Gibt es Deutschland überhaupt noch Bundespolitiker, die nicht korrumpiert sind?
von Michael Klein
Rechenschaftsberichte von Parteien faszinieren uns schon länger, und das nicht nur, weil sie keinerlei Ansprüchen an Standards der Rechnungslegung genügen, wie sie z.B. in den International Accounting Standards für Unternehmen in der EU vorgeschrieben sind. Und das obwohl vor allem deutsche Parteien Unternehmen darstellen, für die man die Ansicht, dass sie zum Zwecke der Gewinnerzielung betrieben werden, recht gut argumentieren kann.
Aber das soll uns hier nicht weiter beschäftigen, denn wir sind bei der Analyse der neuen Rechenschaftsberichte der Parteien auf eine Besonderheit gestoßen, die wir nicht erklären können, wenn wir nicht politische Korruption, Betrug zu Lasten von Steuerzahlern usw. annehmen wollen. Und wollen wir das? Um die Brisanz dessen, was wir hier berichten, zu verstehen, ist es notwendig, ein paar Eigenarten der Parteienfinanzierung in Deutschland zu kennen:
Nach dieser Vorrede sollte klar sein, dass die Höhe der “selbsterwirtschafteten Einnahmen” von Parteien die Höhe der staatlichen Zuwendungen beeinflusst. Vor diesem Hintergrund haben wir eine Reihe von Abbildungen vorbereitet, die eine der seltsamsten Entwicklungen abbilden, die wir in den letzten Jahren in Daten gefunden haben. Beginnen wir bei der Darstellung der Einnahmen der Parteien aus Mitgliederbeiträgen. Sie ist für den Zeitraum 2010 bis 2019 in der folgenden Abbildung dargestellt.
Quelle: sciencefiles.org
Man sieht hier eine sehr interessante Entwicklung, denn die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen steigen bei allen Parteien, und sie tun dies offenkundig vollkommen unabhängig davon, wie sich die Mitgliederzahl entwickelt. Bekanntlich laufen der SPD und der CDU die Mitglieder davon. Davon unbeeindruckt, steigen die Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen. Um die Dimension dieses “Wunders” zu verstehen, ist in der folgenden Abbildung die Entwicklung der Mitgliederzahlen für die Bundestagsparteien zu sehen.
Quelle: sciencefiles.org
SPD und CDU verlieren im Beobachtungszeitraum rund 100.000 Mitglieder, Grüne und AfD gewinnen Mitglieder, Linke, FDP und CSU bleiben mehr oder minder konstant. Dessen ungeachtet steigen bei ALLEN Parteien die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, egal, ob sie Mitglieder verlieren oder gewinnen oder ob ihre Mitgliederzahl nahezu konstant bleibt, alle nehmen mehr aus Mitgliederbeiträgen ein. Nun könnte man annehmen, dass die zunehmenden Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen aus einer Anhebung der Mitgliedsbeiträge resultiert. Wir haben diese Hypothese geprüft und die Mitgliederanzahl mit den Mitgliederbeiträgen verrechnet, um den durchschnittlichen Mitgliederbeitrag für alle Parteien zu erhalten. Das unglaubliche Ergebnis ist in der nächsten Abbildung dargestellt:
Quelle: sciencefiles.org
Ist das nicht eine erstaunliche Entwicklung. Im Zeitraum von 2010 bis 2019 sind die durchschnittlichen Mitgliedsbeiträge bei ALLEN Parteien kontinuierlich angestiegen, und zwar in erheblichem Ausmaß:
Eine solche Entwicklung kann man nur dadurch erklären, dass die Höhe der Mitgliedsbeiträge von Parteien an einen Index gekoppelt ist, z.B. an einen Index, den das Statistische Bundesamt benutzt, um jährliche Preissteigerungsraten zu berechnen, die dann wiederum Grundlage sind, für die Berechnung der absoluten Obergrenze der staatlichen Zuwendungen, die den Parteien zufließen. Gibt es entsprechende Regelungen bei Parteien, nach denen der Mitgliedsbeitrag an den Preissteigerungsindex des statistischen Bundesamts gebunden ist und mit ihm jährlich steigt? Die zweite Erklärung sieht eine Anpassung der Mitgliedsbeiträge durch Parteien in ihren Rechnungsberichten, die in betrügerischer Absicht erfolgt, um die Obergrenze der staatlichen Finanzierung ausschöpfen zu können, sich also so viel Geld von Steuerzahlern wie nur möglich unter den Nagel zu reißen.
Welche der beiden Erklärungen die richtige ist, das wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass die Höhe der staatlichen Zuwendungen an Parteien TATSÄCHLICH an den Preissteigerungsindex des Statistischen Bundesamts gebunden ist und eine relative Obergrenze bei der Parteienfinanzierung durch die jeweiligen Eigenmittel der Parteien festgelegt wird, d.h. wenn sich die Mitgliedsbeiträge nicht in der seltsamen Art und Weise entwickelt hätten, wie sie das getan haben, dann hätten die entsprechenden Parteien deutliche Einbußen bei der Zuweisung staatlicher Mittel hinnehmen müssen. Denn man darf nicht vergessen, dass die staatlichen Zuwendung, nicht höher liegen darf als die “erwirtschafteten Eigeneinnahmen” der Parteien. Den höchsten Anteil staatlicher Finanzierung weist die LINKE auf: 42,1% der Finanzierung der LINKE stammt aus Zuwendungen des Staates. Passenderweise liegt der durchschnittliche Mitgliedsbeitrag bei der “LINKE” auch am höchsten, nämlich bei aktuell 172 Euro, Tendenz natürlich steigend. Wäre es nicht so passend, man müsste es glatt passend machen …
Es ist geradezu ein Segen, dass sich die Mitgliedsbeiträge aller Parteien derart optimal entwickeln und durch diese optimale Entwicklung garantieren, dass die entsprechenden Parteien die Obergrenze der staatlichen Zuschüsse auch bislang in jedem Jahr ausschöpfen konnten. Einzige Ausnahme, die AfD. Dort gibt es noch Nachholbedarf im Ausnehmen von Steuerzahlern…