von Torsten Groß
An der Hochschule für öffentliche Verwaltung des Bundes (Fachbereich Nachrichtendienste) im Herzen Berlins wird der Nachwuchs an BND-Agenten ausgebildet. Martin Wagener, Professor für Internationale Politik an dieser Hochschule, bildet die angehenden Schlapphüte aus und hat im Rahmen seiner Lehrfreiheit einen Vortrag zum Thema »Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten – Zum professionellen Umgang mit Open Source Intelligence« geplant. Als Referent war der ehemals langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Hans-Georg Maaßen, geladen.
Für öffentliche Lehranstalten in Deutschland gilt unter normalen Voraussetzung eine politische Neutralitätspflicht – normalerweise.
Als Prof. Martin Wagener seinen geplanten Vortrag nebst Referenten vorschriftsmäßig bei seiner Hochschulleitung angemeldet hatte, kam hingegen prompt die Absage. Zur Begründung wurde der Lehrkraft mitgeteilt, dass nur noch Wissenschaftler als externe Referenten zugelassen seien. Ausnahmegenehmigungen seien möglich. Diese wurde im Fall von Dr. Maaßen allerdings mit deutlichen Worten verweigert.
Besonders brisant: Es ist nicht das erste Mal, dass Wagener ein Vortrag untersagt wird. Mitte 2019 war eine freie Diskussion mit Journalisten für die angehenden Spione »zu brisant«.
Professor Martin Wagener hat jetzt auf seiner Internetseite ausführlich zu diesem Vorgang Stellung bezogen. Er schreibt:
»Anfang Februar 2020 habe ich Dr. Hans-Georg Maaßen angeschrieben und gefragt, ob er als Gastreferent in meinem Seminar zur Verfügung steht. Wir haben uns dann schnell auf das folgende Thema geeinigt: ›Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten. Zum professionellen Umgang mit Open Source Intelligence‹. Die Veranstaltung ist vor kurzem intern untersagt worden. Dieses Mal wurde als Begründung angeführt, daß als externe Referenten nur noch Wissenschaftler zugelassen werden. Ausnahmegenehmigungen seien möglich. Diese wurde im Fall von Dr. Maaßen allerdings mit deutlichen Worten verweigert.
Ich betrachte den Vorgang als weiteren Verstoß gegen die Wahrnehmung der Lehrfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz. Es muß für einen Professor, der künftige Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes unterrichtet, möglich sein, eine Vortragsveranstaltung abzuhalten, in der Qualitätsmerkmale der täglichen Presseberichterstattung kritisch reflektiert werden. Die Studenten hätten die Möglichkeit gehabt, jede Frage zu stellen, die sie interessiert. Mir ist es somit weiterhin nicht möglich, Diskussionsanreize zu setzen, die ich aus pädagogischer und fachlicher Sicht für sinnvoll erachte.
Diese Politik wird den Dozenten ganz offen kommuniziert: Die Verantwortlichen im ZNAF wollen Ausnahmegenehmigungen nur dann zulassen, wenn sie in besonderer Weise geeignet sind, Ausbildungsziele zu erreichen. Zumindest in diesem Punkt entscheiden also nicht mehr die Professoren, sondern Mitglieder der Verwaltungsebene, welche Unterrichtsmethoden zum Einsatz kommen dürfen. Eindeutiger kann man nicht in die Lehrfreiheit eingreifen.
erade für künftige Mitarbeiter der Auswertung wäre der Vortrag von Dr. Maaßen sicherlich sehr interessant gewesen. Er war von 2012 bis 2018 Präsident des Bundesamts für Verfas-sungsschutz und hätte aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz berichten können. Im vergangenen Jahr habe ich einem seiner Vorträge beigewohnt, der in der gesamten fachlichen Anlage zum Themenfeld Rechtsextremismus/Linksextremismus/Islamismus vorzüglich war. Dr. Maaßen zeichnet eine ebenso sachliche wie nüchterne Analyse aus. Mit diesem Hintergrund und auf diesem Niveau sollte er doch ein gern gesehener Gast von Vortragsveranstal-tungen der Nachrichtendienste sein.
Was mich besonders irritiert: Die Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung ist de facto eine Fachhochschule. Die Vermittlung praktischer Inhalte wird für besonders wichtig erachtet. Die Entscheidung, Dr. Maaßen nicht vortragen zu lassen, ist sicherlich aus einer politisch motivierten Perspektive unter den Bedingungen des derzeitigen gesellschaftlichen Diskurses nachvollziehbar, auch wenn ich sie ausdrücklich nicht teile. Aus fachlicher Sicht ist es hingegen äußerst bedauerlich, daß auf die Expertise eines ebenso versierten wie verdienten Nachrichtendienstlers außer Dienst nicht zurückgegriffen wird.«