Mundtot-Paragraf 130 StGB Volksverhetzung schränkt die freie Meinungsäußerung drastisch ein.
von René Boyke
Deutschland ist spät dran: Zwölf Jahre lässt es sich nun Zeit, die europäischen Regelungen zur Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit umzusetzen. Jetzt musste es offenbar schnell gehen: Ohne Diskussion in der Öffentlichkeit und als unerwartetes Anhängsel einer Änderung des Bundeszentralregistergesetzes verabschiedete der Bundestag Ende Oktober einen neuen Paragrafen 130 Absatz 5 StGB. Dieser soll die bisherige Strafbarkeit der Volksverhetzung erheblich verschärfen. Die Verschärfung beruhte auf einer zunächst nicht öffentlichen „Formulierungshilfe“ des Justizministeriums von Marco Buschmann (FDP).
Die Norm galt einigen Juristen bereits zuvor als handwerklich misslungen, schwer handhabbar und sehr unbestimmt. Die Änderung hat diesen Zustand wesentlich verschlimmert. Hinweisen auf in der Rechtswissenschaft diskutierte Problemfelder des Volksverhetzungsparagrafen, wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht erkennbar nachgegangen. Schlimmer: Sie wurden mit Polemik gewürdigt. Auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Justiz wird – unzutreffend – behauptet, bei dem neuen Absatz 5 handle es sich lediglich um eine Klarstellung, sprich: es sei bereits zuvor strafbar gewesen, was nun ausdrücklich geregelt sei. Da der Bundesrat am 25. November keinen Einspruch gegen die Gesetzesverschärfung erhoben hat, kann diese nun nach Verkündung in Kraft treten.
Vereinfacht kann man sagen: Um sich nach dem neuen Absatz 5 wegen Volksverhetzung strafbar zu machen, muss man künftig gar keine erfolgreiche Volksverhetzung im klassischen Sinne mehr begehen. Es reicht aus, dass die „Hetze“ lediglich das Potential für eine Volksverhetzung hat. Juristen nennen das: Vorverlagerung der Strafbarkeit. Bisher war erforderlich, dass tatsächlich gegen eine Gruppe oder Einzelne davon entweder zum Hass aufgestachelt, oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert wurde. Oder die Menschenwürde musste durch Beschimpfen, böswilliges verächtlich machen oder Verleumden verletzt werden. Das alles ist jetzt nicht mehr erforderlich, um sich der Strafverfolgung auszusetzen. Die Strafbarkeit greift fortan deutlich früher. Die neue Vorschrift lautet:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.“
Zwar ist der Straftatbestand der Leugnung des Holocaust an den Juden ähnlich aufgebaut, allerdings greift die neue Norm deutlich früher, da sie sich auf Völkermorde und Kriegsverbrechen bezieht – und das weltweit. Im Kern geht es bei der Änderung des §130 Absatz 5 StGB also um die Strafbarkeit der Leugnung, Billigung oder Verharmlosung jeglicher Kriegsverbrechen sowie Völkermorde. Im Bezug auf Kriegsverbrechen und Völkermorde war bisher lediglich die öffentliche Leugnung, Billigung oder Verharmlosung des Holocaust an den Juden strafbar, § 130 Absatz 3 StGB; darüber hinaus auch die öffentliche Billigung, Verharmlosung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, § 130 Absatz 4 StGB.
Allerdings reicht ein bloßes Leugnen, Billigen oder Verharmlosen noch nicht aus, um sich strafbar zu machen. Hinzukommen muss zum einen, dass die Leugnung, Billigung oder Verharmlosung geeignet ist, gegen bestimmte Gruppen aufzustacheln und zum anderen, dass sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Hier eine Sortierung der Voraussetzungen des neuen § 130 Absatz 5 StGB:
Sortiert man die Elemente der Vorschrift, so fällt sofort auf: Der öffentliche Frieden muss tatsächlich gar nicht gestört werden, niemand muss tatsächlich erfolgreich aufgestachelt worden sein – es reicht aus, dass die Äußerung lediglich dazu geeignet ist. Bestraft wird also nicht erst die erfolgreiche Störung des öffentlichen Friedens oder erst eine tatsächlich erfolgte Aufhetzung, sondern bereits die Möglichkeit einer solchen. Wer hingegen die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt etc. kann nur bestraft werden, wenn er tatsächlich den öffentlichen Frieden stört, § 130 Abs. 4 StGB. Diese Vorverlagerung der Strafbarkeit zeigt, wie wichtig es dem Gesetzgeber ist, gegen die Leugnung etc. von Kriegsverbrechen vorzugehen.
