Joe Biden und Olaf Scholz auf dem NATO-Gipfel in Vilnius, 11.07.2023.
Von Dagmar Henn
Zwei Männer, zwei Szenen – US-Präsident Joe Biden auf Hawaii, wie er von einem kleinen Brand in seiner Villa erzählt, und Bundeskanzler Olaf Scholz, wie er bei seiner Rede in München Friedensdemonstranten zu Teufeln erklärt – völlig unterschiedliche Situationen, und doch scheint sie beide etwas zu verbinden. Der einigende Faktor ist die schier unbegrenzt scheinende Überheblichkeit der Redner.
Die beiden Männer verbindet aber noch viel mehr. Biden dürfte in der an korrupten Politikern nicht gerade armen US-Geschichte einer der korruptesten sein. Je mehr über das Verfahren bekannt wird, durch das die berüchtigten "zehn Prozent für den großen Kerl" geflossen sind und gewiss auch noch fließen, desto klarer wird auch, dass gekauft zu werden kein Nebenaspekt seiner politischen Karriere war. Es gibt Politiker, die Politik betreiben und sich auch schmieren lassen. Biden ist jemand, der Politik betreibt, um sich schmieren zu lassen. Hätte die Möglichkeit bestanden, Bestechungsgelder für den Verkauf von Speiseeis zu kassieren, wäre er Speiseeisverkäufer geworden.
Die Gelder, die damals von Burisma an die Bidens gingen, damit Vizepräsident Joe Biden den Staatsanwalt entfernt, der der ukrainischen Firma damals im Nacken saß, flossen, so die bisher bekannten Aussagen, über ein ganzes Netz von Briefkastenfirmen auf den Jungferninseln und in anderen Steuerparadiesen, schön in kleinere Portionen aufgeteilt und oft genug hin- und hergeschoben, um einen Nachweis für die ganze Strecke, soweit möglich, zu erschweren. Das ist nicht einfach mal ein Gefallen gegen Geld. Solcher Aufwand lohnt sich nur, wenn es sich um ein dauerhaftes Gewerbe handelt. Das ist auch kein Familienunternehmen mehr, das ist bereits organisierte Kriminalität, denn nicht einmal in heutigen Zeiten mit ihren vielfältigen digitalen Möglichkeiten könnte eine einzelne Person neben einem Hauptberuf als Politiker eine solche Infrastruktur errichten; da sind Spezialisten beteiligt, Anwälte und Banker.
Sohn Hunter Biden könnte einem fast leidtun, denn es bleibt der Eindruck, dass Vater Joe seinen Sprössling vor allem als Fassade für seine eigenen kriminellen Geschäfte nutzt, und wenn das schon immer so war, muss es nicht mehr wundern, dass sich der zum reinen Werkzeug degradierte Sohn in Drogen flüchtet.
Wie ist das bei Scholz? Die Cum-Ex-Affäre kocht immer noch weiter, aber irgendwie wird der skandalöseste Aspekt dabei unter den Tisch gekehrt, als handele es sich um das, was immer schon geschehen ist, gewöhnliche Steuerhinterziehung oder überteuerte Leistungen, also das, was Firmen und Banken in bestimmten Bereichen schon immer tun. Cum-Ex war allerdings etwas qualitativ völlig Neues.
Denn es ging nicht darum, eigene Gewinne nicht zu versteuern, und auch nicht darum, neben einer realen Leistung noch etwas zu betrügen. Cum-Ex war eine Technik, direkt in den Steuertopf zu greifen, ohne jede Gegenleistung; eine "Erstattung" von Zahlungen auszulösen, die es nie gegeben hatte. Blanker Betrug, der nicht darauf zielte, das Eigene nicht teilen zu müssen, sondern darauf, sich Fremdes anzueignen. Die Beteiligten, Banken wie deren wohlhabende Kundschaft, verschworen sich, um ein Verbrechen zu begehen. Und Olaf Scholz war als Hamburger Bürgermeister mittendrin. Soll man wirklich glauben, er hätte das aus reiner Zuneigung zu seinen Bankerfreunden getan, ohne in irgendeiner Weise persönlich beteiligt worden zu sein? In Deutschland ist man da meist sehr zurückhaltend; würde gründlich gebohrt, ließe sich sicher etwas finden, und sei es bei einer entfernten Tante. Oder eben auf den Jungferninseln oder in Delaware.
Es gibt Anzeichen dafür, dass Cum-Ex nur die Spitze des Eisbergs ist. Vor Jahren, als der Skandal um die Haasenburg hochkochte, eine Kette privat betriebener geschlossener Jugendheime in Brandenburg, in denen Kinder und Jugendliche ab zwölf schwer misshandelt und manche sogar in den Tod getrieben wurden, war zu hören, die Aufklärung sei teilweise deshalb schwierig, weil der Schatzmeister der Hamburger SPD in die Geschichte verwickelt war.
