Hannover: Die Arbeiterwohlfahrt plant in einer ihrer Kitas einen Raum für „Doktor-Spiele“
Es fällt mir immer schwerer, meinen Freunden in Osteuropa von den Nachrichten in Deutschland zu erzählen – weil es für sie immer schwieriger wird, das zu glauben, was ich ihnen berichte. Aus ihrer Sicht klingt vieles so, als sei es Satire. Oder Übertreibung von antiwestlicher Propaganda. Das ist es aber leider nicht – die Propaganda täte sich inzwischen wohl schwer, immer mit der Realität mitzuhalten.
Insbesondere die Fixierung auf sexuelle Themen und dabei wieder diejenigen, die man früher als Perversion bezeichnet hätte, fällt auf. War die deutsche Gesellschaft in den 1950er Jahren vielleicht prüde, so ist sie heute mehr als das Gegenteil. Nicht nur übersexualisiert, sondern geradezu aufdringlich bei der Sexualisierung von Lebensbereichen, die man eigentlich frei von Sexualität halten sollte. Wie etwa Kitas.
Die neueste Nachricht aus der Front der Absurditäten in diesem Bereich: „Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in der Region Hannover plante in mindestens einer ihrer Kitas einen eigenen Raum für so „Doktor-Spiele“, wie die „Bild“ hinter einer Bezahlschranke schreibt: „In zehn Regeln legten die Pädagogen fest, wie die Kinder im ‚Körper-Erkundungsraum‘ sich selbst und andere Kinder ‚streicheln und untersuchen‘ können.“
In einem Brief an die Eltern der Einrichtung stellte die Kita-Leitung dem Bericht zufolge die Regeln für den Raum vor. Er ist abgeschottet und wird wie folgt beschrieben: „Sofa mit Decken und Kissen, einer überdachten und gepolsterten Spielhöhle sowie Bodenmatten“. Weiter heißt es in dem Brief der Kita-Leitung:
„Kinder haben ein Interesse am Erkunden des eigenen Körpers oder auch von anderen Kindern.“m Bisher, so die Pädagogen, hätten die Kinder ihre Neugier „in den Waschräumen oder im Gebüsch ausgelebt“. Nun sollten sie dafür einen eigenen Raum bekommen, in dem sie vor Blicken von „Fremden“ geschützt sind. Ausdrücklich wird dabei Nacktheit erlaubt. „Jedes Kind entscheidet selber, ob und mit wem es körperliche und sexuelle Spiele spielen will“, heißt es in einer von zehn Regeln für den Ruheraum.
Weiter ist dort laut „Bild“ zu lesen: „Mädchen und Jungen streicheln und untersuchen sich nur so viel, wie es für sie selbst und andere Kinder angenehm ist.“ Der Altersabstand der beteiligten Kinder müsse bei „allerhöchstens 2 Jahren“ liegen. Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene dürften sich nicht beteiligen.
Sodann steht in den Regeln: „Wenn nicht genug pädagogische Fachkräfte da sind, um die Einhaltung der Regeln zu gewährleisten, kann es zu Spieleinschränkungen kommen, z.B. dass sich Kinder nicht nackt ausziehen dürfen.“
Für Empörung sorgt Regel fünf: „Kein Kind steckt einem anderen etwas in die Körperöffnungen (Po, Vulva, Mund, Nase, Ohr) oder leckt am Körper eines anderen Kindes.“ Und nun kommt es – denn damit sie wissen, was erlaubt oder gar erwünscht ist, sollen die Regeln „als Piktogramme sichtbar für die Kinder aufgehängt werden“.
Also offenbar Piktogramme, bei denen etwas in die Körperöffnungen gesteckt wird. Mit Verbotszeichen zwar. Aber genau das macht ja Kinder neugierig und bringt sie auf entsprechende Ideen.
„Das ist mit Abstand das Widerlichste, was ich je gelesen habe“, schreibt ein Elternteil laut „Bild“ in einer Chatgruppe. Ein anderer Elternteil schreibt dort, dass er den Betreuungsvertrag seiner Tochter verschenken wolle.
