Grüner Pass: Corona-Status wird mit vielen anderen Daten verknüpft
von Kaspar Sachse
Innerhalb weniger Jahre, zuletzt sogar Monate haben sich die Bedeutung der Begriffe Recht und Freiheit in Deutschland und Europa um 180 Grad gedreht. Die Harvard-Ökonomin Shoshana Zuboff hat das bereits 2014 in ihrem Buch, das sich wie eine finstere Dystopie auf die neue Epoche liest, auf den Punkt gebracht. In “Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus” schreibt sie:
“Die Negation des Rechts, keine Spuren zu hinterlassen, solange man nicht gegen Gesetze verstößt, wird sich in unserm Bewusstsein wie in unseren Leben einnisten, ohne mehr störrische Irritationen auszulösen.”
Und schon im März letzten Jahres zeichnete der israelische Historiker Yuval Noah Harari ein messerscharfes Bild der aktuellen Situation und zur Eindämmung der Freiheit zugunsten der “Gesundheit” in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ):
“Selbst wenn wir die Infektionen durch das Coronavirus auf null bringen, könnten datenhungrige Regierungen argumentieren, sie brauchten die biometrischen Überwachungssysteme weiterhin, weil sie eine zweite Welle fürchteten oder weil ein neuer Ebola-Stamm irgendwo in Afrika drohe oder (…) was auch immer. In den letzten Jahren tobte eine gewaltige Schlacht um unsere Privatsphäre. Die Coronavirus-Krise könnte ihr Wendepunkt sein. Denn Menschen, die zwischen Freiheit und Gesundheit wählen müssen, entscheiden sich gewöhnlich für die Gesundheit.”
Galt man also bis zur epochalen Zäsur des Jahres 2020 grundsätzlich als gesund, anstatt eventuell mit COVID-19 infiziert zu sein, war es unverdächtig, größere Summen mit Bargeld zu bezahlen, und galt es als normal, Fleisch zu Essen und eine Spritschleuder zu fahren, hat sich das in den letzten eineinhalb Jahren grundlegend gewandelt. Die persönliche Freiheit des Einzelnen wird rapide durch diejenigen beschnitten, die selbst überwiegend die Ursachen der Einschränkungen zu verantworten haben: Globale Megakonzerne und superreiche Einzelpersonen zumeist aus den USA oder Europa, welche zahlreiche supranationale Organisationen wie WHO, EZB oder IPCC unterwandert haben, Politiker lobbyieren und so ihre finanziellen und machtpolitischen Interessen durchsetzen.
Der Durchschnittsbürger hat dagegen eher einen geringen Anteil an den Krisen unserer Zeit: Corona, Digitalisierung und Überwachung von allem und jedem (auch der persönlichen Vermögen) sowie der Klimakrise sind allesamt Folgen einer durch und durch globalisierten Gesellschaft – in die das Individuum zwangsläufig hineingeworfen wurde. Dazu kommen noch die Genderproblematik und die Flüchtlingskrise. Die Tragik: Die Regierenden des “Wertewestens” trauen ihren Bürgern keine Eigenverantwortung (mehr) zu, sie sehen in ihnen kleine Kinder, denen man “die Zügel enger anziehen” (Markus Söder) muss, nach dem Motto: “Wir wissen schon, was gut für dich ist” oder “Trauen Sie nur den offiziellen Mitteilungen” (Angela Merkel).
Eine bewusste mediale und politische Dauerpropaganda der Angst trifft bei all diesen Themen auf eine säkularisierte, entwurzelte Gesellschaft, die im Hamsterrad des Neoliberalismus sowieso nie gelernt hat, was Freiheit ist: Demzufolge hat sie zum Großteil auch kein Problem mit digitalen Impfpässen, schrittweiser Bargeldabschaffung oder dem Verschwinden von Currywürsten aus Kantinen. Denn man habe ja “nichts zu verbergen” und ist stets “tolerant” – auch wenn dadurch die eigene Freiheit zugunsten Dritter evident eingeschränkt wird. Dabei stechen drei Epochenzäsuren besonders heraus:
Fakt ist mittlerweile eines: Ohne digitalen Impfpass, Genesenennachweis (der aber nur sechs Monate gilt) oder eben teuren und aufwendigen PCR-Tests wird man noch in diesem Jahr keinen Zugang mehr zu öffentlichen Einrichtungen und Veranstaltungen bekommen – auch wenn Merkel, Spahn, Kretschmer und Co. nie eine Impfpflicht installieren wollten und bis vor Kurzem noch jeder als rechter Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt wurde, der so etwas prophezeit hat. Damit ist die Zweiklassengesellschaft zementiert, und man fragt sich nur, wie man es die letzten eineinhalb Jahre nur ohne derlei rigorose Überwachungsinstrumente in der schlimmsten Pandemie aller Zeiten überleben konnte. Dazu kommt noch die Corona-App des Bundes oder die Luca-App: Beide haben sich zwar als absolute Steuergeldgräber entpuppt und lassen an ihrer Tauglichkeit und Datensicherheit massive Mängel erkennen, doch das scheint viele Nutzer nicht zu stören. So wird allein die Luca-App von 20 Millionen Menschen in Deutschland verwendet.
