„Wie Amerika die Nord-Stream-Pipeline ausschaltete“ – so überschreibt der weltberühmte Enthüllungsjournalist Seymour Hersh seinen neuesten Beitrag. Damit wird indirekt die hochbrisante COMPACT-Doku „Tatort Nord Stream – Täter USA“ bestätigt. Wer alle Zusammenhänge durchschauen will, kommt an COMPACT-Spezial „USA gegen Deutschland“ nicht vorbei. Hier mehr erfahren.
Es liest sich atemberauend: US-Tiefseetaucher, ausgebildet in einem Spezialzentrum im Südwesten Floridas, haben im Juni 2022 Sprengsätze an den Nord-Stream-Pipelines befestigt, und die norwegische Luftwaffe hat diese später dann gezündet…
Der weltberühmte Journalist Seymour Hersh hat dies im Rahmen eines umfangreichen Reports minutiös dargestellt und damit für reichlich Wirbel nicht nur im Weißen Haus gesorgt. Dort hat man sich beeilt, Hershs Erkenntnisse sogleich zu dementieren.
Von Anfang an sei Nord Stream 1 „von Washington und seinen antirussischen NATO-Partnern als Bedrohung angesehen“ worden, so Hersh. Nord Stream 2 aber hätte Deutschland und Europa durch die Menge an billigem Gas unabhängiger von US-Amerika gemacht. Das sollte verhindert werden.
Warum die Einbindung Norwegen? Hersh erklärt:
„Norwegen war der perfekte Standort für die Mission. In den letzten Jahren der Ost-West-Krise hatte das US-Militär seine Präsenz in Norwegen, dessen westliche Grenze 1.400 Meilen entlang des Nordatlantiks verläuft und oberhalb des Polarkreises mit Russland verschmilzt, enorm ausgebaut.“
Norwegische Aktivitäten seien zudem gegenüber dem US-Kongress nicht meldepflichtig, was Schlupflöcher eröffnet habe. Hersh weiter zur Rolle des skandinavischen Landes: „Norwegen war einer der ursprünglichen Unterzeichner des NATO-Vertrags im Jahr 1949, also in den frühen Tagen des Kalten Krieges. Heute ist der Oberbefehlshaber der NATO, Jens Stoltenberg, ein überzeugter Antikommunist, der acht Jahre lang norwegischer Premierminister war, bevor er 2014 mit amerikanischer Unterstützung auf seinen hohen NATO-Posten wechselte.“
Die Taucher hätten, so Hersh, „unter dem Deckmantel einer NATO-Mittsommerübung namens BALTOPS 22 operiert. Der Pulitzerpreisträger bezieht sich wiederholt auf eine „Quelle mit direkter Kenntnis der operativen Planung.“ Demnach sei das eigentliche Vorhaben sogar gewesen, die Explosion bereits 48 Stunden später durchzuführen. US-Präsident Biden sei aber zunehmend davon abgerückt, damit der Verdacht nicht auf die zeitliche Nähe zur NATO-Übung falle.
US-Präsident Biden, hier mit Kanzler Scholz beim G7-Gipfel im oberbayerischen Schloss Elmau. Foto: Sven Simon | IMAGO
In die Planung der Operation seien der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, Außenminister Tony Blinken und die Unterstaatssekretärin Victoria Nuland frühzeitig eingebunden gewesen. Eine eigens gebildete Taskforce aus Mitarbeitern des Weißen Hauses, der CIA, des Außenministeriums und des Finanzministeriums habe bereits im Dezember 2021 ihre Arbeit aufgenommen. Hersh enthüllt dazu:
„In den nächsten Sitzungen diskutierten die Teilnehmer Optionen für einen Angriff. Die Marine schlug vor, ein neu in Dienst gestelltes U-Boot einzusetzen, um die Pipeline direkt anzugreifen. Die Air Force diskutierte den Abwurf von Bomben mit verzögerten Zündern, die aus der Ferne gezündet werden könnten. Die CIA argumentierte, dass alles, was getan werde, verdeckt sein müsse. Alle Beteiligten hatten verstanden, worum es geht. ‚Das ist kein Kinderkram‘, sagte die Quelle. Wenn der Angriff auf die Vereinigten Staaten zurückverfolgt werden könnte, ‚ist es eine Kriegshandlung‘.“
Und weiter: „Was dann kam, war umwerfend. Am 7. Februar, weniger als drei Wochen vor der scheinbar unvermeidlichen russischen Invasion in der Ukraine, traf sich Biden in seinem Büro im Weißen Haus mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der nach einigem Wackeln nun fest auf amerikanische Seite stand. Bei der anschließenden Pressekonferenz sagte Biden trotzig: ‚Wenn Russland einmarschiert, wird es keine Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende bereiten.‘“
Diese Indiskretion habe einige Geheimdienstler frustriert. Aber es sei auch eine Chance geschaffen worden, so Hersh. Laut Quelle stellten einige hochrangige Beamte der CIA sogleich fest, dass die Sprengung der Pipeline „nicht länger als verdeckte Option angesehen werden kann, weil der Präsident gerade angekündigt hat, dass wir wissen, wie es geht“.
Hersh erläutert in seinem Text: „Der Plan, Nord Stream 1 und 2 in die Luft zu sprengen, wurde plötzlich von einer verdeckten Operation, die eine Unterrichtung des Kongresses erforderte, zu einer Operation herabgestuft, die als streng geheime Geheimdienstoperation mit Unterstützung des US-Militärs angesehen wurde.“
Norweger hätten sich für die Sprengung dann auf „den richtigen Ort in den seichten Gewässern der Ostsee ein paar Meilen vor der dänischen Insel Bornholm“ festgelegt. Die Pipelines verliefen dort nah beieinander, und die Ostsee ist dort nur 80 Meter tief. Ferner gebe es dort „keine großen Gezeitenströmungen, die das Tauchen viel schwieriger gemacht hätten“.
Hersh schildert schließlich den entscheidenden Moment:
„Am 26. September 2022 unternahm ein P8-Überwachungsflugzeug der norwegischen Marine einen scheinbar routinemäßigen Flug und ließ eine Sonarboje fallen. Das Signal breitete sich unter Wasser aus, zunächst auf Nord Stream 2 und dann weiter auf Nord Stream 1. Wenige Stunden später wurden die Hochleistungssprengstoffe C4 gezündet und drei der vier Pipelines außer Betrieb gesetzt.“
Der mittlerweile 85-jährige Seymour Hersh wurde 1969 weltbekannt, als er die Kriegsverbrechen der US-Armee von My Lai im Vietnam-Krieg aufdeckte. 2004 enthüllte er den Folterskandal amerikanischer Truppen während des Golfkrieges im irakischen Gefängnis Abu-Ghraib.
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