Die Einrichtungen wurden damals geschlossen, es gab unter anderem einen Untersuchungsausschuss im brandenburgischen Landtag, und es schien so, als werde alles gut. Inzwischen hat sich das aber wieder umgekehrt; die Schließung wurde aufgehoben, und einer der damaligen Aufklärer, der Linken-Abgeordnete Torsten Krause, wurde über den Vorwurf, eine Fahrt nicht ordentlich abgerechnet zu haben, aus dem Landtag gekegelt. Einige einzelne Jugendliche konnten gerettet werden, aber das System besteht weiter.
Der Eigentümer der Haasenburg GmbH betrieb außerdem eine Reihe von Fitnessstudios und einen Privatflugplatz. Die Jugendämter, die Kinder in diesen Einrichtungen unterbrachten, zahlten pro Tag bis zu 500 Euro. Am Rande der ganzen Affäre tauchte auch noch eine Motorradgang auf. Wenn man diese Punkte zusammennimmt, was würde man dahinter vermuten? Nicht nur einen ausgeprägten Erwerbstrieb; nein, bei den Summen, die umgesetzt wurden, und dieser seltsamen Querverbindung Hamburg-Motorradgang-Privatflugplatz, könnte es sich um noch weit finsterere Zusammenhänge handeln, um Geldwäsche aus kriminellen Geschäften.
Nur so eine Ahnung. Wirklich mit Energie aufgeklärt wurde die ganze Sache nie. Allerdings ist es kaum wahrscheinlich, dass der Schatzmeister der Hamburger SPD in solche Dinge involviert war, ohne dass sein Parteivorsitzender und Bürgermeister Olaf Scholz davon wenigstens ansatzweise Ahnung hatte und es zumindest billigte.
Auch hier: Es hätte eine äußerst gründliche Untersuchung benötigt, um aufzuklären, wer daran was verdient hat und welche Geschäfte noch an diesen bösartigen "Jugendhilfeeinrichtungen" hingen. Und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass außer Cum-Ex und der Haasenburg im Umfeld der Hamburger SPD-Spitze noch mehr Derartiges zu finden wäre. Also zu welchem Typus Politiker gehört Olaf Scholz? Zu jenen, die Politik machen und sich kaufen lassen, oder zu jenen, die Politik machen, um sich kaufen zu lassen?
Dass Scholz, der in seiner Juso-Zeit aus der Kirche ausgetreten ist, auf eine religiöse Metapher zurückgreift, um die Demonstranten zu attackieren, die seine Münchner Rede mit Friedensforderungen störten, ist irritierend. Noch dazu, weil Scholz als Protestant aufgewachsen ist, die Geschichte mit den gefallenen Engeln aber nicht Teil des Kanons ist, sondern aus apokryphen Texten stammt, die weit eher in katholischen als in protestantischen Kreisen verbreitet sind. Mag natürlich sein, dass auch Scholz Serien wie Lucifer oder Good Omens konsumiert, aber dennoch, man richtet die Metaphern, die man gebraucht, durchaus nach dem Umfeld, in dem man auftritt, und es war wohl eher nicht die Gestaltung der Mariensäule, die ihn zu dieser Aussage getrieben hat.
Auffällig daran ist die Position, die er für sich selbst damit in Anspruch nimmt. Das Recht, für alle Umstehenden über Gut und Böse, Wahr und Falsch zu entscheiden, und zwar über das säkulare Maß hinaus, das eigentlich zum politischen Feld gehört. Als wäre er ein mittelalterlicher Bischof oder gar der Papst selbst, mit dem Recht, zu bannen und zu ächten. Kein Habitus, der einem demokratischen Politiker ansteht.
Wenn das bei manchen Erinnerungen an Franz Josef Strauß hervorruft, der mit Formulierungen wie "Ratten und Schmeißfliegen" auch sehr oft undemokratisch agierte und der es im Verlauf seiner Karriere auf mehrere Korruptionsskandale brachte, muss ich Strauß geradezu in Schutz nehmen. Was eine sehr schräge Situation ist, schließlich hatte ich mit 16 eine größere Auseinandersetzung mit dem bayrischen Staat um das Tragen einer "Stoppt-Strauß!"-Plakette in der Schule. So unberechenbar Strauß mit seinen Verbindungen in braune Abgründe war, und so viele Gründe es gab, seiner Politik zu widersprechen – es war unübersehbar, dass es die Politik selbst war, die ihn antrieb, nicht das Erwerbsinteresse. Er war zwar käuflich, aber intelligent, und setzte sich neben den Interessen des militärisch-industriellen Komplexes auch für die Interessen seines Bundeslandes ein, sogar in einem begrenzten Bereich objektiv nützlich. Er trieb geradezu dazu, die Gegenposition gleichermaßen scharf zu formulieren.
Scholz ist im Vergleich dazu eher ein schlechter Darsteller; man kann ihm nicht wirklich abnehmen, was er liefert. Seine Engel-Teufel-Metapher ist auch deshalb so bizarr, weil nichts an seiner sonstigen Persönlichkeit darauf hindeutet, dass ihn Fragen von Gut und Böse tatsächlich umtreiben. Er wirkt eher so, als gäbe es nur eine einzige relevante Frage für ihn: das Wohlergehen von Olaf Scholz.
