Der Westen befürchtet, Russland könnte als Reaktion auf westliche Sanktionen „Anschläge“ auf Tiefsee-Kabel verüben. Mit Internet wäre dann Schluss. Unverzichtbares Hintergrundwissen zum Krieg in der Ukraine, knallharte Fakten aus der Geschichte und Gegenwart Russlands sowie Putins Grundsatzrede vor dem Einmarsch im O-Ton. Das alles finden Sie in COMPACT Spezial Feindbild Russland: Die NATO marschiert. Hier bestellen.
_ von Unser Mitteleuropa
Die Daten-Autobahnen der Tiefsee sind in unserer Zeit trotz Satelliten enorm wichtig. Tiefseekabel ermöglichen Datenkommunikation über große Distanzen und können Datenmengen transportieren, die noch weit größer sind als die der stärksten Kommunikationssatelliten. Rund 470 Unterseekabel in einer Gesamtlänge von gut 1,5 Millionen verlegter Kilometer gibt es derzeit weltweit. Ein Großteil davon wird zur Datenübertragung, weitere für elektrische Energieübertragung, genutzt.
Ein weiterer Vorteil gegenüber Satellitenverbindungen ist die deutlich geringere Laufzeit der Signale bei Untersee-Kabeln. Besagte Untersee-Kabel, ungefähr so dick wie ein kleinerer Feuerwehrschlauch, sorgen also heutzutage dafür, dass Menschen von nahezu überall auf der Welt auf die Dienste des Internets zugreifen können. Sie verbinden Kontinente miteinander und binden Inseln und Hochseegebiete an.
Man kann sich vielleicht noch erinnern, als Anfang des Jahres im Gebiet von Tonga/Kiribati, mitten im Pazifik ein Vulkan ausgebrochen war und im Mainstream berichtet wurde, die Inseln seien daher auch nicht über Internet erreichbar. Ein wenig ins Staunen geriet man da schon, bei „gottverlassenen“ Inselchen weitab im sprichwörtlichen Nirgendwo.
Rund 95 Prozent des internationalen Datenverkehrs jedoch laufen bereits über solche Unterseekabel. Um offenbar nun ein neues Schreckensszenario „den bösen Russen“ betreffend zu inszenieren, wird medial behauptet, Russland würde sich in „verdächtigem Maße“ für Tiefsee-Kabel zu interessieren beginnen.
Hierbei keimen nun seitens des Westens, man ist beinahe versucht zu meinen, „Verschwörungstheorien“ betreffend besagter Tiefsee-Kabel und den Intentionen Russlands in Bezug auf diese, auf. „Wie der Schelm ist, so denkt er“, fällt einem dazu wohl ein. Ohne Zweifel kommt der Infrastruktur, besonders in Zeiten von Sanktionen und beinahe ungebremster „Kriegstreiberei“ des Westens, eine gewichtige Rolle zu. Wer also die Unterseekabel kontrolliert, könnte zumindest das Netz abhören, manipulieren oder am Ende komplett lahmlegen.
Ganz nach der gelebten jahrzehntelangen Strategie des Westens. Seitens der „nun ängstlich Gewordenen“ ohne Zweifel nachvollziehbar, der „Russe“ tickt da aber wohl ein wenig anders, wobei man sich doch die Frage stellen muss, wie lange „Putins Geduldsfaden“ noch hält.
Im Gegensatz etwa zu China oder den USA besitzt Russland nur wenige eigene Untersee-Kabel. Daher war bereits in den letzten Jahren ein gesteigertes Interesse Russlands an dieser Art Infrastruktur zu bemerken. Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) berichtet, dass diese Bedrohungslage im Westen seit Jahren bekannt gewesen sei. Tatsache ist, dass die Kabel für die meisten U‑Boote zu tief liegen. Dabei kommt allerdings zum Tragen, dass Russland über einige U‑Boote mit spezieller Tauchkapazität verfügen, erklärte dazu der Sicherheitsexperte Mauro Gilli von der ETH Zürich gegenüber der NZZ. Dies könnte somit eine ernsthafte Gefahr darstellen, erläutert er weiter.
