Der deutsche Schäferhund ist bekannt dafür, ein treuer Arbeits- und Begleithund für sein Herrchen zu sein. Das weiß offenbar auch Fast-US-Präsident Joe Biden zu schätzen, schließlich hat seine Familie zwei Vierbeiner genau dieser Hunderasse. So sehr freuen sich manche US-Medien über den Sieg des Demokraten, dass sie selbst seine Hunde feiern oder zumindest, dass es im Weißen Haus wieder vier Jahre Hunde geben wird. Die anderen feiern mit Kamala Harris die erste Frau, dazu noch eine schwarze, als Vize-Präsidentin – völlig zu Recht. Viel weniger werden aber etwa ihre außenpolitischen Ansichten hinterfragt.
Dass Biden sich als Senator für den Jugoslawienkrieg, die US-Bodentruppen in Afghanistan, den Irak-Krieg und den Krieg gegen Libyen eingesetzt hatte, ist längst bekannt. Auch in der Ukraine-Krise 2014 spielten Vizepräsident Biden und sein Sohn Hunter nicht die letzte Rolle. Was nun seine außenpolitischen Absichten gegenüber Deutschland und der EU sind, hat Biden während der Wahlkampfkampagne nicht verraten. Das lässt sich jedoch einschätzen.
So schreibt die wohl wichtigste Washingtoner Polit-Zeitung „Politico“, die Hoffnungen vieler Berliner von einer alten Normalität seien „eine Fantasie“. Wegen Trumps empörender Verspottungen hätten viele Deutsche vergessen, dass schon Barack Obama Berlin unter Druck gesetzt hätte, mehr für die Verteidigung auszugeben. „Trittbrettfahrer ärgern mich“, brachte er 2016 seine Unzufriedenheit mit den europäischen Verbündeten zum Ausdruck. Biden werde deutlich machen, resümiert „Politico“, dass die Europäer den Worten Taten folgen lassen müssen, wenn sie eine gleichberechtigte Partnerschaft mit den USA und etwa keinen neuen Trump in vier Jahren wollen.
Noch bevor Biden angelobt wurde, bekannte sich Bundeskanzlerin Merkel am Montag zur „unersetzlichen deutsch-amerikanischen transatlantischen Freundschaft“ als zu einem „gemeinsamen Schatz“. Für diese Freundschaft mit „dem wichtigsten Verbündeten“ müsste man aber im 21. Jahrhundert mehr eigene Verantwortung übernehmen, ließ sie wissen. Amerika erwarte zu Recht, dass Deutschland und die EU verstärkt für ihre Sicherheit sorgen und für ihre Überzeugungen in der Welt einzutreten.
Außenminister Heiko Maas (SPD) legte nach und lobte in einem Interview den „überzeugten Multilateralisten“ Biden – voller Bereitschaft, teilweise die Rolle des Weltpolizisten zu übernehmen. „Wir werden uns in Europa um unsere unmittelbaren Nachbarn viel intensiver kümmern müssen – sei es in Afrika, sei es im Nahen und Mittleren Osten“, versprach Maas. Man könne sich auch schon darauf verlassen, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben Schritt für Schritt erhöhen werde. Das Thema bleibe, werde aber nicht mehr so im Fokus stehen wie bei Trump, fügte der deutsche Außenminister hinzu.
Und Trump... Er hat ja als Präsident Deutschland nur zweimal besucht: beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 und als seine Maschine Ende 2018 auf dem Rückweg aus dem Iran ohne Merkel in Ramstein vollgetankt wurde. Biden kennt dafür Deutschland und Europa nach Merkels Aussagen gut und sparte schon als Vize-Präsident nicht mit Lob an den „absolut notwendigen, kritischen Partner“ Deutschland – in Merkels Präsenz, aber allerdings doch irgendwo zwischen Afghanistan und dem Irak. Ohne ein starkes Europa, ohne enge Beziehungen zu Europa, sei es nicht vorstellbar, „how American interests can be met around the world“, also wie die amerikanischen Interessen rund um die Welt durchgesetzt werden könnten, betonte er 2013.
Besonders klar erscheinen einem Bidens Absichten gegenüber Deutschland und der EU vor dem Hintergrund seiner Auftritte auf der Münchner Sicherheitskonferenz. 2015 machte er dort deutlich, dass Europa seine „friedliche“ und „freie“ Existenz als EU und Deutschland seine Wiedervereinigung vor allem den USA zu verdanken hätten, und Mittel- und Osteuropa habe man ja aus „gefangenen“ zu „freien“ und „wohlhabenden“ Demokratien gemacht.
2019 bedankte sich Biden, der noch nicht als „gewählter Staatsmann“ reden konnte, aber „als Bürger“ schon, bei Angela Merkel – wohl nur dafür, dass es sie gibt – für die Nato, das „mächtigste Militärbündnis in der Menschengeschichte“, das im Laufe von 70 Jahren „Frieden und Stabilität“ ermöglicht habe. Und gleich danach beschwor er eine neue Partnerschaft mit Europa, um es dem als Hegemon „aufstehenden China“ und dem „rückständigen, aber äußerst aggressiven Russland“ entgegenzustellen. Unter dem Lieblingsmotto seiner Mutter – „Auch dies wird vergehen – wir werden zurück sein!“ – bekräftigte Biden dann noch, dass Führung ohne Gefolge keine Führung sei, und wie stolz er auf die Koalition in Europa sei, die auf die russische Aggression in der Ukraine geantwortet habe. Das sei „der Kern unserer Identität“.
In einem früheren Sputnik-Interview erklärte der Krisenideologie-Experte und Wertkritiker Tomasz Konicz, dass „der Versuch, die inneren Spannungen und Verwerfungen durch äußere Expansion oder Aggression zu kompensieren“, charakteristisch für die spätkapitalistischen Krisen sei. Sollte der nach Konicz von „starken Anzeichen von Demenz“ betroffene Biden nach einem Jahr seiner Präsidentschaft durch Harris ersetzt werden, bleibe unklar, ob „der Kern unserer Identität“ sich dann grundsätzlich ändert. Es bleibt allerdings die Frage, was die europäischen Politiker mit ihren immer öfter propagierten Botschaften und (Lippen?-) Bekenntnissen erzielen wollen.