Im Februar 2022 wurden dem Robert Koch-Institut über 200.000 Impfdurchbrüche gemeldet.
von Susan Bonath
Sosehr Politik und Medien immerfort Gegenteiliges behaupten: Den Schutz der Impfstoffe gegen eine Ansteckung mit und eine Übertragung des Coronavirus an andere muss man mit der Lupe suchen. Die Zweifel kommen nicht von ungefähr. So registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) im letzten Wochenbericht allein vom 17. Januar bis zum 13. Februar 2022 insgesamt fast 219.000 sogenannte symptomatische Impfdurchbrüche bei Kindern und Erwachsenen ab fünf Jahren. Fast die Hälfte der erkrankten Geimpften war sogar geboostert.
Bei den Erwachsenen ab einem Alter von 18 Jahren betrafen damit knapp 70 Prozent der insgesamt vom RKI erfassten symptomatischen Corona-Fälle mindestens zweifach Geimpfte, 36 Prozent hatten den Booster erhalten. Bei den Über-60-Jährigen waren 73 Prozent geimpft, 51 Prozent sogar dreimal.
Zum Vergleich: In der Altersgruppe ab 60 Jahren mit dem höchsten Risiko für kritische Krankheitsverläufe betrug die Impfquote in der Gesamtbevölkerung am 18. Februar laut RKI gut 88 Prozent. Fast 77 Prozent haben die dritte Impfung erhalten. Bei den jüngeren Erwachsenen gelten aktuell 83 Prozent als mindestens “grundimmunisiert” und knapp 60 Prozent als geboostert.
Mit der Zunahme der Kinderimpfungen mehren sich auch die “Impfdurchbrüche” in dieser Altersgruppe. So befanden sich unter den mindestens zweimal geimpften Erkrankten in diesen vier Wochen rund 18.000 Minderjährige, von denen etwa jedes achte Kind sogar die dritte Spritze erhalten hatte. Insgesamt meldete das RKI 112.400 symptomatische Corona-Fälle bei Minderjährigen, 16 Prozent waren geimpft.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI hatte Mitte August 2021 die Zweifach-Impfung für zwölf- bis 17-jährige Jugendliche empfohlen. Vor rund zwei Monaten, Mitte Dezember, folgte die Empfehlung für fünf- bis elfjährige Kinder mit bestimmten Vorerkrankungen. Eine allgemeine Impfempfehlung für diese Altersgruppe gibt es nicht. Schließlich empfahl die STIKO Mitte Januar auch eine dritte Impfung für Zwölf- bis 17-Jährige drei bis sechs Monate nach der zweiten.
Trotz fehlender allgemeiner Empfehlung für diese Altersgruppe waren 2.210 erfasste symptomatisch erkrankte Kinder unter zwölf Jahren “vollständig”, davon sogar 322 dreimal geimpft. Die Impfquote bei den Zwölf- bis 17-Jährigen betrug Mitte Februar rund 61 Prozent, bei jüngeren Kindern ab fünf Jahren lag sie bei knapp 15 Prozent.
Allerdings sind die RKI-Daten mit großer Vorsicht zu genießen. Offenbar existieren über die weit überwiegenden Fälle keinerlei Zusatzinformationen, wie etwa die Art der Symptome, aber auch der Impfstatus. Wie Recherchen der Autorin nahelegen, liegt das an der Überlastung der Gesundheitsämter der Landkreise und kreisfreien Städte. Vielerorts gaben sie demnach nicht nur die Nachverfolgung von Kontakten auf, sondern auch das Einholen weiterer Daten, darunter der Impfstatus der positiv Getesteten.
Allein für den erfassten Zeitraum vom 17. Januar bis 13. Februar 2022 hatte das RKI nämlich 4,35 Millionen neue Positivfälle gemeldet. Das geht aus den täglichen Lageberichten hervor. Binnen dieser vier Wochen kamen also genauso viele neue Corona-Fälle hinzu, wie insgesamt von März 2020 bis Mitte Oktober 2021 insgesamt in Deutschland registriert wurden. Derweil bezog es sich in dem Wochenbericht für den Zeitraum nur auf gut 402.000 Fälle.