Es ist richtig, dass die Bundesrepublik verpflichtet war, die betreffende EU-Regelung umzusetzen. Sie hat allerdings mehr umgesetzt als sie hätte müssen. Die neue Strafbarkeit wegen Volksverhetzung geht deutlich über das hinaus, was die EU verlangt hat. Diese wollte lediglich sicherstellen, dass bestimmte Handlungen, die (Zitat) „wahrscheinlich“ zu Gewalt oder Hass aufstacheln, bestraft werden; der neue Absatz 5 bestraft jedoch bereits Handlungen, die lediglich dazu „geeignet“ sind. Der deutsche Gesetzgeber hat sich also dazu entschieden, dass man sich deutlich früher strafbar macht als von der EU verlangt.
Bereits der bestehende § 130 StGB weist eine Vielzahl handwerklicher Mängel auf, die der Rechtsprofessor Wolfgang Mitsch dargelegt hat. Es ist leider festzustellen, dass der neue Absatz 5 diese Fehler wiederholt und intensiviert, was zur Schwammigkeit der Norm führt. Die wesentliche Neuerung – die Strafbarkeit, Kriegsverbrechen zu leugnen – fügt den bestehenden Problemen neue hinzu.
Inmitten der schwammigen Auskleidung der Norm steht die Frage, wann überhaupt ein Kriegsverbrechen vorliegt und wie dies festgestellt werden soll. Im einfachsten Fall, wurde ein Kriegsverbrechen bereits durch den Internationalen Strafgerichtshof festgestellt. Dann kann das zuständige Amtsgericht auf diese Feststellungen verweisen. So etwa bei den Kriegsverbrechen in der Demokratischen Republik Kongo.
Wie jedoch sieht es bei Handlungen aus, über die noch kein deutsches Gericht entschieden hat? Handelt es sich bei den Handlungen im Ukraine-Krieg um Kriegsverbrechen, etwa bei den Vorkommnissen in Butscha im Frühjahr 2022? Hat Israel in den von ihm besetzten Gebieten Kriegsverbrechen begangen oder nicht? Waren die Armenier Opfer eines Völkermords? Macht sich künftig strafbar, wer die Vorgeschichte für den Krieg in der Ukraine beleuchtet und die Kriegsschuld nicht allein bei Russland sieht?
Die Verfahren vor den internationalen Strafgerichten zeigen, wie kompliziert und langwierig es ist, Kriegsverbrechen festzustellen. So benötigte der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (IStGHR) über 21 Jahre, von 1994 bis 2015, mit 16 ständigen Richtern, um einen Teil der in Ruanda begangenen Kriegsverbrechen aufzuarbeiten. 24 Jahre und ebenfalls 16 ständige Richter benötigte der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ), von 1993 bis 2017.
Die Materie des Völkerrechts und insbesondere des Völkerstrafrechts dürfte für die meisten Richter Neuland sein. Weder sind diese Rechtsbereiche zwingender Bestandteil des ersten oder zweiten Staatsexamens, noch müssen Richter sich normalerweise damit befassen. Soll nun im Zweifel ein Einzelstrafrichter eines Amtsgerichts über das Vorliegen von Kriegsverbrechen entscheiden? Nach Ansicht der Bundesregierung ist dies der Fall. Das Justizministerium erklärte auf Nachfrage:
„Die Gerichte, die über die Strafbarkeit nach der neuen Vorschrift zu entscheiden haben, müssen auch prüfen, ob sich die jeweilige Äußerung auf eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 VStGB bezeichneten Art bezog.“
Wie gegebenenfalls ein kleines Amtsgericht jene hochkomplexen Sachverhalte bewerten soll, wirft Fragen auf. Fragen, die zu vermeiden gewesen wären, hätte man von der Möglichkeit des EU-Rahmenbeschlusses (Artikel 1 Absatz 4) Gebrauch gemacht, die Strafbarkeit lediglich auf solche Verbrechen zu beschränken, die ein internationales Gericht bereits festgestellt hat.
