Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang (l.) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
von Günther Strauß
Dem Bundesamt für Verfassungsschutz wird vorerst untersagt, die AfD als Verdachtsfall zu beobachten. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln am Freitag entschieden. Demnach wird der Verfassungschutz verpflichtet, „es zu unterlassen“, die Antragstellerin als „Verdachtsfall“ einzuordnen. Ferner wird untersagt, die AfD „zu beobachten“ und die Führung der AfD als „Verdachtsfall“ erneut „öffentlich oder nicht öffentlich“ bekanntzugeben. Zuvor hatte die AfD einen weiteren Eilantrag eingereicht.
Die Verwaltungsrichter begründeten das Urteil mit einem noch nicht abgeschlossenen Eilverfahren. Für die Dauer dieses Verfahrens könne eine solche Zwischenregelung in Betracht gezogen werden, „wenn ohne sie bereits vor der gerichtlichen Eilentscheidung in unumkehrbarer Weise vollendete Tatsachen zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden geschaffen würden“.
Am Mittwoch war über mehrere Medien bekanntgeworden, daß Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang den Landesämtern mitgeteilt habe, daß die AfD seit dem 25. Februar vom Bundesamt als Rechtsextremismus-Verdachtsfall eingestuft sei. Die Behörde wollte dazu aber keine Stellungnahme abgeben. Hintergrund sind Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Köln, mit denen die AfD gegen den Verfassungsschutz vorgehen will. Die Behörde hatte den Richtern versichert, eine eventuelle Bewertung der AfD als Verdachtsfall nicht publik zu machen, ehe die Eilverfahren beendet seien.
Laut dem Verwaltungsgericht stehe aber fest, „daß in dem Bundesamt zurechenbarer Weise der Umstand der Einstufung der Antragstellerin als Verdachtsfall“ in „mißachtender Weise ‘durchgestochen’ worden ist“. Als Beweis werden in dem Urteil auch Medienberichte angeführt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe Stillhaltezusagen abgegeben, doch „diese Vertrauensgrundlage, auf der die vorhergehenden Entscheidungen beruhten, ist nunmehr zerstört“. Es bestehe „angesichts des Gangs der Ereignisse“ in bezug auf das Durchstechen von Informationen „auch eine konkrete Wiederholungsgefahr“.
Beschluss-13L10521-Verwaltungsgericht-KölnDas Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung unter Verweis auf Artikel 21 GG, das den Parteien eine besondere Stellung im politischen System gibt, auch mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie die Bundestagswahl im Herbst.
„Durch das Bekanntwerden der Einstufung der Antragstellerin als ‘Verdachtsfall’ durch bundesweite Medienberichterstattung ist bereits derart in die durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Chancengleichheit politischer Parteien eingegriffen worden, daß eine weitere Beeinträchtigung derselben dadurch, daß Mitglieder der Antragstellerin mit nicht gänzlich unerheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssen, allein aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit nachrichtendienstlich überwacht zu werden oder von solchen Maßnahmen jedenfalls mittelbar betroffen zu sein – insbesondere im Hinblick auf die am 14. März 2021 anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz –, nicht hinnehmbar ist.“
Der daraus drohende Nachteil für die AfD „ist schwerwiegender als die möglichen Folgen für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung für den Fall, daß eine Beobachtung auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln zunächst unterbleiben müsste, der Erlaß der einstweiligen Verfügung aber später abgelehnt würde“.
AfD-Co-Parteichef Jörg Meuthen bezeichnete die Entscheidung als „erneute komplette Blamage“ für Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang. „Ein Inlandsgeheimdienst, der nichts geheim halten kann, mit Einstufungen, die keine 48 Stunden später per Gerichtsbeschluß Makulatur sind.“ Zudem forderte Meuthen gegenüber der JF Haldenwangs sofortigen Rücktritt. „Peinlicher geht es wirklich kaum mehr.“ Der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla sprach auf Twitter von einer „Klatsche für den Verfassungsschutz“. (