Können keine verlässlichen Corona-Daten vorweisen: Lothar H. Wieler, Jens Spahn und Angela Merkel
von Karsten Montag
Bis einschließlich des wöchentlichen Corona-Lageberichts vom 23. September des Robert Koch-Instituts (RKI) wurde jeweils die Anzahl der wahrscheinlichen Impfdurchbrüche auf den Intensivstationen der Anzahl aller COVID-19-Fälle auf Intensivstation gegenübergestellt. Auf Basis dieser Daten hatte Gesundheitsminister Jens Spahn am 8. September auf einer Pressekonferenz erklärt, Deutschland erlebe eine „Pandemie der Ungeimpften“, da der Anteil der ungeimpften COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen angeblich zwischen 90 und 95 Prozent läge.
Mittlerweile hat das RKI offenbar erkannt, dass man keine aussagekräftigen Daten ermitteln kann, wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht. Hierzu mag auch die Kritik einiger Oppositionsmedien beigetragen haben, welche der Datenbasis für die Berechnungen der Bundesregierung misstrauen. Denn zu COVID-19-Fällen werden in Einklang mit den internationalen Standards der WHO alle labordiagnostischen Nachweise von SARS-CoV-2 unabhängig vom Vorhandensein oder der Ausprägung der klinischen Symptomatik gezählt. Ein Impfdurchbruch liegt jedoch offiziell vor, wenn bei einer vollständig geimpften Person eine PCR-bestätigte SARS-CoV-2 Infektion mit Symptomatik festgestellt wird.
Mit dem Wochenbericht vom 30. September stellt das RKI nun zum ersten Mal die Anzahl der auf Intensivstation betreuten COVID-19-Fälle mit wahrscheinlichem Impfdurchbruch der Anzahl der symptomatischen Fälle mit Angabe zum Impfstatus auf Intensivstation gegenüber. (Seite 20, Tabelle 4)
Das RKI gibt im Rahmen des Wochenberichts offen zu, dass für einen Teil der Fälle die Angaben zum Impfstatus unvollständig sind, und in Folge dessen in den bisherigen Berechnungen die Impfeffektivität in einigen Fällen überschätzt worden sein kann.
Die „methodische Anpassung“ (so das RKI) der Darstellung hat eine deutliche Veränderung der Datenbasis zur Folge. Belief sich die Anzahl aller auf Intensivstation behandelten COVID-19-Fälle kumuliert seit der 5. Kalenderwoche 2021 im Wochenbericht vom 23. September noch auf knapp 12.000, lag der entsprechende Wert für die intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle mit Symptomatik und Angabe zum Impfstatus im Wochenbericht vom 30. September nur noch bei etwas mehr als 8.000.
Zur Berechnung des Anteils der ungeimpften COVID-19-Fälle auf Intensivstation wurde die Anzahl der Impfdurchbrüche durch die Anzahl aller COVID-19-Fälle der jeweils vorangegangen vier Wochen dividiert. Daraus ergibt sich der Anteil der Geimpften. Der Rest zu 100 Prozent stellt dann den Anteil der ungeimpften Fälle auf Intensivstation dar. Aufgrund der neuen Datenbasis liegt der Anteil der ungeimpften Fälle mit Symptomatik und Impfstatus im Wochenbericht vom 30. September statt zwischen 90 und 95 Prozent nur noch bei 85 Prozent. Eine detaillierte Beschreibung der Berechnung der Anteile von geimpften und ungeimpften COVID-19-Fällen auf Intensivstation befindet sich im Anhang dieses Beitrags.
Doch ist dies nun ein verlässlicher Wert, mit dem sich die Wirksamkeit der Impfung ermitteln lässt? Was bedeutet die Bezeichnung „mit Symptomatik“ eigentlich? Kann man aufgrund dieser Beschreibung davon ausgehen, dass es sich bei den entsprechenden Fällen auf den Intensivstationen um kritische Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion handelt?
Zur Anzahl der COVID-19-Fälle auf Intensivstationen werden Daten im DIVI-Intensivregister publiziert, das von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und dem RKI betrieben wird. Diese im April 2020 auf den Weg gebrachte Auswertung täglicher Meldungen der Akutkrankenhäuser über eine Internetplattform soll die Belastung der Intensivstationen durch COVID-19 überwachen. Bei der Meldung gemäß Paragraf 1, Absatz 3 der Verordnung zur Aufrechterhaltung und Sicherung intensivmedizinischer Krankenhauskapazitäten wird jedoch lediglich „die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion übermittelt, die:
Ob ein COVID-19-Patient aufgrund eines kritischen Verlaufes der Krankheit oder aufgrund einer anderen Diagnose intensivmedizinisch behandelt wird und eine Infektion mit SARS-CoV-2 nur eine Nebendiagnose darstellt, wird von den Intensivstationen nicht an das DIVI-Intensivregister gemeldet.
