Sie machen einfach alles falsch. Die Gutmenschen unserer Zeit wollen die Welt verbessern und machen sie doch nur jeden Tag ein bisschen schlechter. In ihrer missionarischen Verbohrtheit schrecken sie vor nichts zurück. Seit die Zuwanderungskrise Europa gefangen hält, lässt sich dies täglich neu dokumentieren. Da werden tote Kinder am Strand fürs Foto drapiert, dutzendfach Bargeldfunde inszeniert oder „rettende Syrer“ bei einem Verkehrsunfall erfunden. In Schwäbisch Gmünd gingen die Ideologen nun einen Schritt weiter: Weil die Akteure fürs gewünschte Fotomotiv nicht zu sichten waren, wurden sie kurzerhand herbei geordert – samt Requisite.
Anfang der Woche war Schwäbisch Gmünd von einem verheerenden Unwetter heimgesucht worden. Die unvorstellbare Wucht der Naturkatastrophe hat ihre Spuren hinterlassen. Teilweise unbewohnbare Häuser mit völlig zerstörter Einrichtung, Schäden in Millionenhöhe und von dickem Schlamm bedeckte Straßen. Für die Menschen ist ein Alptraum Realität geworden. Könnte es da schlimmer kommen? Ja, lautet die Antwort, wie wir seit Mittwoch wissen. Denn zu allem Überfluss mussten die Anwohner auch noch mit ansehen, wie ein offenbar aus Österreich stammendes Kamerateam fünf der in Schwäbisch Gmünd untergebrachten Asylbewerber auf die Straße schickte, um die richtigen Bilder für die eigene Mission zu bekommen.
Die verstörten Bewohner der Flüchtlingsunterkunft wurden auf die am ärgsten heimgesuchte Straße der Siedlung getrieben, um dort so zu tun, als beteiligten sie sich an den Aufräumarbeiten. Nachbarn besorgten ihnen wenigstens Arbeitskleidung und Gummistiefel, um sie nicht zusätzlicher Gefahr und Peinigung auszusetzen, während sie zugleich empört gegen die ungebetenen Voyeure vorgingen. Trotz Handgemenge und wütender Proteste bekamen diese jedoch ihr gewünschtes Filmmaterial, weil die Verantwortlichen der Stadt sie gewähren ließen. Denn das Kamerateam hatte sich Schwäbisch Gmünd nicht ohne Grund ausgesucht, gilt die seit 2009 von Oberbürgermeister Richard Arnold geführte 60.000-Einwohner-Stadt doch als eine der Vorzeigekommunen für Integrationsarbeit.
Der deutschlandweit bekannt gewordene „Gmünder Weg“ verfolgt das Ziel einer schnellen Einbindung von Zuwanderern in das Stadtleben durch die gezielte Heranführung an ehrenamtliche Tätigkeiten, individuell gestaltete Deutschkurse, eine dezentrale Unterbringung sowie verstärkte Anstrengungen zur raschen Vermittlung von Beschäftigung. Damit hat sich Arnold Renommee erworben. Der 57-Jährige gehört zu den wenigen verbliebenen Hoffnungsträgern der CDU, die Kanzlerin Merkel noch nicht weggebissen hat. Im Vorfeld der Landtagswahl war er gar zur Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten gedrängt worden.
Es erscheint durchaus glaubwürdig, dass Arnold von der Posse ebenso überrumpelt worden ist wie alle anderen auch, doch muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dem absurden Ansinnen stattgegeben zu haben. Wer sich zum Helfer von Wahrheitsverfälschern macht, kann keinerlei mildernde Umstände für sich geltend machen. Auf Weisung der Filmenden musste nach den zu diesem Zeitpunkt bereits beendeten gröbsten Aufräumarbeiten ein Teil des zerstörten Mobiliars von den Asylbewerbern aus den Entsorgungscontainern in die leergepumpten Keller zurückgeschleppt werden, um es anschließend medienwirksam von dort wieder herauszutragen. Daneben mussten sie mit Schaufeln und Eimern im Schlamm für weitere Aufnahmen posieren. So sollte die politische Botschaft überbracht werden: „Seht her: Wir geben Euch etwas zurück!“
Oberbürgermeister Arnold rechtfertigte die Aktion in einem anschließenden Pressestatement damit, es habe der Wunsch bestanden, „speziell hier auch Flüchtlinge zu filmen, da diese bereits in den Tagen zuvor an anderer Stelle mit angepackt hatten“. Eine tatsächliche Beteiligung der Asylbewerber bei den vorherigen Aufräumarbeiten hatte jedoch keiner der Anwohner beobachtet.
Was bleibt, ist Wut. Die Fälschung von Schwäbisch Gmünd ist der vorläufige Höhepunkt einer Inszenierung, mit der sich Politik und Medien ihr Grab immer tiefer schaufeln.
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