Obwohl bereits die Feststellung bereits abgeschlossener Kriegsverbrechen nicht anspruchslos ist, sollen nach Auskunft des Justizministeriums auch in der Zukunft liegende Kriegsverbrechen Gegenstand des neuen Volksverhetzungsparagrafen sein. So erklärte das Ministerium auf Anfrage:
„Die Billigung noch nicht begangener Kriegsverbrechen ist (wie bei § 140 Nummer 2 in Verbindung mit § 126 Absatz 1 Nummer 3 StGB) erfasst. Die Leugnung oder gröbliche Verharmlosung eines noch nicht begangenen Kriegsverbrechens ist hingegen nicht möglich. Auch das Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von fiktiven Taten dürfte von der neuen Vorschrift nicht erfasst sein. Entsprechende Verhaltensweisen können aber unter Umständen den Tatbestand des § 130 Absatz 1 Nummer 1 StGB erfüllen.“
Die Aussage, die Billigung noch nicht begangener Kriegsverbrechen seien vom neuen Absatz 5 erfasst, ist erstaunlich. Schließlich bezieht sich die Norm nur auf abgeschlossene Sachverhalte. Wer beispielsweise eine Handlung nach § 6 Absatz 1 Nr. 1 VStGB billigt, der billigt eine abgeschlossene Tötungshandlung – keine zukünftige. Die Norm lautet wie folgt (gekürzt): „Wer in der Absicht, eine (…) Gruppe (…) zu zerstören, ein Mitglied der Gruppe tötet, wird (…) bestraft.“ Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie das Ministerium zu seiner Einschätzung gelangt.
Auch abseits dieser Kernfragen stellt sich bereits bei unbefangener Lektüre die Frage, welche Handlung denn genau bestraft werden soll. Muss sich die Billigung, Leugnung oder gröbliche Verharmlosung gegen irgendein Kriegsverbrechen richten und mittels dieser Billigung, Leugnung oder gröblichen Verharmlosung gegen eine bestimmte Gruppe agitiert werden? Oder ist es vielmehr erforderlich, dass sich die Billigung, Leugnung oder gröbliche Verharmlosung auf ein solches Kriegsverbrechen bezieht, welches gegen eine bestimmte Gruppe begangen wurde?
Diese Frage darf man sich nicht nur als Laie, sondern auch zusammen mit der Rechtsprofessorin Paula Rhein-Fischer stellen, die Argumente für die eine, wie auch gegen die andere Ansicht darstellt, ohne jedoch zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. Sowohl das Bundesjustizministerium als auch der ehemalige Richter am BGHSt Thomas Fischer meint zwar, die „geleugnete (usw.) Tat“ müsse gegen eine bestimmte Gruppe gerichtet sein, legt dazu allerdings kein einziges Argument vor, warum die Norm so verstanden werden müsse.
Ähnlich wie Fischer behauptet Rechtsprofessor Michael Kubiciel, die Neuerung habe lediglich klarstellenden Charakter, begründet seine Behauptung aber ebenfalls nicht, sondern legt im Gegenteil – und sich damit selbst widersprechend – dar, was nun neuerdings strafbar sein soll.
