Das vergangene Wochenende hat gezeigt: Die Querdenker sind in der Lage, Demo-Verbote zu unterlaufen und den Protest – allen Widrigkeiten zum Trotz – auf die Straße zu tragen. Ziviler Ungehorsam ist kein Tabu mehr. Damit hat der Widerstand eine neue Phase erreicht. Mit unserer COMPACT-Edition Tage der Freiheit bieten wir Ihnen die besten Reden, Fotos und Interviews von den großen Querdenker-Demos. Hier mehr erfahren.
Lange Zeit nahm man an, die Deutschen seien nicht in der Lage, ohne Erlaubnis zu demonstrieren. Man denke nur an das berühmte Diktum Lenins, nach dem unsereins erst mal eine Fahrkarte löse, bevor der Bahnsteig gestürmt werde. Doch die jüngsten Querdenker-Proteste haben gezeigt, dass wir auch anders können.
Nicht erst am vergangenen Wochenende, sondern bereits am 1. August zeigten die Deutschen wieder Mumm. Die Querdenker und Corona-Kritiker in Berlin scherten sich nicht um – absolut ungerechtfertigte – Demonstrationsverbote und eroberten die Straße. Die Polizei musste dabei oft tatenlos zusehen, weil sie die Züge nicht unter Kontrolle bringen konnte.
Diese Bilder werden wir jetzt sicher öfter zu sehen bekommen. Denn die Querdenker haben erkannt, dass sie sich nicht mehr auf Versammlungsbehörden und Gerichte verlassen können. Darum geht der Widerstand in eine neue Phase. Diese könnte man wie folgt beschreiben: Wir pfeifen auf die Genehmigung des Systems, gegen das wir demonstrieren.
Symbolträchtiges Bild von der Querdenker-Demo am 29.8.2021. Foto: Lars Poelz / COMPACT
Das hat zur Folge, dass der Protest sich von den Veranstaltungen im August letzten Jahres stark unterscheidet. Statt einer festgelegten Route gibt es mehrere dezentrale Spaziergänge, die scheinbar ziellos durch die Städte führen und gegebenenfalls fusionieren. Auch ein Bühnenprogramm mit Rednern, Musik und Tanz gibt es nicht mehr. Der Widerstand erhält ein eher kämpferisch-entschlossenes Profil.
Wenn es zur Bildung einer Menschenmenge kommt, kristallisieren sich die Anführer der Proteste spontan heraus. Das war am 28. und 29. August oft zu beobachten. Organisation und Planung laufen zumeist über Nachrichtendienste wie Telegram. Dort gibt es Admins, die die Demonstranten mit Nachrichten auf dem Laufenden halten und zu Protestzügen leiten. Auch der Telegram-Kanal von COMPACT hat am Wochenende geradezu geglüht. Wir empfehlen, den COMPACT-Kanal kostenlos zu abonnieren, um gerade an solchen Tagen immer auf dem Laufenden zu bleiben: t.me/CompactMagazin
Für mögliche Polizeisperren sind Späher mit Elektrorollern unterwegs, die vorfahren und für Demo-Teilnehmer eine Ausweichroute auskundschaften. Die Freiheits- und Demokratiebewegung scheint damit also, allen Widrigkeiten zum Trotz, ein Konzept gefunden zu haben, um weiter auf der Straße Präsenz zu zeigen.