Nachdem zunächst bereits Mitte Dezember abschließend über Ceta abgestimmt werden sollte, wird das EU-Parlament nun erst Anfang Februar über das Freihandelsabkommen mit Kanada entscheiden. Dies ist auch als Zeichen zu werten, dass das Vertragswerk nach wie vor umstritten ist.
Vor allem Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, hatten sich dafür eingesetzt CETA noch vor Jahresende vor dem EU-Parlament zur Abstimmung zu bringen. Kritiker, darunter die Umweltorganisation Global 2000, begrüßten die nun bekanntgewordene Verschiebung. Dadurch besteht nun mehr Zeit, noch offene Rechtsfragen des umstrittenen EU-Kanada-Freihandelsabkommen zu erörtern.
Die CETA-Sprecherin der Umweltschutzorganisation von Global 2000 Heidemarie Porstner:
Der Zeitgewinn ist absolut notwendig, um eine kritische Debatte führen zu können. Den kritischen Stimmen einfach das Wort zu verbieten und auf einen unnötig knappen Zeitplan zu pochen, wie dies letzte Woche angekündigt war, ist ein absolut indiskutables Vorgehen.
Ursprünglich war vorgesehen, das Parlament bereits im Januar 2017 über das Abkommen abstimmen zu lassen. Das bei Umweltaktivisten, NGOs, Gewerkschaften, aber auch Vertretern des deutschen Mittelstands umstrittene Handelsabkommen hatte zuletzt durch das vorläufige „Nein“ der belgischen Wallonie einen Rückschlag erlitten. Die Zentralregierung Belgiens konnte sich jedoch letztendlich mit den Wallonen auf einen Kompromiss einigen.
Dieser sieht unter anderem vor, dass sich die belgischen Regionen während des Ratifizierungsprozesses durch die nationalen EU-Parlamente „endgültig und dauerhaft“ aus CETA zurückziehen können. Ein weiterer Teil des gefundenen Kompromisses betrifft die umstrittenen Schiedsgerichte bei Handelsstreitigkeiten.
Nun legten die Koordinatoren des Handelsausschusses im EU-Parlament einen neuen Zeitplan für die Abstimmung über das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU vor. Das entsprechende Votum des Handelsausschusses ist für den 23. Januar 2017 vorgesehen, gefolgt von der Abstimmung im Plenum am 2. Februar.
Einer Verschiebung der Abstimmung wurde zugestimmt, nachdem zahlreiche Abgeordnete beanstandet hatten, dass kritischen Stimmen verschiedener Ausschüsse eine Stellungnahme zum Abkommen zwischen der EU und Kanada verwehrt worden war. Dies geschah mit der Begründung, dass dafür vor der anfänglich für Dezember anberaumten Abstimmung nicht mehr genügend Zeit sei. Nun haben sowohl der Umwelt- und Sozialausschuss als auch die Ausschüsse für Verkehr und auswärtige Angelegenheiten die Möglichkeit, ihre kritischen Standpunkte zu erläutern und ihre jeweilige Einschätzung zum Handelsabkommen abzugeben.
In diesem Zusammenhang äußert Porstner folgende Ansicht:
Die kommenden Wochen müssen dazu genutzt werden, all die kritischen Stellungnahmen und Rechtsgutachten in Betracht zu ziehen. Die KritikerInnen haben stapelweise solcher Analysen vorgelegt, nur wollte man ihnen bisher kein Gehör schenken. Auch werden die Stimmen im Parlament immer deutlicher, die die Befürworter auffordern, ihre CETA-PR doch endlich mit Fakten zu untermauern.
Die Tatsache, dass die CETA-Abstimmung verschoben wurde, kann in dieser Hinsicht als Versuch gewertet werden, kritischen Stimmen Raum zu geben, um dadurch das Abkommen letzten Endes zu retten und ihm die nötige politische und zivilgesellschaftliche Legitimation zu geben. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, nicht zuletzt aufgrund der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, vor dem Aus stehen. Diese Einschätzung teilte auch Vizekanzler Sigmar Gabriel, der die TTIP-Verhandlungen als gescheitert bezeichnete. Der designierte US-Präsident hatte ebenso verlautbaren lassen, das Transpazifische Freihandelsabkommen TTP kippen zu wollen. Trump hatte dazu erklärt:
Ich habe vor, eine Erklärung für den Austritt aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen – einer potentiellen Katastrophe für unser Land – ausstellen zu lassen.
Was das Kanada-EU Abkommen CETA anbelangt, vermuten Kritiker hinter dem Festhalten der EU am Vertragswerk und der nun anberaumten Verschiebung, den Versuch, TTIP doch nun „durch die Hintertür“ einzuführen. So hätten US-amerikanische Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Kanada durch CETA, trotz eines Scheiterns der TTIP-Verhandlungen, nach wie vor die Möglichkeit, auf dem europäischen Markt aktiv zu werden. Dies würde umgekehrt nun nicht mehr für europäische Unternehmen gelten.
Noch offene Rechtsfragen zum CETA-Abkommen sollen Abgeordnete bereits am 5. Dezember mit dem juristischen Dienst des Europaparlaments diskutieren. Dieses hatte sich mehrheitlich gegen eine Prüfung des Freihandelsabkommens durch den Europäischen Gerichtshof ausgesprochen. Bis zu einem möglichen und vollständigen Inkrafttreten des Abkommens gilt es jedoch noch einige Hürden zu überwinden, die für eine erhebliche zeitliche Verzögerung sorgen könnten.
So beträfe eine positive Abstimmung seitens des EU-Parlaments zunächst alle Teile des Abkommens, die in die Zuständigkeit der EU fallen, so etwa die weitgehende Abschaffung der Zölle zwischen beiden Wirtschaftsräumen. Die Bereiche, die in den Bereich nationaler Zuständigkeit fallen, wie etwa der umstrittene Investorenschutz, müssten zunächst von den Parlamenten der 28 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Dieser Prozess kann sich jedoch über Jahre hinziehen.