Mit anderen Worten: Für fast vier Millionen gemeldete Corona-Fälle, mehr als 90 Prozent, hatte die Behörde wohl überhaupt keine weiteren Informationen, wie den Impfstatus, verfügbar. Das heißt: Theoretisch könnte man annehmen, dass sich die Zahlen von Geimpften und nicht Geimpften in dieser Gruppe genauso verteilen – aber eben nur theoretisch. Praktisch bewiesen ist das nicht, eine genaue Interpretation dieser Daten ist schlicht nicht möglich. So könnte es durchaus sein, dass vermehrt Ungeimpfte unter den Fällen mit zusätzlichen Angaben sind – der umgekehrte Fall ist ebenso möglich.
Dennoch zeigen die unvollständigen Daten mindestens eines: Doppelt wie dreimal Geimpfte infizieren sich höchstens marginal seltener als Ungeimpfte. Anzunehmen ist, dass Erkrankte mit Symptomen das Virus auch weitergeben können. Verschiedene Studien zeigten dies bereits. Die Schutzfunktion der Corona-Impfstoffe für Kontaktpersonen Geimpfter ist also bestenfalls sehr gering.
Damit begründet allerdings die Bundesregierung die Impfpflicht in Gesundheitsberufen, die ab dem 16. März gelten soll, sowie ihr Ansinnen einer allgemeinen Impfpflicht. Es heißt: Pflegekräfte und alle anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen sollen sich impfen lassen, um die vulnerablen Pflegebedürftigen vor einer Ansteckung zu schützen. Angesichts der Zahlen scheint das eher Wunschdenken zu sein.
Als ausweichende Begründung muss der Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung herhalten. Bekannt ist inzwischen allerdings, dass die Kliniken in der gesamten Corona-Krise nicht mit überbordenden Patientenzahlen zu kämpfen hatten. Im Gegenteil: Die Gesamtbelegung war 2020 weit geringer als 2019, Gleiches zeichnet sich auch für 2021 ab. Auch die Intensivstationen waren nie überlastet gewesen, wie kürzlich sogar Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einräumte.
Ein Blick auf die – unvollständige – Datenlage im RKI-Wochenbericht zeigt außerdem einen Rückgang der Krankheitsschwere. Das dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) unterstellte Institut meldete darin 3.730 positiv getestete Erwachsene, die zwischen Mitte Januar und Mitte Februar 2022 in einer Klinik betreut wurden. Das waren 1,3 Prozent aller erfassten symptomatischen Fälle. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen waren laut RKI mindestens zweimal geimpft.
Das relativiert sich weiter nach Alter: Bei den Über-60-Jährigen wurden knapp sechs Prozent der positiv Getesteten im Krankenhaus behandelt. Bei den unter 60-jährigen Erwachsenen waren es 0,7 und bei den Minderjährigen zwischen fünf und 17 Jahren 0,4 Prozent.
Auf einer Intensivstation wurde demnach einer von 1.000 Erwachsenen mit einem positiven Corona-Test behandelt. Von den über 60-Jährigen betraf es 0,6 Prozent, von den jüngeren Erwachsenen 0,03 Prozent, also drei von 10.000 Erkrankten. Die Sterberate lag laut den RKI-Daten ab einem Alter von 60 Jahren aufwärts bei 0,9 Prozent, bei den 18- bis 59-Jährigen bei 0,01 Prozent – insgesamt bei unter 0,1 Prozent.
Allerdings ist weiterhin nicht bekannt, bei wie vielen Betroffenen tatsächlich das Coronavirus ausschlaggebend für die Aufnahme in einer Klinik oder für ihren Tod war. Dies wird nach wie vor nicht erfasst. In die Fallzahlen geht lediglich ein, wer zuvor einen positiven PCR-Test hatte.