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Faktencheck zur Medienberichterstattung: Hat Russland tatsächlich Corona-Impfstoff "zugelassen"?

swaine1988
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Autor: RT
Quelle: https://deutsch.rt.com/inland/...
2020-08-12, Ansichten 809
Faktencheck zur Medienberichterstattung: Hat Russland tatsächlich Corona-Impfstoff

Screenshot spiegel.de

Der Aufschrei im deutschen Mainstream war groß: "Der Impfstoff-Murks aus Moskau" titelte die FAZ, "Hochriskantes Experiment" die ARD. Das ZDF-heute-journal bringt sogar ein Video, in dem Putin angeblich erklärt, der erste Corona-Impfstoff sei in Russland "zugelassen". Doch stimmt das?

von Florian Warweg

Fangen wir zunächst mit der von fast allen deutschen Medien angeführten Primärquelle für die angebliche "Zulassung" des russischen Corona-Impfstoffs an: der entsprechenden Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. 

Russland hat nach den Worten von Wladimir Putin den weltweit ersten Corona-Impfstoff zugelassen", heißt es gleich im ersten Satz bei Springers Welt.

In Russland wurde ein Impfstoff gegen das Coronavirus zugelassen, obwohl noch eine Testphase fehlt", erklärt uns die Zeit.

Nach den Worten von Präsident Wladimir Putin hat Russland den weltweit ersten Corona-Impfstoff zugelassen", verkündet die Tagesschau.

Putin betreibt üble Impfstoff-Propaganda", schäumt die Süddeutsche Zeitung.

Auffallend, sowohl die hier zitierten Beispiele als auch fast alle anderen deutsche Medien verzichten darauf, den russischen Präsidenten im Wortlauf zu zitieren. Mit einer renommierten Ausnahme: Das heute-journal bringt die Aussagen von Putin in originaler Videoaufnahme mit deutschem Voiceover. Laut der ZDF-Übersetzung sagt Putin: 

Heute Morgen ist der weltweit erste Impfstoff gegen die neuartige Coronavirus-Infektion zugelassen worden.

Im russischen Original heißt es allerdings unmissverständlich: 

Насколько мне известно, сегодня утром впервые в мире зарегистрирована вакцина против новой коронавирусной инфекции.

Und "зарегистрирована" heißt mitnichten, wie vom ZDF dem russischen Präsidenten in den Mund gelegt, "zugelassen", sondern ohne jeglichen Spielraum "registriert". Das ist ein enormer Unterschied. Denn die Registrierung ist eine in Russland (und auch vielen anderen Ländern) juristische Formalie, um in die dritte Testphase einsteigen zu können. 

Ausnahmslos alle deutsche "Leitmedien" leugnen in ihrer Berichterstattung aber genau diesen Aspekt. Da ist die Rede davon, Russland würde diese wichtige dritte Phase der Massentests einfach überspringen. Beispielhaft sei auf den entsprechenden Artikel des Spiegel verwiesen, dort heißt es

Russland hat am Dienstag den weltweit ersten Corona-Impfstoff zugelassen. Die finale Sicherheitsprüfung hat das Land dabei offenbar einfach übersprungen.

Faktencheck zur Medienberichterstattung: Hat Russland tatsächlich Corona-Impfstoff
Screenshot spiegel.de

Dabei hätte den deutschen Qualitätsjournalisten ein Blick auf die offizielle Seite des verantwortlichen Forschungsinstituts genügt. Dafür braucht es noch nicht mal Grundkenntnisse der russischen Sprache. Die Seite gibt es unter anderem auch in englischer, französischer und spanischer Sprache. Dort wird klar und deutlich das weitere Testprozedere nach der Registrierung dargelegt:

Die klinische Phase-3-Studie mit mehr als 2.000 Personen in Russland, einer Reihe von Ländern des Nahen Ostens (VAE und Saudi-Arabien) sowie Lateinamerikas (Brasilien und Mexiko) wird am 12. August beginnen. Der Impfstoff hat am 11. August vom russischen Gesundheitsministerium ein Registrierungszertifikat erhalten [...]. Die Massenproduktion des Impfstoffs wird voraussichtlich im September 2020 beginnen.

