COVID-19-Impfstoffe: Die Bundesregierung versprach ursprünglich "Schutz vor Infektion"
von Tilo Gräser
Mit der Impfkampagne soll offiziell nicht nur das Virus SARS-CoV-2 und die von ihm laut Weltgesundheitsorganisation WHO ausgelöste Krankheit COVID-19 bekämpft werden. Sie soll auch den Weg zurück in die Freiheit, in ein Leben ohne Grundrechtseinschränkungen ermöglichen, wie verschiedene Politiker mehrmals erklärten. Doch das für Impfstoffe und auch für deren Nebenwirkungen zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gibt Anlass, an den offiziellen Aussagen zu zweifeln.
Auf seiner Webseite macht das dem Bundesgesundheitsministerium unterstehende Institut Angaben zu den derzeit eingesetzten Stoffen für Injektionen im Zusammenhang mit COVID-19. Dort heißt es: “COVID-19-Impfstoffe sind indiziert zur aktiven Immunisierung zur Vorbeugung der durch das SARS-CoV-2-Virus verursachten COVID-19-Erkrankung.” Das ist aber erst seit 17. September dieses Jahres dort so zu lesen.
Interessant ist unter anderem die Wortwahl: “Indizieren” bedeutet laut Duden “etwas erkennen lassen, auf etwas hinweisen”. Das Wort gilt grammatikalisch als schwaches Verb, was im übertragenen Sinne passt. Bemerkenswert ist das im Hinblick auf das, was zuvor auf der PEI-Webseite zu dem Thema stand: In den Monaten davor waren an der Stelle viel ausdrucksstärkere Behauptungen oder Aussagen zu den Impfstoffen im Zusammenhang mit COVID-19 zu lesen.
Darauf machte der Ökonom Stefan Homburg am Freitag auf der Plattform Twitter aufmerksam. So wurde seit Beginn der Impfkampagne im Dezember 2020 viele Monate lang auf der PEI-Webseite erklärt: “COVID-19-Impfstoffe schützen vor Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus.” Seit August war dann an derselben Stelle nur noch zu lesen: “COVID-19-Impfstoffe schützen vor einem schweren Verlauf einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus.” Für die neueste Formulierung wird als Änderungsdatum der 17. September angegeben. Der Kommentar des Ökonomen dazu, der die Corona-Politik kritisiert:
“Inzwischen versprechen sie gar nichts mehr. Eine totale Bankrotterklärung.”
Er erinnert an das ursprüngliche Versprechen, dass die injizierten Stoffe vor einer Infektion schützen sollen. Damit werde auch das 2G-System begründet, bei dem nur sogenannte Geimpfte und Genesene Einlass zu Veranstaltungen und Orten wie Restaurants bekommen.
In einem Kommentar zu Homburgs Aussagen auf Twitter wird auf eine weitere unkorrekte Aussage auf der betreffenden PEI-Webseite hingewiesen: “Die Arzneimittelliste enthält die Präparate, die eine gültige Zulassung der Europäischen Kommission besitzen.” Damit wird der Eindruck erweckt, dass die Präparate für die Injektion gegen COVID-19 ordentlich zugelassen seien.
Das wird entsprechend wiederholt von Politikern wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) oder Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erklärt beziehungsweise behauptet. Korrekt ist dagegen, was bei der EU-Kommission dazu online zu lesen ist: “Die Kommission hat bislang vier Impfstoffen, nämlich denen von BioNTech und Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Janssen Pharmaceutica NV, eine bedingte Zulassung erteilt, nachdem die EMA deren jeweilige Sicherheit und Wirksamkeit positiv bewertet hatte.” Wichtig ist dabei, dass diese Zulassung aufgrund einer angeblichen “Notsituation” den Pharmafirmen erlaubt, notwendige “zusätzliche Daten auch nach der Zulassung vorzulegen (im Gegensatz zu einer normalen Marktzulassung, bei der alle Daten vor der Zulassung vorgelegt werden)”.
