Turbine von Voith, Baujahr 2004, in Guangzhou, China
Der Firmenchef des deutschen Maschinenbauunternehmens Voith in Heidenheim sieht eine große Gefahr der Deindustrialisierung in Deutschland.
Voith ist ein inzwischen über 150 Jahre altes Unternehmen, das auf Papiermaschinen, Wasserkraft und Antriebstechnik spezialisiert ist und Niederlassungen in 60 Ländern mit 21.000 Mitarbeitern besitzt. Damit ist es ein typischer Fall für das, was man in Deutschland ein mittelständisches Unternehmen nennt. Voith errichtete seine erste Auslandsniederlassung bereits 1904 im österreichischen St. Pölten; heute sind unter anderem Brasilien und nicht zuletzt China wichtige Abnehmer. Dort lieferte Voith unter anderem Turbinen für den gigantischen Drei-Schluchten-Staudamm.
"Hier liegt unser Weltmarktanteil bei rund einem Drittel," erklärt Toralf Haag im Interview mit der Welt. "Vor allem in Afrika und Asien sehen wir zahlreiche neue Projekte, bei denen wir zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerke liefern." Anders gesagt: Voith wäre klar eines der Unternehmen, die davon profitieren würden, die westliche Konfrontation mit China und die Tätigkeit gegen Pekings Pläne in Afrika zu beenden.
Aber während in Amerika zumindest der Inflation Reduction Act neue Geschäfte verspreche, sehe es in Europa schwieriger aus, wo weitgehend nur Vorhandenes erneuert werde. "In Deutschland wiederum", sagt Haag, "erleben wir eine komplette Zurückhaltung."
Dabei schätzt er etwa das vorhandene Potenzial für Wasserkraft in Süddeutschland auf das Dreifache des bisherigen Anteils, also nicht auf fünf Prozent der Stromversorgung, sondern fünfzehn. "Ich kann bis heute nicht verstehen, warum wir nicht erst neue Energiequellen erschließen, bevor wir bestehende abschalten," beschwert er sich.
Die augenblickliche Entwicklung gehe dahin, dass die Produktion aus Deutschland abgezogen werde und vielleicht noch Verwaltung und Forschung hier verblieben. Ein Industriestrompreis würde helfen, wäre aber nicht genug.
Auch die Bürokratisierung sei ein Teil des Problems. Eine Bürokratisierung übrigens, die, was Haag nicht sagt, vor allem durch die EU vorangetrieben wird. "Allein in den letzten zwei Jahren mussten wir fast 30 neue Verwaltungsmitarbeiter einstellen, um zusätzliche Aufgaben und Dokumentationspflichten erfüllen zu können, die sich aus neuen Gesetzen ergeben haben." Auch das trage dazu bei, dass das Unternehmen sich eher für Osteuropa, Asien oder die USA entscheide, wenn neue Produktionsstätten errichtet werden sollen.
Es sei verheerend, wenn die Produktion aus Deutschland verschwinde.
"Damit verliert die deutsche Wirtschaft nicht nur ihre DNA, sondern auch jegliches Zukunftspotenzial. Die Industrie ist mit ihren gut bezahlten Arbeitsplätzen der Garant für Wohlstand."
Zuletzt hatte eine Umfrage des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft ergeben, dass jedes fünfte Unternehmen über eine Verlagerung ins Ausland nachdenkt. Gerade im Maschinenbau, einer der Kernsparten der deutschen Volkswirtschaft, dominieren mittelständische Unternehmen. Aber selbst Forschung in diesem Bereich ist schwer aufrechtzuerhalten, wenn jede Verbindung zur praktischen Produktion verloren geht. Das ist es, was Haag mit der "DNA der deutschen Wirtschaft" meinte.