Auch über ein Jahr nach der Flutkatastrophe gleicht das Ahrtal immer noch einer Trümmerwüste.
Die Bundesregierung hat einmal mehr bewiesen, dass ihre Prioritäten jedem Land der Welt außer dem eigenen gelten. Das von Svenja Schulze (SPD) geführte Bundesentwicklungsministerium (BMZ) gab Anfang der Woche bekannt, dass Deutschland das von katastrophalen Überschwemmungen betroffene Pakistan mit weiteren 26 Millionen Euro unterstützen werde. Bereits Anfang des Monats hatte die Bundesregierung 13 Millionen Euro an Hilfsgeldern zugesagt. Konkret soll vor allem die Infrastruktur in den betroffenen Regionen wiederaufgebaut werden. Dabei geht es zum Beispiel um Brücken, Straßen oder Wasserversorgung. Außerdem sollen die Wiederaufbauprojekte Arbeitsplätze für die durch die Flut vertriebenen Menschen schaffen. Zudem sollen auch noch etwa 140.000 von der Flut betroffene Menschen, zum Beispiel Kleinbauern, die ihre Ernte oder ihr Vieh verloren haben, Hilfe aus bestehenden Pilotprojekten des BMZ erhalten.
„Die Klimakrise ist zutiefst ungerecht“, schwafelte Schulze, und fabulierte: „Entwicklungsländer wie Pakistan haben bislang wenig zum Klimawandel beigetragen, aber sie stehen heute an vorderster Front im Kampf gegen die Folgen. Die Weltgemeinschaft muss hier Solidarität beweisen.“ Die Situation in Pakistan entwickle sich zur „Katastrophe nach der Katastrophe“ . Die Überschwemmungen hätten Entwicklungserfolge der letzten Jahre in kürzester Zeit zunichtegemacht.
Abgesehen davon, dass Schulze hier wieder einmal den Klimawandel ohne jeden Beweis als Ursache für die Flut heranzieht, als sei so etwas in früheren Jahrhunderte nicht ebenfalls immer wieder vorgekommen, sieht man einmal mehr, wie schnell und effektiv der deutsche Staat nahezu jede Summe mobilisieren kann, wenn es ums Ausland, gar um weit entfernte Winkel der Erde geht.
Grundsätzlich sind Hilfen wichtig und richtig; die Frage ist nur, wo die Prioritäten liegen. Für die Menschen in den von der Jahrhundertflut im Juli 2021 heimgesuchten Katastrophengebiete im Ahrtal und in der Eifel etwa müssen die Aussagen von Schulze zu Pakistan wie Hohn klingen. Denn noch immer warten etliche die Flutopfer seit über einem Jahr auf die ihnen immer wieder zugesagte „schnelle und unbürokratische Hilfe“. So, wie die betroffenen westdeutschen Gebiete vor gut 14 Monaten binnen Stunden in den Fluten untergingen, werden sie seit einem Jahr von einer neuen Flut von Chaos, Inkompetenz, Verantwortungslosigkeit, Behördenarroganz und Bürokratiewahnsinn heimgesucht. Auch hier könnte man, so wie Schulze für Pakistan, von einer „Katastrophe nach der Katastrophe“ sprechen – eine, die allerdings menschengemacht ist. Denn wenn es um Bürger des eigenen Landes geht, gilt eben nicht die Devise „erst helfen (bzw. zahlen), dann fragen” – sondern da müssen mit spitzem Griffel bis auf Nachkommastellen Anspruchsberechtigungen geprüft und Formalität erfüllt sein.
Ein Ahrtal-Flutopfer klagte nach dem „Einjährigen“ des Unglücks im Juli: „Ich weiß nicht, wie wir das schaffen sollen. Es wurden schnelle Hilfen versprochen, aber jetzt stehen wir nach einem Jahr immer noch da. In einem halben Jahr dreht uns die Bank den Geldhahn zu.“ Nachdem die Frau ihr stark beschädigtes Haus monatelang eigenhändig getrocknet und entkernt hat, erhält sie kein Geld von der Versicherung, weil diese behauptet, die Arbeit sei von freiwilligen Helfern gemacht worden. Nun muss das Opfer mühsam Beweise und Fotos zusammentragen, die beweisen sollen, dass sie und ihre Familie die Aufgaben selbst erledigt haben, und bittet Nachbarn, dies der Versicherung zu bestätigen. Deren Gutachter, der sie selbst dabei angetroffen habe, könne sich nicht mehr daran erinnern.
Zahllose andere Flutopfer berichten von ganz ähnlichen Problemen mit der Versicherung, sie wissen nach mehr als einem Jahr noch nicht, ob sie ihr Haus abreißen müssen oder es sanieren dürfen und stehen nach wie vor buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz. Auszahlungen stocken, weil in einem unsäglich umständlichen Verfahren zuerst Handwerksrechnungen eingereicht werden müssen. In vielen Fällen ist es auch so, dass die staatlichen Hilfsgelder denen vorenthalten wurden, die umsichtigerweise eine Elementarversicherung für Flutschäden abgeschlossen hatten – obwohl sich die Versicherung dann auf die eben beschriebene Weise aus der Verantwortung zu stehlen versucht. Als Resultat haben viele Betroffenen nach einem Jahr noch überhaupt kein Geld gesehen.
Von denselben deutschen Politikern, die nicht nur die ganze Welt zur bedingungslosen Teilnahme am deutschen Sozialsystem einladen, sondern bei jeder Katastrophe auf der Welt umgehend Millionenzahlungen an deutschen Steuergeldern verteilen (und hier dann großzügig-unbürokratisch, obwohl die Gelder in den meisten Fällen nach „Landessitte“ der Empfängerstaaten in korrupten Kanälen versickern dürften), hörte man nichts davon, dass die Bewältigung der heimischen Fluttragödie eine nationale Aufgabe sei, der alles andere unterzuordnen sei. Es sind ja nur Deutsche. Stattdessen blieb es in den Katastrophengebieten im Aartal oder an der Sieg, wie so oft, bei leeren Versprechungen.
Hier ist dann idealtypisch das Versagen eines Staates zu beobachten, der sich ansonsten zwar in alles einmischt, sich für alles zuständig erklärt und sich etwa beim Infektionsschutz oder beim Klima anmaßt, die Lebensrisiken seiner Bürgern gegen Freiheitseinschränkungen autoritär abzumildern – der aber andererseits längst nicht mehr in der Lage ist, auch nur seinen eigentlichen Kernaufgaben von Schutz und Sicherheit der eigenen Bevölkerung nachzukommen. Vermutlich werden die Schäden in Pakistan längst behoben sein, wenn die deutschen Flutopfer immer noch auf Hilfe ihrer eigenen Regierung warten. Und ein wirksamer Katastrophenschutz ist in Deutschland dann immer noch Fehlanzeige.