Anders als das vorsichtiger klingende Paul-Ehrlich-Institut erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf der Webseite infektionsschutz.de weiterhin: “Die Impfung bietet nicht nur einen sehr guten individuellen Schutz vor der Erkrankung, sondern schützt auch andere: Das Robert Koch-Institut geht nach neuesten Erkenntnissen davon aus, dass das Risiko, das Coronavirus zu übertragen, bei vollständig Geimpften ab dem 15. Tag nach der letzten Impfdosis geringer ist als bei frisch negativ Getesteten.”
Beim Robert Koch-Institut (RKI), das ebenfalls dem Bundesgesundheitsministerium untersteht, ist zum Thema mit Stand 28. September 2021 unter anderem zu lesen: “Daten aus Zulassungsstudien wie auch aus Untersuchungen im Rahmen der breiten Anwendung (sog. Beobachtungsstudien) belegen, dass die in Deutschland zur Anwendung kommenden COVID-19-Impfstoffe SARS-CoV-2-Infektionen (symptomatisch und asymptomatisch) in einem erheblichen Maße verhindern.” Und: “In welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden.”
Wirklich Genaues scheinen die Behörden nicht mehr sicher zu wissen, entgegen ihren Aussagen zu Beginn der Impfkampagne. Zumindest gibt es Angaben vom PEI, das in seinem jüngsten “Sicherheitsbericht” bei registrierten 101.877.124 Impfungen “über 156.360 aus Deutschland gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen Comirnaty (BioNTech Manufacturing GmbH), Spikevax (MODERNA BIOTECH SPAIN, S.L.) sowie den Vektorimpfstoffen Vaxzevria (AstraZeneca AB) und COVID-19 Vaccine Janssen zum Schutz vor COVID-19” seit Beginn der Impfkampagne verzeichnete. Dazu gehören laut Institut 15.122 Verdachtsfällen mit “schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen” und 1.450 Verdachtsfallmeldungen mit einem “tödlichen Ausgang in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zur Impfung”.
Zum Vergleich: Das PEI registrierte für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2020 für alle seinerzeit eingesetzten Impfstoffe zusammen 54.488 gemeldete Nebenwirkungen – also weniger als halb so viele wie bei den aktuellen Impfstoffen gegen COVID-19. Laut Statistischem Bundesamt verabreichten Ärzte allein zwischen 2003 und 2019 insgesamt 625,5 Millionen Dosen mit Impfstoffen gegen verschiedene Krankheiten. Die Zahlen zu den Impfnebenwirkungen können den Grund für die geänderten Aussagen zu den Impfstoffen auf der PEI-Webseite liefern.
Während das nur eine Vermutung ist, forderte bereits 2012 der Arzt und Impfschaden-Gutachter Klaus Hartmann in seinem Buch “Impfen, bis der Arzt kommt”:
“Die Verantwortlichkeit für die Erfassung von Nebenwirkungen und Komplikationen sollte (…) von der zulassenden Behörde getrennt werden, da auch hier ein Interessenkonflikt besteht. Das Paul-Ehrlich-Institut als an der Zulassung beteiligte Behörde tut sich selbstverständlich schwer, für einen Impfstoff Sicherheitsrisiken zu benennen, der von den eigenen Experten mit zugelassen wurde.”
Hartmann war von 1993 bis 2003 im PEI-Referat für Arzneimittelsicherheit und als registrierter Experte bei der EU-Arzneimittelbehörde EMA tätig. Er machte darauf aufmerksam, dass das System, mit dem Nebenwirkungen erfasst werden, völlig unzureichend ist. Vor neun Jahren forderte er bereits “drastische Änderungen” bei den Kontrollmechanismen, unter anderem durch ein Register, das alle durchgeführten Impfungen erfasst – “damit man auch wirklich ausrechnen kann, wie häufig unerwünschte Wirkungen und schwere Komplikationen in der Realität auftreten”.
Nur so könne man “endlich den Wischiwaschi-Angaben wie ‘extrem selten’ oder ‘kommt praktisch niemals vor’ begegnen, die die Aufklärung über die Häufigkeit schwerer Impfkomplikationen heute dominieren”. Geschehen ist bis heute anscheinend nur wenig – bis auf immer wieder aktualisierte Angaben auf den Webseiten und Materialien der zuständigen Behörden. Eine Anfrage bei der PEI-Pressestelle zu den Gründen für die Änderungen wurde bis Redaktionsschluss noch nicht beantwortet.
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