Es sei gut, dass es noch Unternehmen gebe, die Gewinne machten, um dann Steuern zahlen zu können, sagte die Kanzlerin dabei. Ein Thema, das bei der Linke längst so gut wie entschieden ist. Eine der wichtigen Forderungen der Partei heißt: Millionäre besteuern: Vermögensteuer von fünf Prozent auf alle Vermögen oberhalb von 1 Million Euro einführen. So nutzte die ehemalige Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag und die angesehene Wirtschaftswissenschaftlerin Sahra Wagenknecht am Dienstag in einer Online-Diskussion mit dem französischen Ökonomen Thomas Piketty die Gelegenheit, Ihren Vorstoß zu einer entsprechenden Besteuerung zu argumentieren.
„Ich finde es unglaublich, dass in Deutschland schon jetzt die Debatte über die sozialen Kürzungen geführt wird“, bemängelte Wagenknecht im Gespräch, das eben vom linken Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi mitgestaltet wurde - und dies, nachdem der Sozialstaat in den letzten Jahren ohnehin so massiv geschrumpft worden sei mit Rentenkürzungen und Einschnitten beim Arbeitslosengeld.
Eine der zentralen Fragen für Wagenknecht ist: Wer trägt die riesigen Kosten und wer profitiert von den Corona-Rettungspaketen? Vom dem riesigen Rettungsschirm von etwa 1200 Milliarden Euro einschließlich aller Garantien komme nur ein winziger Teil denen zugute, die es wirklich dringend brauchen würden. Besonders die Situation bei den Autokonzernen, die „auf liquiden Cashreserven in zweistelliger Milliardenhöhe sitzen“, findet die Politikerin interessant.
Die Autokonzerne hätten unglaublich viel Cash, würden Dividenden ausschütten - bei BMW etwa die Hälfte an nur zwei Personen - und würden in der Corona-Krise trotzdem Staatshilfe bekommen. Auch die Lufthansa habe noch im letzten Jahr beschlossen, 40 Prozent des Gewinns als Dividenden auszuschütteln. „Indirekt zahlt der Staat die Dividenden mit“, resümiert die Politikerin.
Die reichsten Eigentümer wie die Quandt-Familie, also die BMW-Hauptaktionäre, die über 700 Millionen pro Jahr an Dividenden verdienen, regelmäßig mit einer Vermögenssteuer zu besteuern, wäre laut Wagenknecht also „eine sinnvolle Sache“.
„Bei diesen großen Vermögen, die sie haben, ist die jährliche Rendite zwischen acht und zehn Prozent. Die Vermögenssteuer von fünf Prozent, die die Linke fordert, wäre rund die Hälfte dessen, was sie als Erträge von ihren Vermögen haben. Das würde nur ihre Erträge schmälern“, argumentiert Wagenknecht. Die 50 Personen hätten dann ein Vermögen von 220 Milliarden Euro wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung zusammen. Das sei eine Frage des politischen Willens nach dem Prinzip: Wenn man es wollte, könnte man es. Mit der Staatsverschuldung verteile man das Steuergeld von unten nach oben um, und es wäre besser, eine Steuerabgabe zu beschließen mit höheren Beträgen nicht für die Mittelschicht, sondern für die Reichsten.
Ihr Gesprächspartner Piketty meinte seinerseits, es sei nicht die Preisstabilität, um die man sich große Sorgen machen müsse, also nicht die, die seit Jahren sehr gering sei. In Frankreich habe man seit den 1990er Jahren eine Verfünffachung der Vermögenssteuereinnahmen gehabt, und trotzdem habe es keine Kapitalflucht gegeben. In diesem Zusammenhang sieht es der renommierte Ökonom und Buchautor als durchaus möglich, eine Besteuerung von Reichen auch auf nationaler Ebene zu erreichen. Eine internationale Kooperation wäre allerdings viel besser. „Zwei Länder können den Anfang machen.“ Auch wies der Experte darauf hin, dass die Vermögenssteuern in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle gespielt hätten. „Man war sehr stark verschuldet und wollte dieses Problem anders lösen als in den zwanziger Jahren. <...> Die damals eingeführte Vermögensabgabe <...> die Staatsschulden konnten aufgrund dieser Abgabe sehr schnell abgebaut werden“, argumentierte Piketty.
Insgesamt sieht Wagenknecht eine Staatsfinanzierung über die Europäische Zentralbank als einen Weg in eine Krise. Die Wirtschaftswissenschaftlerin will wissen: Statt den Finanzmarkt mit Geld zu fluten, statt Anleihen bei den Banken und teilweise auch bei den Unternehmern zu kaufen - warum nicht direkt den Staaten Geld geben? „Das könnte in Italien oder Spanien die Rettungsprogramme finanzieren, ohne dass man schon wieder mit steigenden Zinsen konfrontieren muss wie in Italien. Langfristig ist es ein Mittel, das man nicht unbegrenzt verwenden kann. Wenn man aber sagt, jetzt finanzieren wir alle Staatsausgaben über die Zentralbank, entwertet man natürlich das Geld. Das heißt, dass die Nachfrage, also das Geld, in den Markt kommt, ohne dass zusätzliche Produktion da ist, und dann steigen die Preise“, so die Politikerin.