Unter Thomas Haldenwang sammelte der Verfassungsschutz so viele Datensätze wie noch nie zuvor.
von Frank Hauke
Noch nie hat der Verfassungsschutz so viele personenbezogene Eintragungen gesammelt wie 2024. Inzwischen befinden sie sich auf einem Rekordstand von 484.627 – und das Jahr ist noch nicht zu Ende.
Die Zahl geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt hervor. Das Schreiben der von Nancy Faeser (SPD) geführten Behörde liegt der Redaktion vor. Besonders im Vergleich zu 2018 gibt es deutlich mehr Fälle. Vor sechs Jahren waren es noch 401.479. Das entspricht einer Zunahme um 20,7 Prozent.
Der gerade wegen einer CDU-Bundestagskandidatur zurückgetretene Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang hatte das Amt am 15. November 2018 von Hans-Georg Maaßen übernommen. Seitdem sammelt das Amt immer mehr Eintragungen. Schon 2019 stieg die Zahl auf 433.868, ein Jahr später auf 468.968. Nach kleinen Dellen in den Jahren 2021 und 2022 wuchs sie im vergangenen Jahr auf 475.811, um 2024 das absolute Rekordhoch zu erreichen.
Ausdrücklich nicht enthalten in dieser Summe sind laut Innenministerium „Eintragungen aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen oder Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach den Bestimmungen des Luftsicherheitsgesetzes oder des Atomgesetzes“.
Doch in welchem Bereich – rechts-, linksextrem, islamistisch oder Delegitimierung des Staates? – beobachtet der Verfassungsschutz besonders exzessiv? Da mauert das Innenministerium und verweigert eine Antwort mit dem Verweis auf „Staatswohlerwägungen“ sowie mit dem angeblichen „Aufwand“.
Dann heißt es noch einmal ausdrücklich: „Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, daß die erbetenen Informationen aus Gründen des Staatswohls nicht – auch nicht eingestuft – übermittelt werden können.“ Später nennt das Innenministerium auch „Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ als Grund.
Bleibt die Frage, wie viele von den Menschen, zu denen der Inlandsgeheimdienst „personenbezogene Eintragungen“ sammelt, observiert werden. Das jedenfalls wollte der AfD-Abgeordnete Jan Wenzel Schmidt wissen. Dies sei „elektronisch nicht zuverlässig durch Suchbegriffe recherchierbar und daher auf diese Weise nicht auswertbar“, antwortet das Innenministerium.
Schmidt fragte daraufhin nach, ob es sich bei der Zahl personenbezogener Eintragungen um „tatsächliche Personen“ handele oder ob die Zahl durch Mehrfachzuordnungen – zum Beispiel durch die gleichzeitige Erfassung einer Person zu mehreren Phänomenbereichen – verzerrt wird. Auch hierzu verweigerte die Bundesregierung eine Antwort, weil es um Informationen gehe, „die in besonderem Maße das Staatswohl berühren“.
Schmidt zeigte sich gegenüber der Redaktion unzufrieden mit den Antworten. Diese seien „nichts anderes als ein erneuter Versuch, wichtige Informationen vor der Öffentlichkeit zu verschleiern“. Er forderte „Klarheit darüber, wie die Sicherheitsbehörden die verschiedenen Phänomenbereiche priorisieren und wie sich die Anzahl der Überwachten in den vergangenen Jahren entwickelt hat“.
Die Verweigerung der von ihm erfragten Auskünfte bezeichnete er als „eine Gefahr für die demokratische Kontrolle der Geheimdienste“. Der AfD-Politiker: „Sollte sich herausstellen, daß der Verfassungsschutz tatsächlich fast eine halbe Million Bürger ausspioniert, wäre das ein Alarmsignal für die Meinungsfreiheit in unserem Land.“