Xavier Naidoo mit "Anonymous" auf einer Demonstration am 3. Oktober 2014 in Berlin
von Günther Strauß
Angespannte Stimmung herrschte am gestrigen Mittwoch im Rat der Stadt Rostock vor der entscheidenden Sitzung über das von den drei linken Fraktionen SPD, Grüne und Linke auf den Weg gebrachte Auftrittsverbot für die Soul-Ikone Xavier Naidoo in der Rostocker Stadthalle.
Die Debatte war notwendig geworden, weil der parteilose dänische Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen sein Veto gegen die Entscheidung der Bürgerschaft eingelegt und damit ein starkes Zeichen für den Schutz der Grundrechte gesetzt hatte. Ähnliche Auseinandersetzungen um ein geplantes Naidoo-Konzert wie in der mecklenburgischen Hansestadt gibt es derzeit auch in Berlin.
Kein Veranstalter oder Künstler, so Madsen, dürfe ausgeschlossen werden, weil der Vermieter dessen politische Ansichten nicht teile – wenn Rostock dieses Prinzip nicht mehr verteidige, werde sich ein solches Handeln irgendwann einmal gegen die Stadt selbst wenden. Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern bestärkte in einem in dieser Woche eingegangenen Rechtsgutachten die Haltung Madsens.
Entsprechend giftig fielen die Reaktionen der linken Fraktionen auf diese Entwicklung aus. Man konnte es hier schlicht fassen, dass es irgendwo noch jemanden gibt, der sich ihren grenzenlosen Zensuransinnen widersetzt. Die Linken-Stadträtin Eva-Maria Kröger ätzte:
„Es ist wichtig, jetzt nicht den Kopf einzuziehen und auch nicht vor der Kritik zurückzuschrecken, sondern dem Mann die Stirn zu bieten.“
Die SPD-Rednerin Anke Knitter gab sogar ganz offen zu, dass auf die Stadtkasse möglicherweise Schadensersatzforderungen zukommen könnten, wenn man dem Soul-Sänger die schon fest zugesagte Halle verweigere. Das alles sei jedoch zu vernachlässigen, da der Schaden, den die Gesellschaft im Falle eines Auftritts Naidoos nehme, noch größer sei.
Was für eine verquere Auffassung dieser SPD-Politikerin! Nach dieser Logik ist das gesellschaftliche Leben nur dann intakt, wenn es sich unter der Knute einer totalen politischen und künstlerischen Zensur befindet – Erich Mielke hätte seine pure Freude an einem solchen Freiheitsverständnis gehabt.
Schließlich kündigte Uwe Flachsmeyer eine Enthaltung der von ihm geführten Grünen-Fraktion an – allerdings nicht, um die Grundrechte Andersdenkender zu verteidigen, sondern nur, um einen möglicherweise langjährigen Rechtsstreit zwischen dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat zu verhindern.
Linke und SPD hielten aber an ihrem Antrag für ein Auftrittsverbot fest. Diesem stimmten am Ende 20 Mitglieder des Stadtrats zu, 20 stimmten dagegen, während die fünf Grünen-Abgeordneten sich enthielten. Mit dem denkbar knappsten Ergebnis wurde damit die schon beschlossene Ausladung Naidoos aus Rostock wieder zurückgenommen.
Bei so manchem Beobachter rief der Debattenverlauf in der gestrigen Sitzung nur noch Kopfschütteln hervor. Daniel Peters, der Vorsitzende der Fraktion aus CDU und den Unabhängigen Bürgern für Rostock (UFR), resümierte:
„Bei manchem Satz habe ich mich gefragt, ob ich mich im SED-Politbüro wiederfinde. So wird man wohl zu dieser Zeit über die ein oder andere künstlerische Einlassung gesprochen haben.“
Wie wahr! Um auch die ganze Palette linker Polit-Folklore abzuspulen, stellten die Grünen, die damit offensichtlich ihre vorherigen Enthaltungen wieder gut machen wollten, noch einen Antrag für Weltoffenheit und Vielfalt, der dann aber auch keine Mehrheit fand. Dem Auftritt Xavier Naidoos in Rostock, der laut Medienangaben vermutlich 2022 stattfinden wird, sollte nun nichts mehr im Weg stehen.