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Brasilien nach dem Kalten Putsch: Wall Street kontrolliert erneut die brasilianischen Finanzen

swaine1988
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Autor: RT deutsch
Quelle: https://deutsch.rt.com/amerika...
2016-09-06, Ansichten 944
Brasilien nach dem Kalten Putsch: Wall Street kontrolliert erneut die brasilianischen Finanzen

Brasilien nach dem Kalten Putsch: Wall Street kontrolliert erneut die brasilianischen Finanzen

Ein mögliches Motiv für den Putsch in Brasilien wird öffentlich bisher wenig diskutiert: Dilma Rousseff hatte den ehemaligen Finanzminister Henrique Campos de Meirelles abgesetzt, einen Liebling der Finanzspekulanten. Mit dem parlamentarischen Putsch gelangt die Wall Street nun zurück an die Macht im größten Land Lateinamerikas.

von Maria Müller, Montevideo

Am 31. August stimmten 61 von 81 Senatoren für die definitive Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. Im Wege einer getrennten Abstimmung verfehlte ein Antrag, sie für die Dauer von acht Jahren von allen politischen Ämtern auszuschließen, die erforderliche Mehrheit. Rousseff ist jedoch mit diesem Votum ihr Präsidentenamt los.

Am Tag zuvor hatte die Politikerin 14 Stunden lang alle nur denkbaren Fragen der Senatoren beantwortet. Sie befassten sich überwiegend mit dem Vorwurf einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Ein Delikt oder Verbrechen konnte ihr jedoch nicht nachgewiesen werden. Die zu Beginn des Amtsenthebungsverfahrens erhobenen Vorwürfe der Korruption wurden nicht einmal mehr erwähnt.

Stattdessen machten ihr die Abgeordneten nun völlig alltägliche Maßnahmen zum Vorwurf. So beanstandeten sie, dass Rousseff drei Gesetze erlassen habe, ohne dass die Senatsmehrheit zugestimmt hätte. Vorgänge dieser Art stellen in Lateinamerika jedoch Regierungsalltag dar.

Der ehemalige uruguayische Präsident Pepe Mujica kommentierte die Vorwürfe entsprechend mit den Worten:

Dann müssten wir alle in den Knast...“

Die Präsidentin konnte in ihren ausführlichen Antworten nachweisen, dass Brasilien gleich zu Beginn ihrer Amtszeit von einem drastischen Verfall der Rohstoff- und Erdölpreise getroffen wurde. Dieser entfaltete verheerende Konsequenzen für das exportabhängige Land. Die von ihr vorgeschlagenen – sehr unpopulären – Sparmaßnahmen orientierten sich nach ihren Worten an bereits früher praktizierten Konzepten zur Krisenbewältigung Brasiliens.

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Diese Vorlagen wurden jedoch von der Mehrheit des Senats blockiert, der stattdessen Mehrausgaben durchsetzte. Nach Meinung Dilma Rousseffs hat dieses Vorgehen die Krise weiter verschärft und das geplante Szenario ihrer Absetzung vorbereitet. Sie warf der Opposition vor, angesichts der Notsituation Brasiliens taktischen politischen Interessen den Vorrang vor einer konzertierten Rettungsaktion gegeben zu haben. 

In der Tat liegt der Verdacht des Handels aus taktischem Kalkül nahe. Unter Missachtung der Kompetenzen einer Interimsregierung diktierte der zu ihrem Nachfolger gekürte Michel Temer sofort ein großangelegtes strukturelles Sparprogramm, das weit über die Vorschläge von Dilma Rousseff hinausgeht. Man hatte also augenscheinlich eine politische Falle für die Präsidentin konstruiert, um sie als Sündenbock in die Wüste zu schicken und die öffentliche Meinung gegen sie aufzubringen.

Die Argumente Rousseffs zählten in der Anhörung jedoch nicht – sie sollte auf jeden Fall abgesetzt werden, punktum. Die Senatoren hatten es dabei überaus eilig. Sie missachteten sogar die von der Verfassung vorgeschriebenen prozessualen Regeln für Empeachment-Verfahren. Die Anwälte der nunmehrigen Ex-Präsidentin reichten deshalb auch am vergangenen Freitag eine Klage beim Obersten Gerichtshof Brasiliens ein.

Sie argumentieren, dass Dilma Rousseff in einem ordentlichen Gerichtsverfahren freigesprochen worden wäre. Nach Meinung des  Generalstaatsanwalts der Republik, José Eduardo Cardozo, kann zudem in einem Präsidialsystem nur der Oberste Gerichtshof einen Präsidenten wegen des Vorwurfs eines Verbrechens verurteilen. Ein Empeachment ist jedoch nur angesichts von extremen Verbrechen vorgesehen, dessen sich ein Präsident schuldig gemacht habe, was im Falle von Dilma Rousseff auszuschließen ist.

