Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang und Innenminister Horst Seehofer (CSU)
Der Verfassungsschutz ist einer großen Sache auf der Spur. Einer, die – wenn man nicht rechtzeitig einschreitet –, geeignet ist, das demokratische System in Deutschland ins Wanken und letztlich zum Einsturz zu bringen.
Das Bundesamt hat nun herausgefunden, daß politische Denkfabriken darauf abzielen, politische und gesellschaftliche Multiplikatoren in ihrem Sinne zu beeinflussen, um langfristig eine Mehrheit für die eigenen Positionen zu gewinnen. Am Ende steht die Besetzung von Schlüsselposition mit den eigenen Leuten, die Machtverhältnisse drehen sich, man sitzt am Drücker. So weit, so wenig überraschend.
Daß Vereine, Think Tanks und Lobby-Organisationen versuchen, staatliche Entscheidungen zu Gunsten des eigenen Anliegens zu beeinflussen, gehört zum Wesen der Politik. Das verhält sich bei Amnesty International, Campact, Greenpeace oder Fridays for Future genauso wie bei der Automatenwirtschaft, der Tabak-Lobby, Islamverbänden oder dem Profisport.
Zum Problem wird das offenbar erst, wenn rechte Organisationen versuchen, den Wind des Zeitgeists auf ihr Segel zu lenken. Dann schrillen beim Verfassungsschutz und seinen medialen Helfershelfern sowie staatlich entlohnten Anti-Rechts-Kämpfern alle Alarmglocken.
Was aber, wenn man den rechten Akteuren nichts Konkretes vorwerfen kann? Nichts, was für ein Verbot vor Gericht ausreichen würde? Ganz einfach: Dann wird konstruiert. Man raunt, man zieht Verbindungslinien und malt ein dunkles Gemälde einer aufziehenden Gefahr.
Der Verfassungsschutz hat dies gerade recht anschaulich in seinem aktuellen Jahresbericht 2020 gemacht. Dort hat er ein neues Unterkapitel entworfen, das sich „Rechtsextremistische Akteure der Neuen Rechten“ nennt. Eingeordnet hat er es im Themenbereich „Rechtsextremismus/rechtsextremistischer Terrorismus“.
Daß es auf der linken Seite nur das Kapitel „Linksextremismus“ gibt, ganz ohne linksextremistischen Terrorismus, darf als kleines Geschenk an die Hobby-Verfassungsschützer in den Redaktionen und Rundfunkanstalten verstanden werden. Diese können künftig berichten, der Verfassungsschutz führe den Akteur XY der „Neuen Rechten“ im Kapitel „Rechtsextremismus/rechtsextremistischer Terrorismus“. Das klingt dann gleich auch viel gefährlicher. Gut, daß der Verfassungsschutz da ein Auge drauf hat.
Als einen solchen Akteur haben die Extremismus-Wächter nun das Institut für Staatspolitik (IfS) und seinen Kopf Götz Kubitschek ausgemacht. Zwar bislang „nur“ als „Verdachtsfall“, was bedeutet, daß noch keine ganz wasserdichten Beweise für dessen Pläne zur Machtergreifung 2.0 vorliegen, aber immerhin der Verdacht dafür. Und wer erstmal als verdächtig gilt, ist schon so gut wie überführt.
Die Antwort auf die Frage, was dem IfS konkret vorzuwerfen oder anzulasten ist, bleibt der Verfassungsschutz schuldig. Schließlich rufen weder Kubitschek, noch die ebenfalls beobachtete Identitäre Bewegung oder das Netzwerk „Ein Prozent“ zu Gewalt oder gar zum Umsturz auf. Der Verfassungsschutz verlegt sich deshalb auch aufs Interpretieren und Deuten.
„Unter die Bezeichnung Neue Rechte wird ein informelles Netzwerk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen gefaßt, in dem rechtsextremistische bis rechtskonservative Kräfte zusammenwirken, um anhand unterschiedlicher Strategien teilweise antiliberale und antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen“, heißt es im Verfassungsschutzbericht.
Ein nicht genau benanntes informelles Netzwerk also, das auf unspezifische Weise versucht, nicht näher genannte antiliberale und antidemokratische Positionen zu verbreiten. Dazu kann im Grunde genommen erst einmal jeder gehören, vom Autonomen Nationalisten über den rechtskonseravtiven Publizisten bis zum traditionell-katholischen Geistlichen. Das weiß man auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz, weshalb die dortigen Beamten zum IfS noch ein paar mehr Worte verlieren.
„Das IfS sieht sich als prägender Ideen- und Impulsgeber der Neuen Rechten. In diesem Netzwerk gilt es als ‘Denkfabrik’, ‘Strategieschmiede’ oder ‘intellektuelles Zentrum’. Gleichwohl wirkt das IfS auch direkt auf die politische Ebene ein.“ „Mon Dieu!“, möchte man ausrufen, oder auch: „Was erlaube Kubitschek?!“
Doch es kommt noch besser. Das IfS hat gleich mehrere antidemokratische Pfeiler in seinem Köcher. Die Zeitschrift Sezession, den Webblog („Sezession im Netz“), Podcasts und verschiedene Veranstaltungsformate, deren Ziel es ist, „Multiplikatoren ideologisch zu schulen beziehungsweise intellektuell weiterzubilden“. Höchste Zeit, die Verfassungsfeuerwehr aus Köln zu rufen.