Die Daten bilden also nur ab, wie viele Patienten taggenau auf den Intensivstationen mit einer COVID-19-Erkrankung behandelt werden. Bis zum 11. August 2021 war es zudem möglich, dass Doppelmeldungen durch Verlegungen von Patienten von einer Intensivstation auf eine andere die Anzahl der COVID-19-Fälle in der Statistik des DIVI-Intensivregisters erhöhte (siehe beispielsweise der Tagesreport vom 04.10.2021 unter „Änderung der Berichterstattung zum 11.08.21“). Der Impfstatus von Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden, wird auch nicht von den Intensivstationen an das DIVI-Intensivregister gemeldet.
Obwohl sich die Auswertung des DIVI-Intensivregisters hervorragend eignen würde, die tatsächliche Belastung der Intensivstationen aufgrund von kritischen Corona-Verläufen taggenau zu überwachen und darzustellen, fehlt die Übermittlung der essentiellen Information, wie viele der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle primär aufgrund einer Corona-Erkrankung auf einer Intensivstation liegen. Da auch der Impfstatus nicht gemeldet wird, lässt sich der Anteil der geimpften und ungeimpften COVID-19-Patienten auf Basis dieser Auswertung nicht berechnen.
Die Informationen über Symptomatik und Impfstatus eines Falles stammen aus den Meldungen der Arztpraxen und Krankenhäuser an das jeweilige Gesundheitsamt. Gemäß Paragraf 6 des Infektionsschutzgesetzes ist der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod in Bezug auf COVID-19 vom behandelnden Arzt an das jeweilige Gesundheitsamt zu melden. Die Vordrucke der Meldebögen sind jedoch von Bundesland zu Bundesland verschieden. Neben Angaben zum Impfstatus werden auch etwaige Symptome abgefragt. Doch ausgerechnet in dieser Hinsicht unterscheiden sich die Meldebögen erheblich.
Kann beispielsweise im Meldebogen in Nordrhein-Westfalen bei der Angabe der Symptome unterschieden werden zwischen Halsschmerzen/-entzündung, Husten, Pneumonie (Lungenentzündung), Schnupfen, akutem schweren Atemnotsyndrom (ARDS), beatmungspflichtiger Atemwegserkrankung, Dyspnoe (Atemstörung), Fieber sowie Geruchs- und/oder Geschmacksverlust, stehen im entsprechenden Meldebogen in Hessen lediglich die Auswahlmöglichkeiten „akute respiratorische Symptome und Kontakt mit einem bestätigten Fall“ sowie „≥ 2 Pneumonien in medizinischer Einrichtung, Pflege- oder Altenheim mit Zusammenhang“ zur Verfügung.
Eine bundesweite detaillierte Auswertung der Symptome wird dadurch unmöglich gemacht. Das erklärt, warum das RKI Fälle nur mit und ohne Symptomatik unterscheiden kann. „Mit Symptomatik“ kann demnach bedeuten, dass ein Patient invasiv beatmet werden muss oder lediglich nur über Halsschmerzen oder Geschmacksverlust klagt. Mit diesen Daten kann die Belastung des deutschen Gesundheitssystems aufgrund einer Krankheit, die in den meisten Fällen harmlos oder mild verläuft, nicht systematisch ausgewertet werden.
Erst Mitte Juli 2021, eineinhalb Jahre nach Beginn der Coronakrise, hat Jens Spahn eine Verordnung erlassen, um COVID-19-Fälle bei der stationären Aufnahme in ein Krankenhaus besser zu erfassen. Der Meldebogen, der auf der Verordnung über die Erweiterung der Meldepflicht nach Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Hospitalisierungen in Bezug auf die COVID-19 beruht, fragt neben personenbezogenen Daten, dem Impfstatus und einer etwaigen intensivmedizinischen Behandlung auch die Symptome ab. Diese müssen formlos eingetragen, beziehungsweise auf der Rückseite des Vordruckes anhand einer vorgegebenen Auswahl angekreuzt werden. Zur Verfügung stehen:
Es ist unschwer zu erkennen, dass auch anhand dieser Daten eine systematische Auswertung der Belastung des Gesundheitssystems aufgrund von COVID-19-Fällen mit einem kritischen Verlauf nicht möglich ist. Die Meldungen der Ärzte und Krankenhäuser an die Gesundheitsämter geben keine Auskunft darüber, ob ein Patient primär aufgrund seiner COVID-19-Symptome behandelt wird, oder ob eine SARS-CoV-2-Infektion nur eine Nebendiagnose darstellt.
