Die Nutzung und Finanzierung deutscher Autobahnen als Politikum - Privatisierung als Allzwecklösung ist stark umstritten
In der kommenden Woche wird über Optionen zu einer möglichen Autobahnprivatisierung abgestimmt. Die Parteien innerhalb der Großen Koalition sind derzeit noch uneinig. Kritiker fürchten den Ausverkauf deutscher Fernstraßen und unangemessene Nutzungsgebühren.
Ende dieser Woche, am 31. März, stimmt der Bundestag über mehrere Vorschläge zu einer Grundgesetzänderung ab. Diese soll Wege zur Privatisierung beim Bau und Betrieb von Autobahnen ermöglichen. Das Thema war im Februar zum Streitpunkt in Bundesrat und im Bundestag geworden.
Eine Grundgesetzänderung, welche für ein solches Projekt notwendig wären, könnte nur in der derzeitigen politischen Konstellation, also von einer großen Koalition mit deutlicher parlamentarischer Mehrheit im Bundestag, vorangebracht werden. Doch ist das Thema Privatisierung bei Bürgern nach einigen schlechten Erfahrungen unbeliebt. Die Regierung ist daher im Wahljahr gut beraten, diese Thematik äußerst diskret voranzutreiben.
Laut aktueller Gesetzeslage wäre ein Verkauf der Autobahnen nicht möglich. Doch scheint es in den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, welche Ende vergangenen Jahres eine unpopuläre Autobahn-Privatisierung auszuschließen schienen, eine Reihe von Schlupflöchern zu geben.
So hatte die Bundesregierung damals zwar mitgeteilt, die Gesetzentwürfe entsprächen den Vereinbarungen zwischen den Ministerpräsidenten der Länder und der Bundesregierung. Aber während der Bundesrat sich im Februar gegen die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an private Unternehmen aussprach, wies er zugleich auf andere Möglichkeiten der Teilprivatisierung hin, welche einen ähnlichen Effekt bewirkten und zulässig wären.
So wäre eine Übertragung der Nutzungsrechte vonseiten der öffentlichen Hand möglich. Diese Lösung verlangt weniger finanzielle Vorleistungen seitens der Unternehmen und ermöglicht es ihnen dennoch, Gebühren zu erheben. Dabei könnten die Unternehmen ihre Renditeerwartungen in die Kalkulation der Gebühren einfließen lassen.
Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes hatte sich gegen eine solche Privatisierung durch die Hintertür ausgesprochen, da eine solche zu überzogenen Belastungen der Steuer- und Mautzahler sowie zu gravierenden Marktkonzentrationen führe.
Die Änderungen der Modalitäten der Autobahnverwaltung waren ein Unterpunkt des Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems, des so genannten Länderfinanzausgleichs, ab 2020. Die Große Koalition hatte sich im Oktober 2016 für eine zentrale Straßenbau-Planung und die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft ausgesprochen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte für den Vorschlag einer Expertenkommission im Auftrag der Bundesregierung zugunsten einer Stärkung von Investitionen in Deutschland plädiert, die wiederum ihrerseits die Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft vorschlug.
Damit soll es möglich werden, bis zu 49,9 Prozent der Betreibergesellschaft an private Investoren zu verkaufen; 50,1 Prozent der Anteile sollen demnach beim Staat bleiben.
Rechtswissenschaftler Christoph Gröpl warnte, dass mit den Änderungen in der Autobahnverwaltung der Gründung eines "Autobahnkonzerns" Vorschub geleistet würde. Am Montag hörte der Haushaltsausschuss des Bundestags einige Experten an, darunter auch Gröpl.
Innerhalb der SPD scheint es bezüglich des Privatisierungsvorhabens Uneinigkeit zu geben. Als Wirtschaftsminister hatte sich Sigmar Gabriel noch dafür eingesetzt, dass Autobahnen "in unveräußerlichem Besitz des Bundes verbleiben".
Fraktionschef Thomas Oppermann ließ hingegen in dieser Sache am Rande des Sonderparteitags Gesprächsbereitschaft erkennen. Auf dem Parteitag der Sozialdemokraten wollte sich die SPD-Abgeordnete Gerlinde Schermer in dieser Angelegenheit an den Kandidaten Schulz wenden, doch hatte es aus dessen Sicht wenig Raum für Diskussionen gegeben. Im März hatten auch die Vorsitzenden der Mitgliedsgewerkschaften des DGB eine Petition gegen die Privatisierung der Autobahnen unterschrieben.
Die Privatisierungsstrategie sei zwar gegen die SPD-Politik, geben Pragmatiker zu bedenken, läge aber in der Natur einer großen Koalition, in der die Koalitionsdisziplin Kompromisse abverlange, um das künftige Durchwinken eigener Vorschläge zu ermöglichen. Auch die Linkspartei hatte sich gegen eine Autobahnprivatisierung und Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft ausgesprochen. Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag wies darauf hin, dass derzeitige Gesetzesentwürfe eine Privatisierung durch die Hintertür erlauben.
Die Bundesregierung möchte gerne den Banken und Versicherungen ein großes Geschenk überreichen.
Alexander Dobrindt (CDU) hatte bereits zusätzliche Mittel von bis zu zehn Millionen Euro für externe Berater aus dem Haushalt des Bundestages veranschlagt, nachdem die EU Korrekturen bezüglich der Mautpläne gefordert hatte. Angesichts der fehlenden öffentlichen Debatte bietet der Verein "Gemeingut in BürgerInnenhand" (GiB) weitere Informationen.