„Das IfS richtet seine Strategie und Zielsetzungen auf den sogenannten metapolitischen Raum aus. Die Metapolitik wird nach Auffassung des IfS gegenwärtig mehrheitlich von ‘linken’ Akteuren dominiert, die folglich auch die kulturelle Hegemonie innehätten sowie alle wesentlichen Begriffe, Symboliken und Diskurse in der Gesellschaft steuerten und prägten.“
Nun ist sicherlich nicht nur das IfS der Ansicht, daß der Zeitgeist mehrheitlich von links weht, aber offenbar reicht diese Auffassung schon aus, um aufs Radar des Verfassungsschutzes zu geraten. Vor allem, wenn man wie das IfS nach Ansicht der Behörde erkannt hat, „daß die Deutungshoheit im vorpolitischen Raum zur Erlangung und Festigung der realen politischen Macht im parlamentarischen Bereich“ führt.
Das läßt nur eine Konsequenz zu: „Das IfS will zu einer kontinuierlichen Verschiebung der Machtverhältnisse beitragen, um letztlich zukünftige politische Entscheidungen zu prägen.“ Und genau das gilt es mit Hilfe des Verfassungsschutzes zu verhindern.
Bleibt die Frage nach den politischen Inhalten des IfS. Im Verfassungsschutzbericht fallen hierzu Begriffe wie „nationale Identität“ und „Ethnopluralismus“. Das IfS und seine Protagonisten seien der Meinung, daß es für Deutschland ohne eine nationale Identität keine Zukunft gebe. Entsprechend sei die Haltung zum Multikulturalismus bei der „neurechten“ Kaderschmiede.
„Dem Ethnopluralismus liegt die Annahme zugrunde, daß der Begriff des Staatsvolkes in einem exklusiv abstammungsmäßigen Sinne zu definieren ist und somit Menschen auszuklammern sind, die nicht den eigenen ethnischen Voraussetzungen entsprechen.“ Bestimmten ethnischen Minderheiten die Zugehörigkeit zum Staatsvolk abzusprechen, verstoße jedoch gegen den Gleichheitsgrundsatz aus dem Grundgesetz, mahnen die Verfassungsschützer, wodurch für sie die Frage nach der Verfassungsfeindlichkeit des IfS als bewiesen scheint.
Das kann man natürlich so sehen, nur müssen hierfür Definitionen verwischt und absichtlich anlastend ausgelegt werden, sowie bestimmte Begriffe unter den Tisch fallen. Zum Beispiel der des Staatsbürgers. Denn selbstverständlich ist der Bürger eines Staates (mit allen ihm laut Verfassung zustehenden Rechten) nicht automatisch der Angehörige eines Volkes, das seine geografische Heimat schon deutlich länger auf dem Gebiet des besagten Staates hat, als es diesen überhaupt gibt.
Um es runterzubrechen: Wer in Arizona geboren ist, ist deshalb auch noch lange kein Indianer, hat als Amerikaner aber die gleichen Rechte wie alle anderen Amerikaner. Doch mit solchen Haarspaltereien will man sich beim Verfassungsschutz nicht aufhalten. Muß man auch gar nicht. Schließlich wollen die Vertreter der „Neuen Rechten“ laut Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ihr „rechtsextremistisches Gedankengut“ lediglich mittels eines „pseudointellektuellen Anstrichs“ unters Volk beziehungsweise „in den öffentlichen Diskurs“ einbringen, um so die Grenzen des öffentlich Sagbaren zu verschieben.
Das hätten auch die medialen Hilfs-Verfassungsschützer wie der Zeit-Journalist Christan Fuchs nicht schöner formulieren können. Und weil Fuchs im Unterrichtsfach „Warnen vor Rechts“ immer gleich am lautesten und engagiertesten schnippst, gabs vom Verfassungsschutz auch gleich ein Extra-Leckerli. Dieser flüsterte ihm exklusiv, daß nicht nur das IfS, sondern auch Kubitscheks Verlag Antaios unter Beobachtung stehe. Im Verfassungsschutzbericht dagegen taucht er nicht auf.
Zeitgleich zur offiziellen Pressekonferenz, bei der Seehofer mit Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang den Jahresbericht vorstellte, meldete Fuchs via Zeit-Online, daß auch Antaios beobachtet werde, um dann eine gefährliche klingende Auflistung der noch gefährlich klingenderen Bücher aus dem „Bauernhaus im sachsen-anhaltischen Schnellroda“ zu liefern.
Man könnte Fuchs als kleine Denkaufgabe zurufen, daß die Erwähnung einer Publikation im Verfassungsschutzbericht nichts über deren wirkliche Gefährlichkeit aussagt, wie das Beispiel der Jungen Welt zeigt, aber das wäre vergebliche Mühe.
Daß mehr oder weniger hauptberufliche Anti-Rechts-Schreiber dazu neigen, Inhalte, Meinungen, Ansichten und Thesen, die der eigenen politischen Verortung widersprechen, als gefährlich zu brandmarken, um daraus die Legitimation zu ziehen, diese zu bekämpfen, gehört zu ihrem Geschäft. Daß diese Vorgehensweise mittlerweile aber auch Praxis beim Verfassungsschutz ist, zeigt, wie weit der Marsch durch die Institutionen vorgedrungen ist.