Übrigens wird bereits seit Februar 2015 gegen den damaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha wegen des Verdachts der Korruption ermittelt. Rechtzeitig vor dem Tag seiner eigenen Amtsenthebung eröffnete er in dieser Funktion das Verfahren zum Empeachment gegen Dilma Rousseff. Cunha war damals der stärkste Motor der Kampagne gegen Rousseff, ehe er selbst auf Grund mutmaßlicher eigener Verwicklungen in den Korruptionsskandal rund um die halbstaatliche Ölgesellschaft Petrobras in die Bredouille geriet. Dieses Schicksal teilt er mit Interimspräsident Michel Temer, der im Zusammenhang mit dem Petrobras-Skandal in fünf Fällen der Korruption beschuldigt wird, Temer genießt jedoch weiterhin Immunität.

Drei seiner Minister wurden jedoch bereits im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen entlassen. Von den 61 Senatoren, die am vergangenen Dienstag für die Amtsenthebung der Präsidentin stimmten, stehen 41 entweder unter Korruptionsverdacht oder sind bereits angeklagt.

Ein Drittel der 367 Mitglieder des Abgeordnetenhauses teilt übrigens das Schicksal dieser Senatoren, darunter acht aus der Partei Dilma Rousseffs selbst, der Arbeiterpartei (PT). Solange Michel Temer regiert, können die Abgeordneten jedoch mit seinem Schutz rechnen. Der Putsch gegen die Präsidentin hat den Charakter einer kollektiven Vorwärtsverteidigung und seine Urheber spekulieren darauf, mithilfe ihrer parlamentarischen Immunität strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen.

Globale Finanzmacht gegen Rousseff 

Allerdings stehen auch mächtige wirtschaftliche Interessen hinter dem Putsch. Brasiliens Wirtschaft wurde zum Opfer einer global angelegten, künstlich provozierten Krise der Rohstoffpreise, besonders des Ölpreises. Hintergrund derselben ist, dass sich die BRICS-Staaten weit vorgewagt haben mit ihrem Versuch, eine gemeinsame souveräne Entwicklung anzustreben.

Ihr Zukunftsprojekt einer multipolaren Weltwirtschaft unter Nutzung der eigenen Währungen rührte an den neuralgischen Punkt der US-Ökonomie und an der globalen Bedeutung des Dollars. So hatte Präsidentin Dilma Rousseff in ihrer Regierungszeit eine bedeutende Empfehlung ihres Vorgängers Luis Ignacio Lula da Silva ignoriert: Sie weigerte sich, die Kontrolle über die Währungspolitik Brasiliens weiterhin einem direkten Vertreter der Wall Street, einem US-amerikanischen Staatsbürger, zu überlassen.

Sein Name ist Henrique Campos de Meirelles. Lula hatte sich vorläufig mit der Macht arrangiert, die er nicht besiegen konnte. Dies machte er wohl auch nicht ganz freiwillig, denn er musste der Ernennung Campos de Meirelles' zum Chef der Zentralbank noch vor seinem Amtsantritt zustimmen.

Henrique Meirelles war zuvor Präsident und Geschäftsführer der Bank of Boston und von FLEET BOSTON gewesen, einer der größten Finanzinstitutionen der Wall Street und der zweitgrößte Kreditgeber in Brasilien. In ihrer ersten Amtszeit hatte Präsidentin Dilma Rousseff stattdessen den brasilianischen Finanzexperten Alexandre Antônio Tombini an die Spitze der Zentralbank gestellt.

Auch nach ihrer Wiederwahl ließ sie Meirelles außen vor. Das war nach Meinung vieler Beobachter in Brasilien ein entscheidender Anstoß für den Staatsstreich. Michel Temer ernannte die graue Eminenz der brasilianischen Finanzpolitik hingegen sofort nach seinem Amtsantritt wieder zum neuen Finanzminister.

Meirelles wiederum ließ sich nicht lange bitten und setzte zwei seiner engsten Freunde aus der Wall Street an die Spitze der Zentralbank, nämlich Ilan Goldfajn und Paulo Caffarelli, die nun wieder die Chefetage der Banco do Brasil kontrollieren. Ilan Goldfajn hatte zuvor in der Chefetage der Bank Itau gearbeitet, der größten Privatbank Brasiliens und in der brasilianischen Zentralbank. Er hat enge Verbindungen zum IWF, zur Weltbank und zur US-amerikanischen Zentralbank, der Fed. 

Paulo Caffarelli war wiederum jahrzehntelang Mitglied des Direktoriums der Banco do Brasil und Exekutiv-Sekretär im Finanzministerium. Damit ist die Währungspolitik Brasiliens wieder unter der Kontrolle des altbekannten Banker-Klüngels. Unter Mireilles darf sich die Regierung nun auch nicht mehr in die Entscheidungen der Zentralbank einmischen.


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