5G ermöglicht die totale Überwachung der Smartphonenutzer.
von Jack Rasmus
Das Forschungslabor der US Air Force (ja, die Luftwaffe betreibt eigene Labore) hat kürzlich mit dem Mobilfunkausrüster Signal Frame einen Vertrag abgeschlossen. Es geht darum, die neue Software des Washingtoner Unternehmens zu erproben. Sie erlaubt es, auf ein Smartphone zuzugreifen und von dort aus auf alle Mobilfunk- oder Bluetooth-Geräte in der unmittelbaren Nachbarschaft überzuspringen. Das Wall Street Journal schreibt, das Smartphone diene »als Fenster zur Nutzung von Routern von hunderten Millionen Computern, Fitnesstrackern, modernen Autos und den zahllosen anderen vernetzten Geräten, die unter dem Namen ›Internet der Dinge‹ bekannt sind«.
Ihr Smartphone wird damit im Grunde zu einer staatlichen Wanze, die alle Mobilfunk- und Bluetooth-Geräte in Ihrer Nachbarschaft, kurzum alles, was über eine MAC-Adresse verfügt, aufspürt und darauf zugreift. Unternehmen und Air Force wollten sich nicht dazu äußern, welchen Radius »in der Nachbarschaft« abdeckt, und kommentierten auch die Geschichte im Wall Street Journal nicht. Mit der Ausweitung des neuen Mobilfunkstandards 5G ist allerdings davon auszugehen, dass wir hier beim Radius über mehr als bloß ein paar Schritte reden.
Es fällt leicht, sich furchteinflößende Szenarien für den Fall vorzustellen, dass die staatlichen Spitzel erst einmal über diese technischen Möglichkeiten verfügen: Dank des GPS-Signals Ihres Smartphones würde der Staat nicht nur Ihren genauen Aufenthaltsort kennen, er wüsste auch, was sie tun. Und mit wem.
Bei politischen Versammlungen, Protesten oder Demonstrationen könnte der Staat überprüfen, welche Smartphones sich dort oder in der Nähe aufhalten. Wie viele Menschen versammeln sich in einer bestimmten Straße oder einem speziellen Ort? In welche Richtung sind die Menschen unterwegs? Oder findet in einem Saal oder einem Raum das Treffen einer Organisation statt? Falls ja, wer (beziehungsweise welche Handybesitzer) nehmen daran teil?
Wenn Sie auf einer kurvenreichen Küsten- oder Bergstraße unterwegs sind, wüsste der Staat das und könnte womöglich auf die Elektronik in Ihrem Fahrzeug zugreifen und sie abschalten. Er könnte, wenn sie auf gefährlichen Strecken unterwegs sind, auf die Schaltkreise zugreifen, die für die Servolenkung zuständig sind. Vielleicht kann er auch sämtliche Elektronik des Fahrzeugs einfach abschalten und per Fernsteuerung alle Türen verriegeln. Die Polizei muss Verbrechern nicht länger mühsam in Verfolgungsjagden hinterherhetzen.
Mit der neuen Technologie könnte der Staat auf die Daten auf Ihrem Fitbit zugreifen, während Sie joggen. Womöglich könnte es sogar das Signal Ihres Herzschrittmachers stören.
Die Technologie könnte genutzt werden, um auf Ihr Smartphone zuzugreifen und von da aus, ohne dass Sie es merken, Alexa einzuschalten und Ihre Gespräche abzuhören und aufzuzeichnen. Oder der Staat spielt Mäuschen bei den Zoom-Konferenzen auf Ihrem Laptop. Schlimmer noch: Vielleicht kann er die Sicherheitsfeatures Ihrer heimischen Heizung ausschalten oder umgehen. Oder Ihre Alarmanlage abstellen.
Mit 5G-Breitband-Mobilfunk erstreckt sich die Kontrolle möglicherweise weit über die Reichweite eines Bluetooth-Geräts hinaus. 5G-Breitband, dazu die Technologie von Signal Frame, dazu die Fähigkeiten des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz und man besitzt auf einen Schlag gewaltige Datenmengen über jede gewünschte Person oder Veranstaltung.
Das Problem, dass der Staat freie Bürger überwacht, ist nicht neu. Nach 9/11 hat die Überwachung gewaltig zugenommen, durch den Patriot Act, aber auch dadurch, dass die Heimatschutzbehörde und andere staatliche Organisationen Telefondaten gesammelt haben. Eigentlich hätte damit Schluss sein sollen, aber das ist nicht der Fall.
Die Spitzel ignorieren weiterhin Beschlüsse des Kongresses und Gerichtsurteile zu Fällen, in denen die Privatsphäre amerikanischer Bürger verletzt wurde. Die Tests im Labor der Luftwaffe sind vermutlich wieder einmal nur die »Spitze des Eisbergs«. Und wenn die Air Force sich mit dergleichen beschäftigt, kann man ruhigen Gewissens davon ausgehen, dass die Army, die Navy, die NSA, die CIA und das FBI und all die anderen Spitzel des Staats es ebenfalls tun.
Natürlich würde nicht nur die US-Regierung eine derartige Technologie einsetzen. Wenn die USA über so etwas verfügen, dann können Sie darauf wetten, dass auch andere Regierungen es haben – an vorderster Stelle China, Russland und Israel, aber vermutlich auch einige Europäer.
Anders als 2001 hebt die Technologie von Signal Frame den staatlichen Überwachungsapparat auf eine ganz neue Ebene – man muss sich bloß überlegen, wie viele Smartphones, Geräte aus dem Internet der Dinge, Fahrzeuge mit digitalen Schaltkreisen und netzfähige Haushaltsgeräte mit MAC-Adressen es mittlerweile gibt.
Anders als 2001 bei der Verabschiedung des Patriot Act (und dessen jährlicher Verlängerung in NDAA-Gesetzen) haben wir inzwischen überall KI, Maschinelles Lernen und neuronale Netze, hinzu kommen gewaltige Fähigkeiten des Staats, was die Datenverarbeitung anbelangt.
Kurzum: Technologie wird in den Händen von Regierungen immer mehr zum Werkzeug und Machtfaktor und sie wird eingesetzt, um demokratische und verfassungsmäßige Rechte auszuhebeln. Außerdem dient sie dazu, Menschen, die protestieren und gegen diese Regierungen aufbegehren, aufzuspüren, aufzugreifen und »aus dem Verkehr zu ziehen«.
Die USA werden im nächsten Jahrzehnt wirtschaftlich immer mehr Probleme bekommen und sie werden politisch immer instabiler werden. Gleichzeitig wird es ein Jahrzehnt, in dem Technologie unsere grundlegenden zivilen und verfassungsmäßigen Rechte immer stärker bedroht.