Schöne Neue Welt? Big Tech hat neue Monopole geschaffen, die zum Markt geworden sind. Ohne ihre Plattformen wie Google, Amazon, Facebook und Co. kommen wir kaum mehr aus – doch wer dabei sein will, muss nach ihren Regeln spielen. Irland und die Irische See spielen eine besonders wichtige Rolle für die Infrastruktur von Big Tech. Foto: Sergey Nivens / Shutterstock
Erst Ende Jänner dieses Jahres hatte ein Manöver der Russischen Marine vor der Küste Irlands für helle Aufregung gesorgt. Seitens des Westens wir hierbei angenommen, dass man im Zuge dieser Manöver, genau Positionen von Untersee-Kabeln auskundschaftet. Auf Grund der Steuervorteile ist Irland besonders als europäische Zentrale vieler Technologie-Unternehmen beliebt und gilt als Hochburg von Rechenzentren. Aufgrund dessen gibt es auch vor der irischen Küste sehr viele Daten-Knotenpunkte zu den Untersee-Kabeln.
Tony Radakin, Admiral und Chief of the Defence Staff der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs, hatte in einem Interview mit dem Guardian von einer „phänomenalen Zunahme russischen U‑Boote und Unterwasser-Aktivitäten“ im Zeitraum der letzten 20 Jahre, gesprochen. Die Angst, nicht nur der Briten, ist dabei, dass es Russland darum gehen könnte, „das Informationssystem der Welt“ zu bedrohen oder zumindest „auszulesen“. Die Frage die sich jedoch stellt, warum lassen sie sich dann 20 Jahre Zeit dafür, gehen die Uhren in Russland langsamer?
Die Russische Föderation besitzt spezialisierte Boote, die teilweise sogar im Stande dazu sind autonom zu arbeiten. Im Wesentlichen soll Russland hierbei drei Schiffe im Einsatz haben. Russland verfügt über spezialisierte Boote, die teils autonom arbeiten können. Für derlei Aktionen soll Russland im Wesentlichen drei Schiffe im Einsatz haben. Eines davon ist die Jantar, ein Spezialschiff der russischen Nordflotte. Das Aufklärungsschiff wurde auf der Jantar-Werft in Kaliningrad gebaut und 2015 in Dienst gestellt. Sie kann auch als Mutterschiff für zwei Kleinst-U-Boote dienen.
Blick auf das heutige Kaliningrad, die alte ostpreußische Hauptstadt Königsberg. Hier befindet sich auch die Jantar Werft. Foto: Konstantin Tronin / Shutterstock.com
Diese bemannten Tauchboote erreichen Tiefen bis zu 6.000 Meter und sind mit hydraulischen Greifarmen ausgestattet. Auch soll es an Bord der Jantar auch ferngesteuerte und autonome Tauchboote für Arbeiten am Meeresgrund geben.
Im Visier der westlichen „Panikmacher“ sind ebenfalls zwei Atom-U-Boote. Darunter die 178 Meter lange Belgorod. Sie sollen als Basis für kleinere Nuklear-U-Boote für den Einsatz auf dem Meeresgrund dienen und werden etwa eingesetzt, um abgestürzte Flugzeuge zu bergen. Im Großen und Ganzen ist es dem sanktionierenden Westen offenbar sehr wohl bewusst, dass man hier letztlich wenig tun könne, so auch die Befürchtung des Schweizer Sicherheitsexperten Mauro Gilli, denn es sei schwierig, Unterseekabel zu schützen.
Zwar könne man an den Küsten Patrouillen fahren oder die Ummantelung der Kabel verstärken, meint er. Auf hoher See könne indes wenig getan werden, zumal sich schwer zu ortende U‑Boote den Kabeln aus verschiedenen Richtungen nähern könnten, ohne von westlichen Staaten entdeckt zu werden“, so Gilli. Bis dato bildeten immer noch die Fischerei und das Ankern von großen Schiffen das größte Risiko für Untersee-Kabel. Auch Gilli hält einen Angriff auf wichtige Untersee-Kabel für höchst unwahrscheinlich.
Dennoch muss nun ein neues Bedrohungsszenario über die „unberechenbare Gefährlichkeit Putins“ aus dem Hut gezaubert werden, um zumindest die Geschwindigkeit der umfassenden Waffen-Lieferungen an die Ukraine beschleunigen zu können.
Dieser Text wurde im Rahmen der Europäischen Medienkooperation von Unser Mitteleuropa übernommen. Überschrift und Illustrationen wurden von unserer Redaktion eingefügt.
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