Neokonservative Kriegsfalken hatten sich bei Demokraten wie Republikanern fest eingenistet. Mit der Wahl von Donald Trump sind sie erst mal kaltgestellt. Umso heftiger plustern sie sich in den Medien auf, um den Dritten Weltkrieg auf der Agenda zu halten.
von Rainer Rupp
Glaubt man ihnen, dann ist der Dritte Weltkrieg immer noch unausweichlich, und zwar nicht infolge der NATO-Ostexpansion, sondern der angeblichen "russischen West-Expansion". Nur eine massive NATO-Aufrüstung könne demnach den Frieden sichern. Die Falken in den europäischen Regierungen sehen das nicht anders, mit der deutschen Kriegsministerin von der Leyen an vorderster Stelle.
Mit dem Kreml zu reden, um die Lage zu entspannen, bringt aus der Sicht der Falken nur noch schlimmeres Unglück. Davor warnte letzte Woche auch die Ikone des republikanischen Establishments, Senator John McCain. Der langjährige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des US-Senats ermahnte den gewählten Präsidenten Donald Trump und dessen außenpolitisches Team, sich nicht mit dem russischen Präsident Wladimir Putin einzulassen.
"Der letzte Versuch durch die Obama-Regierung, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren", habe zum "Einmarsch Putins in der Ukraine und zu einer militärischer Intervention im Nahen Osten" geführt, so McCain, der bei einer öffentlichen Veranstaltungen über US-Beziehungen zu Teheran auch schon mal zu einer Melodie der Beach Boys "Bomben, Bomben, Bomben auf Iran" gesungen hat. Zum Glück hat der bereits 2008 bei der Präsidentenwahl grandios gescheiterte McCain keinerlei Einfluss auf Trump. Schließlich würde ja auch der FC Bayern nicht den geschassten Trainer eines Drittliga-Absteigers als sportlichen Berater verpflichten.
Sehr zum Missfallen aller Neokonservativen hat Donald Trump während des Wahlkampfes wiederholt seine Absicht bekräftigt, sich mit Putin zu verständigen und mit Russland konstruktiv und nicht als Hegemon zusammenzuarbeiten. Dass ausgerechnet davon eine noch größere Gefahr für den Ausbruch des Dritten Weltkriegs ausgehen soll, darauf muss man erst einmal kommen. Aber die kranken Gehirne neokonservativer "Wissenschaftler" machen das möglich. Deshalb soll hier Dr. Mark Stout vorgestellt werden.
Dr. Mark Stout ist der Direktor des MA-Programms in Global Security Studies an der Johns Hopkins University in Washington. Er arbeitete dreizehn Jahre als Analyst in der Geheimdienstabteilung des US-Außenministeriums und später bei der CIA. In weiterer Folge war er im Pentagon und am Institut für Verteidigungsanalyse tätig.
Auf seine mit langjähriger Erfahrung in hohen Positionen im US-Außenministerium, in der CIA und im Pentagon verbundene Autorität - böse Zungen würden von fortgeschrittener Betriebsblindheit sprechen - gestützt schrieb Dr. Stout letzte Woche:
Der Aufstieg von Trump ist die größte Gefahr für einen ungewollten Krieg in Europa, der wahrscheinlich in den baltischen Staaten ausbricht. Stellen sie sich folgendes Szenario vor: Putin brennt immer noch darauf, das historische Unrecht der Zerschlagung der Sowjetunion rückgängig zu machen. Ermutigt durch seinen Landraub in Georgien und der Ukraine will er als nächstes die ethnischen Russen, die in den baltischen Staaten leben, heim nach Russland holen. Da er sich der Skepsis Trumps bezüglich des Nutzens der NATO bewusst ist, ist er zuversichtlich, dass der amerikanische Präsident entweder auf seiner Seite steht, anfällig für russische Manipulation ist oder an Osteuropa kein Interesse hat. Mit anderen Worten: Putin glaubt nicht an die amerikanische Abschreckung.