Auch die nächste große Freiheitsberaubung läuft auf Hochtouren. Mitte Juli, just als in Frankreich die Impfpflicht für verschiedene Berufsgruppen verkündet wurde und man nur noch mit Impfnachweis in Restaurants etc. darf, verkündete EZB-Chefin Christine Lagarde die Einführung des digitalen Euro bis 2026. So kann ein neues Finanzsystem mit dauerhaft negativen Zinsen auf Kosten von Sparern und Verbrauchern relativ leicht realisiert werden. Bereits jetzt kann man vielerorts kaum noch mit 500- oder 200-Euro-Scheinen bezahlen, und in Deutschland dürfen nur noch Summen bis 10.000 Euro in bar und ohne Nachweis getätigt werden.
Einige Datenschützer stellen sich die Frage, ob durch den digitalen Euro sämtliche Transaktionen durch die EZB und womöglich andere EU-Institutionen kontrolliert werden könnten. EZB-Direktor Fabio Panetta, zuständig für Zahlungsverkehr in Frankfurt am Main, meint, dass ein digitaler Euro den Datenschutz sogar verbessern würde, denn die EZB als “öffentliche Institution” habe kein Interesse daran, Daten zu sammeln oder an Dritte weiterzugeben. Das kann man glauben oder nicht – aber wer zurzeit ins Ausland reist und bei der Rückkehr eine SMS der Bundesregierung erhält und aufgefordert wird, sich über die aktuellen Corona-Bestimmungen zu informieren oder gleich in Quarantäne zu gehen, weiß: Natürlich schaut der Staat im Zweifelsfalls genau hin, wer wem was überweist. Nicht nur Straßenmusikanten, kiffende Studenten, Obdachlose oder Rotlichtschwärmer haben dann ein Problem. Denn auch der Bürger als Kunde wird vollständig gläsern – Amazon, Facebook und Co. werden sich freuen: Die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und Tech-Giganten wird noch größer als ohnehin schon werden. Am Ende steht dann ein digitales Zentralbankkonto für jeden an – und wer die falsche Partei wählt oder bei Rot über die Ampel geht, wird eben vorübergehend mit Sperrungen oder Reiseverboten “gemaßregelt”. Bundesbankvorstand Burkhard Balz meinte vor Kurzem zum Projekt digitaler Euro:
“Die Experimente zum digitalen Zentralbankgeld haben gezeigt, dass technisch vieles machbar ist. Aber die Frage ist, ob alles technisch Machbare politisch und volkswirtschaftlich auch sinnvoll ist.”
Geht es nach den Regierenden, offenbar schon – dabei hat sich die Salamitaktik als funktionierendes Instrument erwiesen. Das wird sich demnächst auch bei der Bekämpfung des Klimawandels zeigen.
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Anfang Mai ist bereits jetzt wegweisend: Treibhausgase müssen bis 2030 deutlich stärker reduziert werden. Und auch SPD-Mann Karl Lauterbach scheint ein neues Feld “nach Corona” gefunden zu haben – er zog bezüglich des Urteils einen interessanten Vergleich: Mit den Impfungen gegen COVID-19 könne man zwar die Corona-Krise eindämmen.
“Eine Impfung gegen CO₂ wird es allerdings niemals geben. Somit benötigen wir Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, die analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandemie-Bekämpfung sind.”
Und auch die Grünen um Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock haben große Pläne im Fall einer wie auch immer mit ihnen gearteten Regierungskoalition. Geplant sind ein “Klimaschutzministerium” und eine “Klima-Taskforce”, die wöchentlich tagen und Abstimmungsprozesse beschleunigen soll. Weiteres Ziel sei auch eine transatlantische Klimapartnerschaft von EU und USA, um etwa im internationalen Handel mit Emissionszertifikaten für Kohlenstoffdioxid einen Mindestpreis zu fixieren. Doch bereits die aktuelle Bundesregierung hat noch kurz vor Toresschluss ein Gesetz erlassen, das Häuslebauer ab Mai 2022 zur Anbringung von Solaranlagen auf dem Dach zwingt – während VW Currywurst und Co. bereits letzte Woche aus den Kantinen verbannt hat.
Nach den Erfahrungen der letzten eineinhalb Jahre ist es dann nur noch ein kurzer Weg zu weiteren Tempolimits, unbezahlbaren Sprit-, Flug und Fleischpreisen sowie autofreien Innenstädten. Die deutsche Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft sowie das Land der großen Denker von Kant bis Nietzsche werden dann aber ebenfalls und endgültig der Vergangenheit angehören – Deutschland wird noch mehr voller Konformisten und Mitläufer sein, die gerne nach unten treten und von oben Befehle befolgen, wie es Heinrich Mann in seinem Roman “Der Untertan” kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs hervorragend beschrieben hat – das große Ende gut 30 Jahre später ist bekannt.