Biden signalisierte das Gleiche mit seiner Erzählung über den Brand in seinem Haus, mit dem er – oder sein Redenschreiber – Mitgefühl mit den Opfern der Katastrophe von Maui signalisieren wollte, aber letztlich nur zeigte, dass alle Gedanken von seiner Person ausgehen und immer zwanghaft zu seiner Person zurückführen. Wobei diese Reaktion politisch absolut kurzsichtig ist, denn ein Teil der Geschichte rund um diesen Brand, dessen Opferzahl noch immer stetig nach oben korrigiert wird, ist auch, dass dort Einheimische lebten, die sich weigerten, ihre Grundstücke an benachbarte Superreiche zu verkaufen, die jetzt auch noch, selbst wenn sie das Glück haben, dass ihr Haus stehen geblieben ist, gewaltsam daraus vertrieben werden und als höchstes der Gefühle von der US-Regierung 700 Dollar pro Haushalt erhalten.
Auf den Zorn, der sich im kolonisierten Hawaii darauf regt, mit einer Anekdote eines Kleinbrandes zu reagieren, bei dem er fast "seine Frau Jill und seine Katze" verloren hätte; ein Brand, der von der örtlichen Feuerwehr schnell unter Kontrolle gebracht wurde und keine dauerhaften Schäden hinterließ, das ist schon ein Musterexemplar für einen Mangel an Empathie. Im wirklichen Leben gilt Biden als herrschsüchtig und leicht erregbar.
Was man sich auch bei Scholz leicht vorstellen kann. Dass er seine Mitarbeiter kontrolliert, indem er rot anläuft und sie anbrüllt. Dass er jedes bisschen Macht persönlich nimmt. Das ist eigentlich das Gegenteil von wirklichem politischen Geschick, das eher emotionale Selbstkontrolle und Verhandlungsfähigkeit, Überblick und eine Wahrnehmung für Loyalität verlangt. Aber in der Welt der beiden, Scholz und Biden, haben Geldflüsse die Fäden der Loyalität ersetzt, sei sie ideologisch oder persönlich. Sie sind beide keine wirklich guten Politiker, sie wurden schlicht von den Verhältnissen nach oben gespült.
Es ist die Ähnlichkeit, die die seltsame Reaktion von Scholz damals auf der Pressekonferenz in Washington erklärt. Jeder, wirklich jeder Politiker, mit dem man ihn gedanklich zu ersetzen sucht, der um der Politik willen in der Politik war, hätte bei der Bemerkung von Joe Biden, man werde Nord Stream 2 verhindern, zumindest gezuckt. Die meisten hätten reagiert, selbst wenn es nur deshalb gewesen wäre, weil die Vertretung des deutschen Interesses schlicht das gewesen wäre, was die Rolle vorgibt. Scholz hat nicht mehr Wahrnehmung für diese Rolle, als Außenministerin Annalena Baerbock für die Ihre hat, aber aus leicht anderen Motiven. Sein Egoismus ist fordernder, gieriger. Er erkannte in Joe Biden den Bruder im Geiste, und dachte allerhöchstens daran, wie er sich für seine Kooperation bezahlen lassen würde. Das ist ein Gedanke, der hinter das dümmliche Grinsen passt, das er in diesem Moment zeigte. Scholz ist niemand, den man erpresst. Scholz ist jemand, den man einkauft. Man wünscht sich manchmal, man könnte ein Crowdfunding-Portal eröffnen und unter der Losung "Scholz kaufen" schlicht Geld sammeln, um ihn zu übernehmen.
Und dann gibt es noch eine Eigenschaft, die beide teilen. Sie halten sich für wichtiger als alles andere. Das ist es, was Scholz mit seinem Engel-Teufel-Moment, und was Biden mit seiner Hausbrandgeschichte zu erkennen gibt. Sie halten sich für etwas Besseres. Was einen verdrehten Sinn ergibt – sie müssen beide, zumal als Juristen, wissen, wie kriminell sie sind. Aber sie umgehen jede Zuckung eines möglicherweise verbliebenen Restgewissens dadurch, dass sie sich in ihrer Selbstsicht so weit über den Rest der Menschheit stellen, dass niemand mehr übrig bliebe, der das Recht besäße, über sie zu richten. Keine schlaflosen Nächte; nicht wegen ihrer Käuflichkeit, und auch nicht, weil sie jeder ihren Anteil daran haben, hunderttausende Ukrainer in einen sinnlosen Tod zu treiben. Nein, im Gegenteil. Man hat fast den Eindruck, dass es ihnen Vergnügen bereitet, andere untergehen zu sehen, seien es die Truppen in ihrem Stellvertreterkrieg, seien es die Armen in den Ländern, die sie regieren.
Selbst die mephistophelischen Qualitäten, die man ihnen im Rückblick zuschreiben wird, weil ihre Bemühungen, die westliche Dominanz zu retten, ihr Ende beschleunigen, sind nichts, das ihnen wirklich eigen wäre, sondern wie alles andere nur ein Gewand, das sie auf Auftrag überstreifen, ein Streben, für das sie bezahlt werden. Auf diese Weise werden sie zur Verkörperung des Kerns der gegenwärtigen westlichen Gesellschaft: nur noch Gier, kein Charakter.