Dass dem Automobilclub Deutschland (AvD) Befangenheit in dieser Frage vorgeworfen werden könnte, wird vermutlich auch den Verband wenig überraschen. Allerdings hat der AvD sehr überzeugende Argumente auf seiner Seite. In einer Pressemitteilung vom Mittwoch teilt die neben dem ADAC einflussreichste Interessenvertretung deutscher Autofahrer mit, dass immer mehr Schadstoffmessungen in deutschen Städten belegen:
„Obwohl die Corona-Pandemie bundesweit zu einem immensen Rückgang der Verkehrsdichte auf den Straßen geführt hat, zeigen die stationären Einrichtungen zur Schadstoffmessung keine Effekte auf die Luftqualität. Messstationen unter anderem in Kiel, Würzburg, Mainz, Wiesbaden und Stuttgart zeigen eindeutige Ergebnisse. Die Theorie, der motorisierte Straßenverkehr sei Hauptursache für die Schadstoffbelastung der Luft in den Städten ist damit widerlegt. Fahrverbote zur Luftreinhaltung sind unwirksam.“
Der AvD hat noch ein argumentatives Schwergewicht auf seiner Seite, denn die Nationale Akademie der Wissenschaften – Leopoldina in Halle an der Saale hat bereits vor ziemlich genau einem Jahr in einer ausführlichen Stellungnahme den Sinn von räumlich und technisch begrenzten Fahrverboten angezweifelt. Die Leopoldina war von der Bundesregierung darum gebeten worden, nachdem eine Gruppe von Lungenfachärzten die Fahrverbote einer kritischen Betrachtung unterzogen hatten, wie sich aber später herausstellte dabei einem Rechenfehler aufsaßen. Dennoch stellte die Leopoldina seinerzeit unter anderem fest:
„Kleinräumige und kurzfristige Maßnahmen, z. B. Fahrverbote, halten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dagegen für weniger erfolgversprechend.“
Die Akademie erinnerte auch daran, „dass auch kleine Änderungen der Aufstellungsorte, die innerhalb gesetzlicher Spielräume liegen, bereits zu Unterschieden in den Ergebnissen führen können.“ Damit ging Deutschlands führende wissenschaftspolitische Einrichtung auf die immer wieder vorgebrachten Kritiken an Messstandorten, Messmethoden und Messfehlern ein. Und genau darauf stellt auch der Automobilclub von Deutschland jetzt in seiner Pressemitteilung ab, in der er schreibt:
„Wie eine Auswertung der Landesanstalt für Umwelt des Landes Baden-Württemberg zeigt, hat die bekannte Messstation am Stuttgarter Neckartor in der Woche unmittelbar nach dem Corona-Shutdown höhere Werte gemessen als in der Vorwoche – obwohl das Verkehrsaufkommen massiv zurückgegangen war.“
Die Pressemitteilung des AvD zitiert ihren Generalsekretär Lutz Leif Linden:
„Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Die erlassenen Fahrverbote zur Luftverbesserung sind reine Ideologie-Politik, um das eigene Wähler-Klientel zu bedienen. Die angebliche Wirkung bleiben sie jedoch schuldig. Die einzigen Effekte sind das Schaffen einer schlechten Stimmung gegen das Auto sowie eine Verunsicherung der Menschen in und um die Ballungsräume zulasten einer Schlüsselbranche unserer Volkswirtschaft.“
Einen Unterstützer für diese Forderung scheint der AvD in der Politik schon gefunden zu haben, denn das Magazin „Focus“ lässt am Donnerstag den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger (CDU) mit dem Satz zu Wort kommen: „Das Thema Diesel-Fahrverbote ist aus meiner Sicht damit endgültig vom Tisch.“
Moment, nicht so schnell! So ist die Reaktion des Umweltbundesamtes (UBA) in Dessau auf den Vorstoß des AvD. Denn das UBA verweist darauf, dass auch Wind, Temperatur und Niederschlag signifikanten Einfluss auf die Luftqualität haben und der Messzeitraum viel zu kurz sei, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Erst recht, um Kausalzusammenhänge zwischen reduziertem Verkehrsaufkommen infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und Schadstoffwerten herzustellen. Von der Deutschen Umwelthilfe war bei Redaktionsschluss dieser Meldung noch keine Stellungnahme bekannt geworden.