Einer der betroffenen Väter, Bernhard C., sagte im Gespräch mit der „Bild“: „Ich finde das ganz schlimm. Meine Tochter ist fünf Jahre alt. Ich möchte nicht, dass sie von Jungs begrapscht wird. Ich habe noch ein anderes Kind in einer anderen Kita. Da gibt es so etwas nicht.“
Ein anderer Vater erklärte demnach: „Ich bin erschüttert. Uns wurde gesagt, dass das vom Kultusministerium so bestimmt worden sei. Da waren wir als Eltern schon eingeschüchtert. Was hat man da noch für Möglichkeiten, wenn man das nicht möchte?“
Es gab aber auch Mütter, die Verständnis äußerten: „Ich habe das so verstanden, dass das ein Raum ist, in dem die Kinder ohne Aufsicht spielen dürfen. Das finde ich nicht schlimm. Mein Sohn ist fünf. Der macht keinen Quatsch.“
Das Kultusministerium in Niedersachsen hat inzwischen das Landesjugendamt eingeschaltet, das die zuständige Aufsichtsbehörde ist, wie die Zeitung berichtet. Auf ihre Anfrage erklärte eine Sprecherin des Ministeriums: „Ende Mai hat das Landesjugendamt schließlich dem Kultusministerium berichtet, dass das pädagogische Konzept der Körpererkundungsräume in den AWO-Kitas so keinen Bestand haben kann und hierdurch Kindeswohl in Gefahr ist.“
Besonders pikant: Die Arbeiterwohlfahrt Hannover verweist in einem ihrer Schreiben an die Eltern darauf, dass sie das Land Niedersachsen verpflichte, bis zum 31. Juli ein „Kinderschutzkonzept“ vorzulegen: „Die Phase, in der sich Kinder für ihre und die Körper anderer Kinder interessieren, stellt nur einen kleinen Ausschnitt des Kinderschutzkonzeptes dar“.
Das Ministerium sieht das anders: „Das Landesjugendamt hat für den weiteren Betrieb der Einrichtung die Auflage gemacht, dass das pädagogische Konzept der AWO Kitas in Hannover sowie das Kinderschutzkonzept mit externer Beratung sofort überarbeitet werden muss.“
Auch Fachleute sind entsetzt. Der Kinderpsychiater Dr. Filip Caby sagte der „Bild“: „Das als Kinderschutzmaßnahme zu verkaufen, halte ich für einen Hohn. In erster Linie frage ich mich, wie freiwillig ist das denn für die Kinder? Wie ist das, wenn sich jemand nicht traut oder möchte, aber viele andere mitmachen. Gruppendynamisch ist das fragwürdig. Man sollte auch die unterschiedlichen Kulturen in einer Kindergarten-Gruppe bedenken. Wenn die Eltern nicht von vornherein eingebunden werden, ist das keine pädagogische Herangehensweise. Und was macht das mit den Mitarbeitern? Im Hinblick auf einige Vorfälle gerade im Kindergartenbereich, wäre ich sehr, sehr vorsichtig, solche Maßnahmen ungeschützt stattfinden zu lassen. Das ist unter pädagogischen Gesichtspunkten der völlig falsche Ansatz.“
Dirk von der Osten, Vorstandsvorsitzender AWO Region Hannover, sieht das anders. Er weist zwar die Verantwortung für das Konzept zurück und wälzt sie auf die Kita-Leitung ab, aber verteidigt diese. „Die Erkundung des eigenen Körpers ist ein Bestandteil kindlicher Entwicklung, bei der sie auch lernen, eigene Grenzen zu erkennen, sie deutlich zu äußern, Scham zu entwickeln“, erklärt von der Osten dem Bericht zufolge: „Kinder spielen dazu auch Rollenspiele in ihren Gruppenräumen. Darin sehen wir keine Kindeswohlgefährdung.“ Allerdings seien ausgewiesene Räume dafür weder geplant noch gefordert.
Wie kann das sein, dass sie nicht geplant waren, aber eine Kita-Leitung die Eltern in mehr als einem Schreiben von der Planung informierte? Fragen über Fragen.Und ungläubiges Kopfschütteln bei meinen osteuropäischen Freunden.