Als Bürgermeister von Hamburg war Olaf Scholz an einem millionenschweren Steuerbetrug beteiligt.
von Oswald Metzger
Die Hansestadt Hamburg ist für Sozialdemokraten ein ganz spezielles Terrain. Sie regieren die Stadt seit vielen Jahrzehnten mit kurzer Unterbrechung und sind bestens vernetzt in die großbürgerliche Kaufmannstradition dieser reichen Metropole. Dass gegen die noble Elbchaussee auf Dauer in Hamburg keine Wahlen zu gewinnen sind, ist eine Erkenntnis, die Olaf Scholz, der Wahl-Hamburger, dem Vernehmen nach selbst einmal formuliert hat. Für zwei Legislaturperioden amtierte er als Erster Bürgermeister im historischen Rathaus und findet sich so in einer Reihe von renommierten und respektablen SPD-Vorgängern wie Hans-Ulrich Klose, Klaus von Dohnanyi oder Henning Voscherau.
Doch lange Regierungszeiten einer dominierenden Partei haben immer eine Kehrseite. Verwaltungen werden zunehmend mit Parteifreunden besetzt. Selbst die formal unabhängige Justiz erliegt zunehmend einer Beißhemmung gegenüber politischen Würdenträgern. In Hamburg ist dieser SPD-Filz in der Staatsanwaltschaft unübersehbar, wenn man sich den Skandal um den Steuererlass für die Warburg-Bank vor Augen führt, in dem der heutige Bundeskanzler eine prominente Rolle spielt, auch wenn er sich partout nicht erinnern will.
An ein harmloses Small-Talk-Treffen mit dem damaligen Chef der Warburg-Bank, Christian Olearius, in der Hamburger Elbphilharmonie erinnerte sich Scholz sehr genau, als er im Finanzausschuss des Bundestages Jahre später in verschiedenen Sitzungen befragt wurde. Weitere Treffen verneinte er auf Nachfragen von Abgeordneten. Erst als später durch die Tagebuchaufzeichnungen von Olearius, in der minutiös alle Termine des Bankers verzeichnet waren, zwei vertrauliche Treffen mit Scholz in seinem Amtszimmer im Hamburger Rathaus bekannt wurden, räumte er diese ein, ohne sich aber an die Gesprächsinhalte erinnern zu können oder zu wollen.
Dabei hatten es diese Gespräche in sich. Denn die Warburg-Bank hatte sich vom Fiskus über Jahre mit fingierten Aktiengeschäften um den Termin der Dividendenausschüttung herum rund 170 Millionen Euro Kapitalertragsteuer erstatten lassen, die aber zuvor überhaupt nicht an die Staatskasse bezahlt worden waren. Betriebsprüfern der Hamburger Steuerbehörde war das aufgefallen. Dieses Cum-Ex-Geschäftsmodell, an dem sich viele Banken für reiche Kunden beteiligten, kostete den Fiskus nicht nur in Deutschland Dutzende Milliarden Euro. Es handelte sich wahrscheinlich um den folgenreichsten systematischen Steuerbetrug, den es je gab. Inzwischen ist dieser Betrug, für dessen gesetzliche Abstellung die deutsche Politik viel zu lange brauchte, auch höchstrichterlich sanktioniert.
Ins Auge springt die politische Einflussnahme, die aus den vertraulichen Treffen des Warburg-Chefs mit dem Ersten Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz resultierte. Denn obwohl die Hamburger Steuerbehörde von der Warburg-Bank 47 Millionen Euro zurückgefordert hatte, machte sie binnen kürzester Zeit eine Kehrtwende, verzichtete auf die Rückzahlung, sodass die Ansprüche dann steuerrechtlich verjährten. Beteiligt an der politischen Einflussnahme war übrigens auch der damalige Hamburger Finanzsenator und heutige Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). An ihn verwies Scholz den Warburg-Bank-Chef. Der Finanzsenator leitete dann ein Schreiben der Bank an die Finanzbehörde weiter, in dem sie um die Aufhebung der Steuerrückforderung bat. Acht Tage nach Zuleitung des von Tschentscher mit einer Anmerkung versehenen Warburg-Schreibens verzichtete die Finanzbehörde auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro.
Die Indizienkette ist so lückenlos, dass jedem vernünftig denkenden Menschen klar sein muss, dass sich höchstwahrscheinlich der Bürgermeister (und auch der Finanzsenator) hier als Handlanger eines Steuerbetrugs betätigte. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelte ab Frühjahr 2020 mehr als anderthalb Jahre wegen des Verdachts auf Untreue gegen Scholz. Die Öffentlichkeit erfuhr davon aber nichts. Drei Wochen vor der Bundestagswahl wurde das Verfahren eingestellt, weil sich angeblich keine hinreichenden Verdachtsmomente für Straftaten ergeben hätten. Bemerkenswert übrigens auch, dass Olaf Scholz vor einem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft verschwiegen hat, dass gegen ihn ermittelt wird.
