Er schwamm in der kommunistischen Diktatur gegen den Strom und tut es immer noch. Viktor Orban ist heute die größte Hoffnung für Mitteleuropa – und der Gottseibeiuns für die Verräter der abendländischen Werte von Soros bis Merkel. Dabei war sein Weg alles andere als geradlinig. Wie Viktor Orban gegen die Regenbogen-Lobby kämpft, lesen Sie in unserer August-Ausgabe mit dem Titelthema «Die schwule Republik». Hier mehr erfahren.
Der Atem des ungarischen Soldaten, der das mit scharfer Munition geladene Maschinengewehr an sich drückte, bildete Wölkchen in dieser frostklaren Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981. Keiner aus der Truppe fand Schlaf in den eiskalten Zelten, einige Rekruten löffelten eine Konserve aus. Selbst der eine oder andere Offizier konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken.
Am nächsten Tag würden sie wohl in Polen einmarschieren müssen, um dem kommunistischen Parteichef Wojciech Jaruzelski dabei zu helfen, die von der oppositionellen Gewerkschaft Solidarnosc organisierten Massenproteste niederzuwerfen. Viktor Orban, damals junger Wehrdienstleistender, hatte sich im Winter 1981 in der Kasernenbibliothek Bücher der französischen Existenzialisten ausgeliehen. Wie er später in einem Interview äußerte, wollte er sich Rat holen, was einem noch bleibt, «wenn man in eine absurde, extreme Situation gerät».
Der stramme Antikommunist Orban mit Bundeskanzler Hemlut Kohl 2002 bei einer Wahlkampfveranstaltung seiner Fidesz-Partei. Foto: picture-alliance / dpa
Am Ende rückten die ungarischen Soldaten damals nicht von ihren Aufmarschstellungen aus. Doch in Orban war etwas zerbrochen. Er wurde zu einem Rebellen – und zu einem eisenharten Kämpfer. Er prügelte sich mit seinen Offizieren, die steckten ihn im Gegenzug ins Gefängnis. Drei Mal versuchte der kommunistische Staatssicherheitsdienst erfolglos, ihn zu rekrutieren – zähmen konnten sie ihn nicht mehr.
Geboren wurde Orban am 31. Mai 1963 in Szekesfehervar, der alten ungarischen Königs- und Bischofsstadt, wo man auf Schritt und Tritt mit der großen Vergangenheit des Landes verbunden ist. Später zogen seine Eltern aufs Land nach Felcsut, einer Gemeinde mit knapp 2.000 Einwohnern, in der sie in einem kleinen Haus am Rand des Dorfes wohnten. Die Familie – Vater Gyözö ist loyales Parteimitglied – musste kämpfen, um über die Runden zu kommen. Viktor wurde auf die Maisfelder der wohlhabenderen Nachbarn geschickt, um dort die abgebrochenen Kolben aufzulesen.
Am liebsten hielt er sich bei Großvater Mihaly auf. Der war – wie viele Ungarn auf dem Land – kein Freund der Roten, auch wenn der «Gulaschkommunismus» des obersten Genossen Janos Kadar vergleichsweise mild war. Zu stark war noch die Erinnerung an dessen Rolle während des Volksaufstands im Jahr 1956, als er hinter dem Rücken der kommunistischen Reformregierung die Sowjets um militärische Hilfe ersuchte.
Der kleine Viktor saugte alles auf, was ihm sein Großvater erzählte. Zu einem Antikommunisten wurde er aber erst in seiner Armeezeit. Es war ein Glücksfall, dass er nach dem Ableisten seiner Wehrpflicht in Budapest in genau das Studentenwohnheim einzog, das von seinen Bewohnern schon 1983 nach Istvan Bibo, einem der hellsten Köpfe der 1956er-Regierung, umbenannt wurde. Hier herrschte schon in den 1980er Jahren ein ausgeprägter Geist der Dissidenz.
