In Israel hat die Knesset jüngst einen überarbeiteten Dresscode publikgemacht. Darin heißt es unter anderem, kurze Röcke oder provokative Tops seien im Parlament nicht mehr gestattet. Einige weibliche Abgeordnete wittern sexistische Beweggründe.
Israel gehört weltweit zu jenen Ländern, in denen allzu strikte Dresscodes eher unüblich sind. Es gilt weitgehend das Prinzip "Leben und leben lassen". Am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit, selbst bei Feierlichkeiten rufen Freizeithemden, Jeans oder Flip-Flops keinen Aufschrei hervor.
Im Parlament, der Knesset, ging einigen dieser Trend zur legeren Kleidung zuletzt offenbar dann doch zu weit. Wie BBC berichtet, hat die Volksvertretung in Jerusalem am Mittwoch auf ihrer offiziellen Webseite überarbeitete Vorschriften zur angemessenen Kleidung in den Parlamentsräumlichkeiten veröffentlicht.
Auf der Seite heißt es, dass Eintritt in die Knesset nur in angemessener Kleidung gestattet ist, und dies bedeutet unter anderem:
keine Tank-Tops, Spagettiträger, kurz geschnittene Oberkleidung, kurze oder Dreiviertelhosen, zerrissene Hosen, T-Shirts mit politischen Slogans, kurze Röcke oder Kleider, Flip-Flops oder Pantoffeln.
Die Regelung gelte für Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren. Das Sicherheitspersonal sei angewiesen worden, auch Abgeordnete nicht in die Sitzungssäle zu lassen, deren Kleidung als "provokativ" angesehen werden könnte.
Parlamentssprecher Dan Tichon erklärte, die Einführung des überarbeiteten Dresscodes sei infolge von "ernsthaften Beschwerden" vonseiten einer Reihe von Gesetzgebern erforderlich geworden. Tichon nannte keine Namen. Medien spekulieren, dass vor allem aus den Reihen jüdisch-orthodoxer Abgeordneter, die etwa ein Fünftel der 120 Knesset-Mitglieder stellen, Forderungen gekommen sein könnten, vor allem weibliche Abgeordnete, Parlamentsmitarbeiter oder Besucher zur Wahl weniger offenherziger Kleidung zu veranlassen als dies offenbar bislang der Fall war.
Bereits Anfang der 1980er Jahre hatte das Parlament innerhalb seiner Räumlichkeiten das Tragen von Sandalen untersagt. Im Zusammenhang mit den nun überarbeiteten Vorschriften erklärte ein weiterer Knesset-Sprecher, Yotam Yakir, gegenüber der Times of Israel, es handele sich im Grunde um bereits bestehende Bestimmungen, die allerdings bislang kaum umgesetzt worden wären.
Das ist kein neuer Dresscode, sondern eher eine Überarbeitung eines bestehenden, der bereits vor mehreren Wochen die Runde machte. Sein Ziel ist es, so gut wie möglich, die in der Vergangenheit bestehende Ambiguität klarer zu gestalten – gleichzeitig jedoch Sensibilität zu zeigen und zu versuchen, die Gefühle unserer Besucher und Gäste nicht zu verletzen.
Bislang habe es erst einen Fall gegeben, in dem eine Besucherin auf die Kleidungsvorschriften angesprochen worden wäre, berichtet die Zeitung "The Marker" unter Berufung auf eine anonyme Quelle. Diese hätte die Belehrung akzeptiert und ihre Kleidung gewechselt. Es werde auch darauf geachtet, dass Beanstandungen unpassender Kleidung stets durch Sicherheitspersonal des gleichen Geschlechts erfolgen.
Kommunikationsministerin Limor Livnat (Likud) zeigte sich hingegen skeptisch. Sie bezweifelte, dass der neue Dresscode tatsächlich effektiv umgesetzt werden könnte. Sie warf im Fernsehen die Frage auf:
Was wollen sie denn tun? Umherlaufen und die Länge der Röcke messen?
Einige andere der 33 weiblichen Abgeordneten - es ist die historisch bislang höchste Anzahl an Frauen in der Knesset - nutzten die Debatte, um auf sexistische Vorfälle aufmerksam zu machen, denen sie zum Teil auch im Parlament ausgesetzt gewesen seien. So erklärte unter anderem die Abgeordnete Merav Ben Ari von der zentristischen Kulanu-Partei, die Tatsache, dass sie als alleinstehende Frau Abgeordnete der Knesset sei, bringe sie "in unangenehme Situationen".