Wolfgang Schäuble, Präsident des Deutschen Bundestags und langjähriger Bundesfinanzminister, hat ein stärkeres "militärisches Engagement" Deutschlands gefordert. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe und dem französischen Blatt Ouest-France sagte der CDU-Politiker:
Wir können nicht alles den Franzosen und den Amerikanern überlassen.
Die Lehre aus Auschwitz könne kein Argument dafür sein, dauerhaft kein "Engagement" zu übernehmen. Militärische Mittel führten nicht immer zum Ziel, so Schäuble. Aber es werde nicht ganz ohne die Fähigkeit gehen, militärische Relevanz zu zeigen:
Wir können uns nicht wegducken. Wenn Europa eine stärkere Rolle spielen soll, dann müssen wir unseren Beitrag leisten. Ich bin da ganz bei Annegret Kramp-Karrenbauer, die dafür wirbt, dass wir mehr Verantwortung übernehmen.
Die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hatte wiederholt deutlich höhere Rüstungsausgaben und noch mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr gefordert. Kramp-Karrenbauer spricht auch regelmäßig von der "gewachsenen Verantwortung" Deutschlands, das seine "Rolle als Gestaltungsmacht" annehmen müsse.
Schäuble assistierte seiner Parteivorsitzenden, ohne dabei wirklich konkret zu werden. Widerstände in der Bevölkerung und im Parlament müsse man "natürlich" ernst nehmen, aber man müsse auch auf die Kritik der anderen NATO-Staaten hören:
Wenn uns Frankreich etwa auffordert, mehr für den Kampf um die Sicherheit in Mali zu tun, lösen unsere Antworten in Paris keine Begeisterungsstürme aus. Darüber muss man reden.
Worin für Schäuble die "Lehre aus Auschwitz" besteht, war dem Interview nicht zu entnehmen. Auch nicht, ob es nach Meinung des Bundestagspräsidenten eine sinnvolle Lehre aus dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion darstellt, sich erneut an Kriegsvorbereitungen gegen Russland zu beteiligen. Allerdings lassen die Äußerungen des CDU-Politikers keine Zweifel daran, dass "Verantwortung" und "Engagement" für ihn Aufrüstung und Auslandseinsätze bedeuten.
Vor wenigen Wochen erst hatte Schäuble, der in seiner langjährigen Regierungsarbeit erheblich zur Spaltung und Zerstörung der Gesellschaft in Deutschland beitrug, den zunehmenden Egoismus in der deutschen Gesellschaft beklagt. Erst vor zwei Wochen hatte der evangelische Christ erklärt, zu hohe Sozialleistungen würden unglücklich machen, weil sie die Motivation der Menschen zerstörten. Die Ostdeutschen lobte Schäuble für ihre Erfahrung bei der "Anpassung an massive gesellschaftliche Umwälzungen".
Wolfgang Schäuble galt lange Jahre als der potenzielle Nachfolger Helmut Kohls. Die CDU-Spendenaffäre kostete ihm im Jahr 2000 den Partei- und den Fraktionsvorsitz und die Aussicht auf das Kanzleramt. Wolfgang Schäuble hatte im Jahr 1994 von einem Waffenlobbyisten eine Barspende in Höhe von 100.000 D-Mark entgegengenommen, und darüber später öffentlich unzutreffende und widersprüchliche Angaben gemacht. Im deutschen medialen Mainstream wird der 77-jährige Schäuble gern als der weise alte Mann der deutschen Politik präsentiert.
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