Die Behauptung aller führenden deutschen Medien, der Impfstoff sei "zugelassen" worden, obwohl angeblich die wichtige Phase III übersprungen würde, ist in dieser Form falsch. Weder wurde er, wie bereits ausgeführt, offiziell "zugelassen", noch wird auf die dritte Testphase verzichtet.

Eine rühmliche Ausnahme in der gehässigen und faktisch falschen Berichterstattung bietet die Onlineplattform NachDenkSeiten. Dort schreibt NDS-Redakteur Jens Berger mit Verweis auf die Internetseite des Impfstoffprojektes Sputnik V:

Der Impfstoff wurde also nicht "zugelassen", sondern "registriert" und für die dritte Phase mit 2.000 Probanden freigegeben. Damit ist er der siebte Impfstoffkandidat, der in die dritte Phase geht. Vielleicht sollte man Putins Ankündigung daher mit einem Augenzwinkern lieber unter PR-Coup verbuchen. Schon lustig, dass ihm die Leitartikler da voll auf dem Leim gegangen sind und vor Wut schäumen. Nun dürfen wir gespannt sein, denn es ist davon auszugehen, dass sehr ähnliche – wenn auch nicht ganz so extreme – Verkürzungen auch bei den britischen, amerikanischen und deutschen Projekten durchgeboxt werden. Mal schauen, ob die Leitartikler dann ähnlich kritisch sind.

Im Gegensatz zu ihren deutschen Pendants gelang den meisten englischsprachigen Leitmedien eine korrekte Wiedergabe der Aussage des russischen Präsidenten und den Darlegungen der russischen Forscher: Selbst bei CNN heißt es korrekt: 

Faktencheck zur Medienberichterstattung: Hat Russland tatsächlich Corona-Impfstoff
Screenshot cnn.com

Auch das Wall Street Journal scheint sich noch vernünftige Übersetzer leisten zu können: 

Faktencheck zur Medienberichterstattung: Hat Russland tatsächlich Corona-Impfstoff

Screenshot wsj.com

Das renommierte US-amerikanische medizinische Fachjournal Science hat sich - im Gegensatz zu den deutschen Journalisten - das vom russischen Gesundheitsministerium ausgestellte Zertifikat angeschaut. Dort wird laut Science klar ausgesagt, dass der Impfstoff nicht vor Januar 2021 eingesetzt wird:

Das Zertifikat ermöglicht es, den vom Gamaleya-Forschungsinstitut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelten Impfstoff "einer kleinen Zahl von Bürgern aus gefährdeten Gruppen" zu geben, darunter medizinisches Personal und ältere Menschen. Das Zertifikat besagt jedoch, dass der Impfstoff bis zum 1. Januar 2021, vermutlich nach Abschluss größerer klinischer Studien, nicht breit eingesetzt werden kann.

Die faktisch falsche Berichterstattung der deutschen Medien dient aber auch als gutes Beispiel dafür, dass man sich in seiner journalistischen Berichterstattung immer auf die Primärquellen beziehen sollte. In diesem Fall die Aussagen von Wladimir Putin auf Russisch sowie die Angaben des verantwortlichen Forschungsinstituts. Denn neben den deutschen Medien haben auch die Presseabteilungen des Kreml und die Social-Media-Abteilung des russischen Außenministeriums ihren Anteil an dieser Form der Berichterstattung. So sprechen beide Institutionen in ihrem englischen Auftritt von "approved", was tatsächlich dem Deutschen "zugelassen" entspricht:

RT Deutsch kontaktierte die Presseabteilung der Russischen Botschaft in Berlin. Diese erklärte es als bedauerlichen Übersetzungsfehler und verwies darauf, dass man im Zweifelsfall immer auf die Originalquellen schauen sollte, Russisch sei schließlich eine der Amtssprachen der Vereinten Nationen.

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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