Verschweigen gilt übrigens vor Gericht als Lügen und ist strafbar. Deshalb kommt Oliver Schröm, ein Investigativ-Journalist, der über viele Jahre maßgeblich an der Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals mitgewirkt hat, zu einem harten Urteil: „Wir haben einen Kanzler, der ein Lügner ist.“ Dass Scholz im Gegensatz zu den Bürgerschaftsabgeordneten und der Hamburger Öffentlichkeit vom Verfahren wusste, lässt sich belegen, weil der Anwalt von Scholz kurz vor dessen Einvernahme im Hamburger Untersuchungsausschuss das erste Mal bei der Staatsanwaltschaft interveniert und die Einstellung der Ermittlungen gefordert hatte. Vor der Bundestagswahl drängte der Scholz-Anwalt dann nochmals mehrfach auf die Einstellung der Ermittlungen, was dann auch unmittelbar vor der Bundestagswahl passierte.
Wie skandalös der SPD-Filz in Hamburg wuchert, belegt auch das Gebaren der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft, bei der eine Beschwerde über die Einstellung der Ermittlungsverfahren gegen Olaf Scholz und Peter Tschentscher eingereicht worden war. Der Einspruch wurde im November 2021 von der Generalstaatsanwaltschaft abgelehnt, weil es „keinen Anlass“ gebe, gegen die beiden Personen zu ermitteln. Dabei hatte die Kölner Staatsanwaltschaft zwei Monate zuvor wegen der Warburg-Steuergeschichte eine Razzia bei einer leitenden Finanzbeamtin und in der Finanzbehörde durchführen lassen. Diese Beamtin, Frau P., hatte in einem Verfahren vor dem Landgericht Bonn gegen Warburg-Beschuldigte im vergangenen Jahr als Zeugin übrigens Scholz und Tschentscher entlastet.
So schrieb jedenfalls das SPD-loyale Hamburger Abendblatt. Doch kurz nach der Bundestagswahl fanden dann die Razzien bei Frau P. statt. Ihr werden Begünstigung, Strafvereitelung, Geldwäsche und Untreue vorgeworfen. Die Ermittlungen laufen noch. Außerdem gibt es ein zweites Strafverfahren gegen die frühere Chefin des Finanzamts für Großunternehmen in Hamburg.
Olaf Scholz ist ein Phänomen. Während der Lacher von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Wahlkampf Negativschlagzeilen produzierte und die Menschen erboste, tropfte der Warburg-Skandal am SPD-Kanzlerkandidaten einfach ab, ebenso wie die Veröffentlichung der Stasi-Akten über seine DDR-Kontakte als Juso-Funktionär. Nicht nur viele Medien, die sich nach vier langen Unions-Legislaturperioden förmlich nach einem Regierungswechsel sehnten, ließen Scholz mit unangenehmen Fragen in Ruhe. Der Mann mit dem Pokerface ließ sich nicht aus der Reserve locken, pochte auf seine Erinnerungslücken und konnte sich auch auf den Hamburger SPD-Filz verlassen.
Selbst CDU und CSU kaprizierten sich in ihrer Wahlkampagne eher auf die Grüne Konkurrenz, wenn sie einmal nicht – wie CSU-Chef Markus Söder – ins eigene Laschet-Lager schossen. Als vorletzte Woche einige Dutzend Spitzenpolitiker der Union auf Einladung von Generalsekretär Paul Ziemiak eine Analyse der desaströsen Wahlniederlage vornahmen – Tenor: „Kandidat, Kampagne, Kommunikation – alles schlecht!“ –, dämmerte selbst dem für den Wahlkampf organisatorisch verantwortlichen Generalsekretär anschließend: Wir haben uns zu sehr mit den Grünen beschäftigt, als etwa die Verstrickungen von Olaf Scholz in die Cum-Ex-Affäre und den Steuerskandal um die Hamburger Warburg Bank zu thematisieren.
Im aktuell erschienenen Buch „Abhängig beschäftigt – Wie Deutschlands führende Politiker im Interesse der wirklich Mächtigen handeln“ hat sich Thomas Röper sehr intensiv mit weiteren Themen rund um die komplexen Zusammenhänge der gesteuertern Politik im Westen und deren brisanten Verstrickungen mit einer ganzen Reihe von Organisationen beschäftigt und dabei einiges zu Tage gefördert.
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