"Danke, dass Sie da sind": Merkel bei ihrer Fernsehansprache am vergangenen Mittwoch
von Andreas Richter
Die gegenwärtige Corona-Krise hat zumindest in Deutschland eines offenbart: Die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbaren, die gerade auch in einer Situation wie der gegenwärtigen die "Systemrelevanten" sind, bewegen sich mit ihrem Gehalt am unteren Ende der Lohnskala. Es handelt sich um Gesundheits- und Krankenpfleger, um Verkäufer und Lkw-Fahrer, nicht um Manager, Politiker, Künstler und sonstige Stars und Sternchen jeglichen Geschlechts.
Erkannt haben dies offenbar auch deutsche Politiker. Zumindest scheinen einige Äußerungen darauf hinzudeuten. So bedankte Bundeskanzlerin Angela Merkel sich in ihrer von den Mainstreammedien hochgelobten Fernsehansprache am Mittwoch bei allen im Gesundheitswesen Beschäftigten:
Was Sie leisten, ist gewaltig, und ich danke Ihnen von ganzem Herzen dafür.
Auch die Beschäftigten des Einzelhandels ereilte der warme Händedruck der deutschen Regierungschefin:
Und lassen Sie mich auch hier Dank aussprechen an Menschen, denen zu selten gedankt wird. Wer in diesen Tagen an einer Supermarktkasse sitzt oder Regale befüllt, der macht einen der schwersten Jobs, die es zurzeit gibt. Danke, dass Sie da sind für ihre Mitbürger und buchstäblich den Laden am Laufen halten.
Der ehrgeizige Gesundheitsminister Jens Spahn wurde von Bild.de in der vergangenen Woche mit dieser leicht irre wirkenden Aussage zitiert:
Schenken Sie der Verkäuferin im Supermarkt ein Lächeln. Schenken Sie dem LKW-Fahrer, der Tag und Nacht Waren für Sie fährt, einen freundlichen Wink. Und schenken Sie denjenigen, die gerade unter Stress für Ihre Gesundheit arbeiten, Ihre Geduld und Mithilfe.
Da gibt es also Danksagungen und Aufrufe zum Lächeln, zu Geduld und freundlichem Winken, ein "Sichgemeinmachen" mit den "kleinen Leuten", die den Laden am Laufen halten. "Wir", immer wieder "Wir". Die zweifelhafte Botschaft aus der Luxus- in die Holzklasse gesendet: Wir sitzen alle im selben Boot. Oder, in den Worten der Kanzlerin vom Sonntagabend:
Dieser Gemeinsinn, dieses "wir treten füreinander ein" wird uns durch diese schwere Zeit tragen.
Was es hingegen nicht gibt, ist eine Debatte darüber, wie es sein kann, dass die wirklich Systemrelevanten nur einen Bruchteil verdienen. Ein Minimum dessen, mit dem die sogenannten Eliten nach Hause gehen. Jene Menschen, die ihre Arbeit oft unter schwierigsten Bedingungen erledigen und doch nicht selten am Existenzminimum herumkrebsen. Und vor allem darüber, wie diese traurigen Umstände grundlegend geändert werden könnten. Mit unserer Regierung wird es vermutlich weder eine solche Debatte noch irgendeine Änderung dieser ungerechten Verhältnisse geben. Ein Lächeln muss eben reichen.
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