Die Pressesprecherin des Krankenhauskonzerns Helios, der in Deutschland 86 Kliniken betreibt, bestätigte auf Multipolar-Anfrage diese Schlussfolgerung:
„Wir melden unsere Daten den zuständigen Gesundheitsämtern. In den uns von den Ländern zur Verfügung gestellten Meldeformularen wird nicht unterschieden, ob eine Covid-19-Diagnose der Grund für die Krankenhauseinweisung war oder ob die Infektion erst durch einen positiven PCR-Test im Krankenhaus entdeckt wurde.“
Neben der unzureichenden Erhebung essentieller Informationen zu Symptomen und Hauptdiagnosen stellt auch die Übermittlung der Daten an die Gesundheitsämter ein immenses Problem dar. Denn diese erfolgt größtenteils noch immer mithilfe von händisch ausgefüllten Meldeformularen und Fax-Geräten. Die Mitarbeiter der Gesundheitsämter müssen die übermittelten Daten einzeln per Hand in den Computer übertragen, bevor sie diese an das RKI weiterleiten können. Eine zeitnahe bundesweite Auswertung der Belastung des deutschen Gesundheitssystems ist auf diese Weise nicht möglich.
Es ist davon auszugehen, dass die kurzfristigen Entscheidungen zu Maßnahmen zum Schutz des Gesundheitswesens, die von Bundesregierung und Ministerpräsidenten beschlossen werden, sämtlich auf unzureichenden Daten basieren. Weder das RKI noch die für die Maßnahmen politisch Verantwortlichen wissen, wie viele COVID-19-Fälle mit kritischen Verläufen, ob geimpft oder ungeimpft, intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Das ist die traurige Erkenntnis fast zwei Jahre nach Beginn der Coronakrise.
Die Aussage, dass auf den Intensivstationen 85, 90 oder 95 Prozent der COVID-19-Fälle nicht geimpft sind, hat geringen praktischen Wert, solange nicht unterschieden wird, ob es sich dabei um Patienten handelt, die primär aufgrund von Symptomen von COVID-19 medizinisch betreut werden oder bei denen nur die Nebendiagnose einer SARS-CoV-2-Infektion mit milden Symptomen festgestellt wurde.
Die Datenlage lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass die Anzahl der kritischen Verläufe von COVID-19 gleichmäßig auf Ungeimpfte und Geimpfte verteilt ist, zumal die Krankenhäuser seit Mitte 2021 dazu übergegangen sind, vollständig Geimpfte bei der stationären Aufnahme nicht mehr vorsorglich auf eine mögliche Infektion zu testen.
Die Helios-Pressesprecherin bestätigte auf Multipolar-Anfrage, dass, im Gegensatz zu Ungeimpften, vollständig Geimpfte bei der stationären Aufnahme nicht mehr auf eine Infektion getestet werden, außer die jeweiligen Vorschriften der Landesregeln schrieben etwas anderes vor. Aufgrund dessen und da Ungeimpfte bei der Aufnahme in ein Krankenhaus weiterhin generell einem Test unterzogen werden, ist es durchaus möglich, dass die Nebendiagnose einer Infektion bei Geimpften nicht festgestellt wird und sich so das Verhältnis von geimpften zu ungeimpften Fällen zugunsten der Geimpften verschiebt.
Multipolar hat mehr als 20 Betreiber von Akutkrankenhäusern kontaktiert, um die Anzahl der tatsächlichen Patienten mit einem kritischen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion auf den Intensivstationen zu ermitteln. Nur drei Krankenhausbetreiber waren bereit, Auskunft zu geben. Doch die Antworten sind ausweichend und nicht aufschlussreich.
Auf die Rückmeldung, dass diese Information nicht die ursprüngliche Frage beantwortet und es nur schwer vorstellbar ist, dass Helios bei aktuell insgesamt 25 COVID-19-Fällen (Kalenderwoche 38) auf allen Intensivstationen der deutschlandweit 86 Helios Kliniken nicht weiß, ob die entsprechenden Patienten aufgrund eines kritischen Verlaufes einer SARS-CoV-2-Infektion intensivmedizinisch behandelt werden oder nicht, erfolgte die Erwiderung:
„Es ist leider so, ich kann Ihnen nur die geschickten Daten anbieten.“
Es stellt sich die dringliche Frage, warum die Information, wie viele der COVID-19-Fälle tatsächlich primär aufgrund eines kritischen Verlaufes der Krankheit behandelt werden, nicht bekannt ist. Spätestens dann, wenn die Abrechnungsdaten der Gesundheitseinrichtungen mit den Krankenkassen vom Statistischen Bundesamt publik gemacht werden, kann jeder Interessierte nachvollziehen, ob neben dem neuen ICD 10-Abrechnungscode „U07.1“ für COVID-19 auch die entsprechenden Codes für akute Infektionen der Atemwege angegeben wurden. Derzeit sind in der GENESIS-Online-Datenbank des Statistischen Bundesamtes unter „Krankenhauspatienten: Deutschland, Jahre, Hauptdiagnose ICD-10“ nur die entsprechenden Daten bis einschließlich 2019 abrufbar.