Unklar ist auch, gegen was für eine Gruppe nach der Vorschrift nicht agitiert werden darf. Blickt man lediglich auf den Wortlaut des neuen Absatz 5, so erscheint die Sache klar: er bezieht sich auf den bestehenden Absatz 1 Nummer 1 und die dort genannten Personen. Geschütze Opfer bisheriger Volksverhetzungen sind nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen, Teile der Bevölkerung sowie Einzelne wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung. Thomas Fischer vertritt die Ansicht:
„Die Gruppe oder der Bevölkerungsteil oder die Person, gegen die sich die geleugnete (usw.) Tat richtete, muss eine solche ‘nach Abs. 1’ sein. Und von Absatz 1 sind nach ständiger Rechtsprechung nur Teile der inländischen Bevölkerung umfasst.“
Daraus folgert Fischer: „wenn ein Deutscher russische Kriegsverbrechen in der Ukraine oder amerikanische Kriegsverbrechen im Irak leugnet oder grob verharmlost,“ sei dies nicht nach dem deutschen § 130 StGB strafbar. Diese Schlussfolgerung darf bezweifelt werden. Warum sollte ein Journalist, der bezweifelt, dass Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen hat, nicht bestraft werden können? Schließlich lebt inzwischen eine erhebliche Zahl Ukrainer in Deutschland und ist daher Teil der hier lebenden Bevölkerung, womit der Inlandsbezug hergestellt ist. Es bedarf nun nur noch eines deutschen Gerichts, welches diese Kriegsverbrechen feststellt.
Neben die vorerwähnten Unklarheiten tritt die Unbestimmtheit der Norm. Diese setzt nicht voraus, dass tatsächlich jemand aufgestachelt worden wäre, sondern lediglich, dass die Billigung, Leugnung oder gröbliche Verharmlosung geeignet ist, aufzustacheln. Doch wann ist etwas dazu geeignet, aufzustacheln? Liegt Geeignetheit erst vor, wenn, auf einer Versammlung mittels Megaphon ein Kriegsverbrechen geleugnet wird? Oder ist die Schwelle bereits überschritten durch eine möglicherweise ironische oder polemische Bemerkung während einer Unterhaltung in der Warteschlange vor dem Bäcker? Was ist mit dem Journalisten, der von neuen Erkenntnissen berichtet, die dagegen sprechen, dass überhaupt ein Kriegsverbrechen stattgefunden hat? Oder wird der Journalist lieber der Gefahr eines Strafverfahrens aus dem Weg gehen, indem er über neue Erkenntnisse doch nicht berichtet?
Und wie kann der betreffende Journalist sich überhaupt sicher sein, dass er kein Kriegsverbrechen leugnet? Ein Leugnen setzt schließlich das Inabredestellen einer historischen Tatsache voraus. Um ein Kriegsverbrechen zu leugnen, müsste dieses also bereits als historische Tatsache festgestellt worden sein. Ein Verbrechen, welches noch umstritten ist, kann aus diesem Grund zwar nicht geleugnet werden. Doch wie wird der Richter am Amtsgericht dies bewerten? Wann gilt für diesen ein Ereignis überhaupt als umstritten? Nur dann, wenn in der Wissenschaft Uneinigkeit herrscht? Jedoch herrscht in wissenschaftlichen Fragen selten völlige Einigkeit; also: welcher Wissenschaftler gilt als beachtenswert und wessen Ansicht darf vernachlässigt werden? Und: Setzt eine wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht zunächst die Erforschung des Sachverhalts durch Gerichte voraus? Falls ja, auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse sollten sich die Gerichte dann stützen?
Während die Schwammigkeit und Dehnbarkeit den Bürger ratlos zurücklassen, werden diese Eigenschaften der Norm von der Rechtsredaktion von tagesschau.de positiv bewertet und als wirksame Grenzen für Richter und Staatsanwälte betrachtet.
Auf seiner Internetseite legt sich das Justizministerium fest und behauptet, die neue Vorschrift ändere nichts. Es wiederholt damit die fehlerhafte Einschätzung des Bundestags aus dem Jahre 2010. Auch während der Lesungen im Bundestag zum neuen Absatz 5 wurde behauptet, die Norm stelle lediglich klar, was ohnehin schon gelte. Als der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner auf in der Wissenschaft diskutierte Probleme der Norm hinwies, wurde seitens mehrerer SPD-Abgeordneter nicht sachlich argumentiert, sondern schlicht dessen Intellekt in Frage gestellt.