Und das wird für Europa zum Verhängnis, so Stout. Da Putin glaube, nichts vonseiten der NATO zu befürchten zu haben, werde er "einen offenen militärischen Schritt auf dem Baltikum machen". Konfrontiert mit der Zerstörung ihrer Länder würden dann "diese wohlhabenden Demokratien unter Anrufung der Beistandsklausel des Artikels 5 des NATO-Statuts Unterstützung von der Allianz fordern". Das wäre der Punkt, an dem Präsident Trump von den europäischen Verbündeten und von US-amerikanischen Sicherheitsexperten belagert werden würde, etwas zu tun, wenn er nicht der Präsident sein wollte, der Europa "verloren" habe.
In der nächsten Phase von Dr. Stouts Horror-Show wacht Trump endlich auf. Er wird sich der Bedrohung bewusst und beschließt, zu reagieren. Allerdings sei "die Unterstützung der baltischen Staaten - die direkt vor der Tür Russlands liegen und keine strategische Tiefe haben – schwierig". So seien die USA und die NATO mit der unangenehmen Alternative konfrontiert, sich "entweder auf einen extrem blutigen und möglicherweise zum Scheitern verurteilten, konventionellen Konflikt in Osteuropa einzulassen", oder aber die "Möglichkeit einer nuklearen Eskalation beziehungsweise alternativ einer horizontalen Eskalation Russlands an anderer Stelle der Welt" ins Auge zu fassen. Zu dieser Zeit seien die Vereinigten Staaten jedoch bereits derart abgelenkt, dass andere Länder wie China, Nordkorea und Iran die Gelegenheit beim Schopf ergreifen, um ebenfalls gegen die Interessen der USA zu handeln.
Und "abrakadabra", schon hat der langjährige US-Regierungs- und Geheimdienstmitarbeiter in den Köpfen seiner Leser den "Dritten Weltkrieg" herbeigezaubert. Der ist vom Westen natürlich nicht beabsichtigt und der Putin ist ganz allein daran schuld.
Zur Erinnerung: Ebenfalls letzte Woche hatte Dr. Paul D. Miller, ein ehemaliger Mitarbeiter des Weißen Hauses unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama, in der neo-konservativen US-Zeitschrift "Foreign Policy" ein ähnliches Szenario des Schreckens an die Wand gemalt. RT-Deutsch berichtete.
Dr. Paul Miller ist Associate Director des "William P. Clements Zentrum für nationale Sicherheit" an der University of Texas in Austin. Als Politikwissenschaftler arbeitet er auch für die RAND Corporation. Er ist ehemaliger US-Geheimdienstoffizier und nahm am Krieg in Afghanistan teil.
Auch bei Dr. Miller trifft Putin die Alleinschuld, allerdings ist seine Motivation eine andere. Denn laut dem ehemaligen Mitarbeiter des Weißen Hauses ist der Kreml-Chef eine Art russisch-orthodoxer Gotteskrieger, der von einer "eigenartigen Form des russischen Nationalismus", vermischt mit "messianischem Schicksalsglauben" angetrieben werde.
Putin großer Fehler, der letztlich zum Krieg führt, sieht Miller darin, dass der Kreml in der NATO "nicht den wohlwollenden Garant einer liberalen Ordnung in Europa, sondern den feindlichen Agenten des degenerierten Westens und das Haupthindernis für russische Größe" sieht. Weil er mit der Einverleibung der baltischen Staaten unbedingt die russische Größe wiederherstellen wolle und die schwache NATO ihn davor nicht abschrecken könne, riskiere der irre Putin den "Dritten Weltkrieg".
Bei den beiden "hochwissenschaftlichen" Horrorszenarien der Doktoren Miller und Stout lautet die Moral von der Geschichte natürlich, dass nur durch eine mächtige Aufrüstung der NATO in Osteuropa Russland in die Schranken verwiesen und der Weltuntergang verhindert werden könne. Aus Sicht der US-Falken gibt es dazu keine Alternative. Irgendjemand bedroht halt immer die friedliebende "westliche Wertegemeinschaft" und zwingt sie dazu, an den Grenzen anderer Länder aufzumarschieren oder diese anzugreifen. Zum Glück haben sie infolge der Niederlage ihrer willigen Vollstreckerin Hillary Clintons die Möglichkeit verloren, ihre apokalytischen Vorhaben in die Tat umzusetzen.