Ausstieg der USA aus Rüstungskontrollverträgen ebenso aufgekündigt wie durch die Ausdehnung der NATO und der EU nach Osten. Der Hinweis auf Bündnisfreiheit greift zu kurz, weil sich die Wahl des Bündnisses globaleren sicherheitspolitischen Erwägungen unterzuordnen hat. Ein Land darf seine Sicherheit nicht zuungunsten eines anderen Landes erhöhen. Genau das aber ist über drei Jahrzehnte passiert und jede Mahnung Russlands wurde übergangen. Zuletzt übrigens wenige Tage vor dem Beginn der Operation. Russland forderte Sicherheitsgarantien von den USA und der NATO und bekam lediglich eine ausweichende Antwort. Baerbock verliert dazu kein Wort.
Dabei ist dieses Prinzip der sicherheitspolitischen Balance in allen relevanten internationalen Vereinbarungen festgeschrieben. Auch in der von Baerbock erwähnten Charta der UN. Baerbock verschweigt das und täuscht ihre Wähler. Die Ukraine-Krise hat eine Vorgeschichte, an der Deutschland maßgeblich mit beteiligt war. Es ist daher von tiefer Unmoral, was Baerbock in Berlin vorträgt.
Befreit von jeder Ethik geht es weiter. Baerbock möchte nicht, dass die Ukraine einen "Diktatfrieden" akzeptieren muss. Hinter dieser wohlmeinenden Geste verbirgt sich bitterer Zynismus. Dass die Ukraine einen Blutzoll für diesen Wunsch Baerbocks nach einem Sieg zahlen muss, verschweigt die deutsche Außenministerin. Es sind ja nicht ihre Kinder, die ihm zum Opfer fallen und es ist auch keiner ihrer Landsleute – vorerst zumindest. Die in der Währung Fleisch und Blut ausgestellte Rechnung für das Streben nach einem Sieg über Russland bezahlt bisher ausschließlich die Ukraine.
Faktisch führt Baerbocks Kriegstreiberei zudem dazu, dass die Chancen für einen Verhandlungsfrieden für die Ukraine immer geringer werden. Das Vollpumpen der Ukraine mit westlichen Waffen bei gleichzeitiger Ablehnung und darüber hinaus der Sabotage von Friedensverhandlungen führt letztlich zur völligen Zerstörung der Ukraine und absehbar zu ihrer bedingungslosen Kapitulation. Baerbock trägt mit ihrem Drängen auf Krieg, mit ihrem Wunsch nach einem Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld, an allen militärischen Realitäten vorbei, dafür persönlich die Mitverantwortung – man möge sich daran später bitte erinnern, wer hier bereit war, bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen. Es war unter anderem Baerbock, die bereit war, das Leben der Ukrainer zu opfern.
Man mag Russlands militärische Spezialoperation für völkerrechtswidrig halten. Allerdings war all das, was Deutschland und deutsche Außenpolitik im Vorfeld des Einmarschs Russlands im Hinblick auf die Ukraine getan und respektive unterlassen haben, eben auch ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Baerbock weiß das, denn sie bekommt es von ihren ausländischen Kollegen regelmäßig gesagt. Die USA, die NATO, die EU und eben auch Deutschland tragen eine Mitschuld an der Entwicklung hin zum Krieg. Das ist inzwischen internationaler Konsens. Baerbock und Deutschland sind mit der eigenwilligen, ahistorischen Sicht auf den Konflikt international mit ihren westlichen Partnern isoliert.
Besonders zynisch ist Baerbocks zur Schau getragene Sorge um Zivilisten und Kinder in der Ukraine, die angeblich seit elf Monaten nicht zur Schule gehen können und im Keller sitzen. Mal abgesehen davon, dass es nicht stimmt, denn die massiven Attacken Russlands auf ukrainische Infrastruktur begannen erst nach dem Terroranschlag der Ukraine auf die Krimbrücke im Oktober 2022. Was aber von besonderer moralischer Niedertracht zeugt, ist die Tatsache, dass Baerbock acht Jahre Bombardement der Donbasser Volksrepubliken durch die Ukraine mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung unterschlägt.
Für die deutsche Außenministerin sind die Leben der Menschen in Donezk und Lugansk weniger, vielleicht auch einfach gar nichts wert – nicht einmal einer Erwähnung wert sind sie Baerbock.
Das Verschweigen des achtjährigen Beschusses des Donbass durch die Ukraine ist eine massive Täuschung des Publikums. Baerbock weiß, dass es diesen Beschuss gab und gibt. Die Informationen darüber liegen ihrem Ministerium vor. Baerbock leugnet diese Angriffe durch Verschweigen. Das macht sie allerdings nicht ungeschehen.
Sie leugnet auch die Verantwortung für den Weltfrieden aller Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Neben Russland und China sind auch die USA, Frankreich und Großbritannien feste Mitglieder im Sicherheitsrat und für die Sicherung des Weltfriedens verantwortlich. Laut Baerbock aber trägt nur eins dieser Länder eine besondere Verantwortung und wird ihr nicht gerecht: Russland.
Das ist gerade angesichts der seit Dekaden destruktiven Politik der USA und im Hinblick auf die kriegtreibende Rolle Großbritanniens im Ukraine-Konflikt eine Verhöhnung der Tatsachen. Es ist der Westen, der das Völkerrecht seinen Machtinteressen untergeordnet hat und es bricht, wann immer es seinen Zwecken dient. Baerbock ist da keine Ausnahme. Auch sie bedient sich des Völkerrechts unter machtpolitischen Aspekten und mit großer moralischer Flexibilität. Das Völkerrecht gilt für Baerbock nur dann, wenn es in den geopolitischen Kram passt. Russlands Einmarsch in die Ukraine ist eine Reaktion auf diese vom Westen und auch von Deutschland betriebene Erosion des Völkerrechts. Baerbock vertauscht hier Ursache und Wirkung.
Sie tut es regelmäßig und sie tut es aus niedrigen Motiven. Zentrales Kennzeichen ihrer Außenpolitik ist ein westlicher und auch deutscher Exzeptionalismus, dem sich die Welt unterzuordnen hat. Baerbocks Außenpolitik ist durchsetzt vom kolonialen Geist, von doppelten Standards und von einer in Rassismus wurzelnden Überheblichkeit, die ihr das Verständnis von Begriffen wie Recht und Gesetz verbauen. Baerbock ist ohne jedes ethische Bewusstsein.
Baerbock ist Beispiel für eine von tiefem Zynismus beseelte Politikerin voller Verachtung für andere Meinungen, Sichtweisen und sogar Fakten, wenn sie nicht ins ideologisch geformte Weltbild passen. Wie kaum eine andere Politikerin in Deutschland verachtet Baerbock die Demokratie und sie verachtet den Frieden. Vor allem aber verachtet sie die Menschen in der Ukraine, die für Baerbocks Wunsch nach einem Sieg über Russland mit dem Leben bezahlen.