Eine vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte Studie der Technischen Universität Berlin hatte über die nicht öffentlich zugängliche Datenbank des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) bereits Zugriff auf die Abrechnungsdaten im Gesundheitswesen für das Jahr 2020. Auf Seite 20 der Studie befindet sich eine Auswertung der Anzahl der Behandlungsfälle mit akuten Atemwegserkrankungen, aus der hervorgeht, dass während der zweiten Corona-Welle Ende 2020 nur circa zwei Drittel der stationär aufgenommen COVID-19-Fälle aufgrund einer akuten Atemwegserkrankung behandelt wurden.
Datenquelle: Studie der Technischen Universität Berlin
Dem Diagramm ist auch zu entnehmen, dass die Anzahl behandelter akuter Atemwegserkrankungen 2020 trotz COVID-19 zum Teil deutlich unter derjenigen im milden Grippejahr 2019 lag. Das deutsche Gesundheitswesen befand sich demnach trotz vieler Warnungen von Politikern und einschlägiger Medienberichte 2020 niemals in der Gefahr, aufgrund von Corona überlastet zu werden.
Das lässt sich auch an den Daten des DIVI-Intensivregisters ablesen. Unter „Zusätzliche Zeitreihen“ ist erkennbar, dass beispielsweise von Anfang Oktober bis Ende Dezember 2020 die Anzahl von COVID-19-Fällen auf den Intensivstationen von 360 auf 5.630 gestiegen ist. Im selben Zeitraum ist jedoch die Anzahl aller belegter Betten auf den Intensivstationen nur von 20.057 auf maximal 20.728 angestiegen. Es ist daher fragwürdig, ob alle COVID-19-Fälle primär aufgrund der typischen Krankheitssymptome intensivmedizinisch behandelt werden mussten.
Datenquelle: DIVI-Intensivregister
Geht man davon aus, dass bis Mitte 2021 sämtliche Patienten ohne konkrete COVID-19-Symptome, die stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurden, generell auf eine mögliche SARS-CoV-2-Infektion getestet wurden, sollte der Anteil der asymptomatischen und milden Krankheitsverläufe unter diesen Patienten ähnlich hoch sein wie beim Test der Gesamtbevölkerung. Stellt man den Anteil der positiv Getesteten – abzüglich derjenigen, die intensivmedizinisch behandelt werden mussten – an allen Getesteten dem Anteil der COVID-19-Fälle an allen Patienten auf den Intensivstationen gegenüber, ergibt sich folgendes Bild:
Datenquellen: RKI und DIVI-Intensivregister
Zu erkennen ist, dass der Anteil der asymptomatischen und milden COVID-19-Fälle während der Infektionswellen vermutlich ungefähr die Hälfte aller COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen ausmacht. Zieht man diese nun vom Anteil der COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen ab und berechnet daraus die Anzahl der vermutlich tatsächlichen intensivmedizinisch behandelten kritischen Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion, erhält man folgendes Ergebnis:
Datenquellen: RKI und DIVI-Intensivregister
Vergleicht man diese Darstellung mit den Auswertungen des Informatikers Tom Lausen, der Sachverständiger im Gesundheitsausschuss des Bundestages zur Datenlage bei der Belastung des Gesundheitswesens durch COVID-19 war, dann sind sowohl Anzahl als auch Verlauf der vermutlichen COVID-19-Fälle mit kritischem Krankheitsverlauf bis zum Sommer 2021 fast identisch mit der Anzahl der invasiv beatmeten COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen (siehe Lausens Auswertung unter „Wie sieht es aktuell auf den deutschen Intensivstationen aus?“).