Dass es sich bei der Neuregelung jedoch nicht lediglich um eine Klarstellung handelt, legt die Rechtsprofessorin Elisa Hoven dar. Sie erläutert, dass bisher lediglich das Abstreiten oder Relativieren nationalsozialistischen Unrechts eine Straftat gewesen sei und damit im Umkehrschluss Tathandlungen bezüglich anderer historischer Ereignisse nicht als strafbar gewertet wurden. Auf Anfrage drückt sich das Justizministerium deutlich vorsichtiger aus als auf seiner Internetseite:
„Die Neuregelung hat klarstellenden Charakter. Eine praxisrelevante Erweiterung der Strafbarkeit ist damit nicht verbunden, weil entsprechende Verhaltensweisen in aller Regel bereits vom Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Absatz 1 Nummer 1 StGB erfasst werden.“
Kolumnist Thomas Fischer hingegen spricht – sich selbst widersprechend – einerseits von einer Klarstellung, andererseits jedoch davon, dass bisher nur das Leugnen von Holocaust-Taten strafbar gewesen sei, der EU-Rahmenbeschluss „aber die umfassende Strafbarkeit des Leugnens, Billigens und Verharmlosens auch von anderen Völkermord- und Kriegsverbrechen“ verlange. Wie kann es sich jedoch lediglich um eine Klarstellung handeln und gleichzeitig um eine Ausweitung der Strafbarkeit? Dies scheint kaum möglich; allen Bestreitens zum Trotz handelt sich eindeutig um eine Ausweitung der Strafbarkeit.
Mit der Norm greift der Gesetzgeber tief in die Meinungsfreiheit ein. Dabei geht die Gefahr gar nicht so sehr von der tatsächlichen Ausweitung der Strafbarkeit aus, sondern von ihren praktischen Konsequenzen. Denn resümiert man das bis hierher Gesagte, kommt man nicht umhin, einzusehen, dass es für Journalisten oder den einfachen Bürger nicht bestimmbar ist, was künftig strafbar sein soll und was nicht. Es ist damit auch nicht ersichtlich, welche journalistische Berichterstattung ein Strafverfahren auslösen kann und welche nicht. Es kann davon ausgegangen werden, dass Journalisten im Zweifel nicht über Sichtweisen auf Kriegsereignisse berichten werden, die der Mehrheitsmeinung zugegen laufen, um sich nicht zeitraubender und kostspieliger Strafverfahren wegen ihrer Berichterstattung auszusetzen.
Es besteht damit die Gefahr, dass sich politisch erwünschte Narrative gegenüber sich tatsächlich ereigneten Sachverhalten durchsetzen. Sowohl die Vorschriften zur Volksverhetzung als auch Regelungen zu sogenannter Hass-Kriminalität dienen nicht nur dem legitimen Rechtsgüterschutz, sondern auch dem illegitimen Schutz elitärer Machtstrukturen. Die Vorschriften erschweren, Fehler machtausübender Gruppen zu kommunizieren und fördern auf diese Art einseitige, häufig regierungsnahe Narrative.
Dabei sind gerade kontroverse journalistische Stimmen notwendig, um Licht auf gesellschaftliche, politische und eben auch kriegerische Geschehnisse zu werfen. Um sich eine informierte Meinung bilden zu können, ist es grundlegend, Vorwürfe, die noch nicht von einem zuständigen Gericht geprüft und bestätigt wurden, bestreiten zu dürfen – selbst dann, wenn die Vorwürfe sich hinterher als wahr herausstellen sollten. Ohne diesen Prozess keine Wahrheitsfindung. Das Bundesverfassungsgericht hat dies wie folgt ausgedrückt:
„Die Absicht, Äußerungen mit schädlichem oder in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlichem Inhalt zu behindern, hebt das Prinzip der Meinungsfreiheit selbst auf und ist illegitim. (…) Nicht tragfähig für die Rechtfertigung von Eingriffen in die Meinungsfreiheit ist ein Verständnis des öffentlichen Friedens, das auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen zielt.“
Der neue Paragraf 130 Absatz 5 StGB erteilt diesen Gedanken eine Absage und steht dem Prozess der informierten Meinungsbildung diametral entgegen.