Auch Tom Lausen vermutet auf Multipolar-Anfrage, dass es sich bei den invasiv Beatmeten um die tatsächlichen kritischen COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen handelt:
„Eine Zählung, wie viele Patienten tatsächlich einen kritischen Verlauf mit COVID 19 haben, gibt es schlichtweg nicht. Das RKI weiß diese Zahl also nicht und das DIVI ebenso nicht. Allenfalls könnte man eine Annäherung an die Zählung wirklich kritischer Fälle erlangen, wenn man die invasiv Beatmeten zählte. Dies wird auch gemacht und sogar gemeldet. Diese Zahl halte ich für einigermaßen valide.“
Dass die Anzahl der vermutlichen kritischen COVID-19-Fälle in Abbildung 4 ab Sommer 2021 in den negativen Bereich ragt, könnte daran liegen, dass die vollständig geimpften Patienten bei der stationären Aufnahme nicht mehr auf eine Infektion getestet werden und damit deren Anteil an den asymptomatischen und milden COVID-19-Fällen auf den Intensivstationen nicht mehr gezählt wird.
Sollte sich die Schätzung, die hier angestellt wurde, anhand zukünftig verfügbarer Abrechnungsdaten der Krankenhäuser mit den Krankenkassen als richtig herausstellen, muss auch die Anzahl der Corona-Opfer, die primär an den Folgen der Krankheit verstorben sind, nach unten korrigiert werden.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung nicht alles unternimmt, um die Anzahl der kritischen Verläufe einer Corona-Infektion auf den Intensivstationen zu erheben. Das DIVI-Intensivregister würde sich hervorragend dazu eignen, sowohl die Anzahl der kritischen Krankheitsverläufe als auch deren Impfstatus taggenau zu erheben. Die Rechtsgrundlage für diese Datenerhebung beruht auf einer Verordnung, die jederzeit durch das Gesundheitsministerium veränderbar ist. Da die Erhebung des DIVI-Intensivregisters über ein Webformular erfolgt, wäre der technische Anpassungsaufwand zur Ermittlung der Anzahl der kritischen Krankheitsverläufe und deren Impfstatus minimal.
Es scheint, dass die Regierung an einer fundierten Auswertung der Belastung des Gesundheitssystems überhaupt nicht interessiert ist und die Öffentlichkeit in dem Glauben belassen will, es handele sich bei COVID-19-Fällen mit Symptomatik um kritische Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion.
Solange die Frage nicht geklärt ist, wie viele der Fälle tatsächlich aufgrund eines kritischen Verlaufs der Krankheit intensivmedizinisch behandelt werden müssen und welchen Impfstatus diese Fälle aufweisen, ist die Berechnung des Anteils von ungeimpften Fällen auf den Intensivstationen ohne Aussagekraft. Denn schließlich soll die Impfung vor einem schweren Verlauf der Krankheit schützen.
Das ZDF erklärte am 20. August, wie der Anteil von 94 Prozent ungeimpfter COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen berechnet wurde:
„Diese Zahl ergibt sich aus dem aktuellen Wochenbericht des RKI. Ende Juli bis Mitte August wurden 309 Covid-Patienten auf den Intensivstationen behandelt, nur 17 von ihnen waren geimpft.“
Aufgrund der Zahlenangabe und des Verweises auf den entsprechenden RKI-Wochenbericht, lässt sich nachvollziehen, wie das ZDF den Anteil der ungeimpften Corona-Patienten berechnet hat. Aus Tabelle 4 auf Seite 19 des Wochenberichts wurde die Anzahl aller COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen während der Kalenderwochen 29 bis 32 der drei Altersgruppen aufsummiert (rot markierte Werte in untenstehender Abbildung). Damit erhält man 309 COVID-19-Fälle für den Zeitraum Ende Juli bis Mitte August auf den Intensivstationen.
Datenquellen: RKI
Analog wurde die gesamte Anzahl der auf den Intensivstationen betreuten COVID-19-Fälle mit wahrscheinlichem Impfdurchbruch berechnet (grün markierte Werte in der Tabelle). Hier kommt man auf 17 Impfdurchbrüche. Wenn man nun die Anzahl der Impfdurchbrüche durch die Anzahl aller Fälle dividiert, erhält man einen Anteil von circa 6 Prozent der Impfdurchbrüche an der Gesamtzahl der Fälle. Der Rest zu 100 Prozent ergibt dann circa 94 Prozent und soll laut ZDF den Anteil der ungeimpften COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen darstellen.
Stellt man diese Berechnung analog für die darauffolgenden Wochenberichte bis einschließlich 23. September 2021 an, erhält man Werte zwischen 89 und 91 Prozent des vermeintlichen Anteils von ungeimpften COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen. Somit ist zumindest der Rechenweg nachvollziehbar, auf dem Gesundheitsminister Spahn auf einen Anteil von 90 bis 95 Prozent ungeimpfter COVID-19-Patienten kam.
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