Viktor Orban als junger Parlamentarier, 1997. Foto: Rita Molnár, CC BY-SA 2.5, Wikimedia Commons
Viktor lässt sich die Haare lang wachsen, hört die Untergrundmusik der Budapester Alternativrockszene und liest Arthur Koestler und Franz Kafka, damals die Kultautoren für die osteuropäische oppositionelle Intelligenz. Aufmerksam registriert er, dass in Polen die Zerschlagung der Solidarnosc trotz Verhängung des Kriegsrechts nicht gelingen will. Er will handeln.
Am 30. März 1988 gründet er mit 36 Mitstreitern den Bund junger Demokraten. Nach außen hin tritt die Gruppe unter dem Akronym Fidesz auf. Es ist eine der ersten Organisationen im Ostblock, die völlig unabhängig von allen kommunistischen Staatsorganen agiert. Es kommt zu Vorladungen durch Staatsanwaltschaft und Polizei, doch die Aktivisten lassen sich nicht einschüchtern. Als am 19. August 1989 in der Grenzstadt Sopron der Eiserne Vorhang reißt und während des sogenannten paneuropäischen Picknicks mehr als 600 DDR-Bürger nach Österreich flüchten können, kümmern sich Mitglieder des Bundes um die lokale Organisation.
Schon zwei Monate zuvor hatte ein Fidesz-Aktivist, der in Jeans, mit langer Mähne und struppigem Bart zu einer riesigen Menschenmenge auf dem Budapester Heldenplatz geredet hatte, die Aufmerksamkeit ganz Europas erregt. Anlass war die Umbettung des früheren ungarischen Ministerpräsidenten Imre Nagy sowie seiner Mitstreiter am 16. Juni 1989. Nagy war nach einem Geheimprozess in Rumänien im Jahr 1958 hingerichtet, mit Säure übergossen und im Budapester Zoo an einer Stelle verscharrt worden, an der man sonst die Tierkadaver ablegte.
An seinem Sarg forderte Viktor Orban in einer siebenminütigen Rede den Abzug der russischen Besatzungsmacht aus seinem Land. Selbst bei osteuropäischen Oppositionellen und westlichen Regierungen löste das damals schlicht Entsetzen aus. Ging dieser Rocker, der vorgab, im Namen der ungarischen Jugend zu sprechen, nicht doch zu weit?
Doch Orban kannte die Seele seiner Landsleute besser als seine Kritiker. Der Wille zum aufrechten Handeln im Sinne der nationalen Tradition ist in Ungarn allemal stärker als die warnende innere Stimme der Vernunft. Es dauerte kein Jahr mehr, da eroberte Fidesz bei den Wahlen vom 25. März 1990 auf Anhieb 22 Parlamentssitze.
Tradition und Zukunft: Kinder feiern Ostern in Holloko, einem Ort östlich von Budapest. Foto: picture alliance / REUTERS
Orban gab für einige Zeit den marktradikalen Yuppie, der die Vertreter des alten Systems hemmungslos verspottete. Er zählte dann aber auch zu den ersten osteuropäischen Politikern, bei denen Zweifel am westlichen Modell aufkamen. Als ihm der Milliardär George Soros – damals noch sein Förderer – bei einem Mittagessen im April 1993 erklärt, dass Europa alles ablehne, was christlich, traditionell oder national sei, der Faschismus die größte Gefahr für Ungarn darstelle und die Fidesz eine Koalition mit den Sozialisten eingehen müsse, bleibt Orban reserviert.
Soros wollte, dass Fidesz eine Koalition mit den Sozialisten eingeht.
Er beginnt, seine Partei auf einen nationalliberalen Kurs zu führen. Zum erfolgreichsten osteuropäischen Politiker seiner Generation konnte er aber nur werden, weil er aus den krachenden Niederlagen, die er einstecken muss, lernt. Nach der Katastrophe der Wahl 1994 – seine Partei fliegt beinahe aus dem Parlament und holt nur sieben Prozent der Stimmen –, bricht er mit seinem sterilen Antikommunismus.
Er sieht ein, dass er seine Bewegung mit den Millionen Ungarn versöhnen muss, die sich mit dem Gulaschkommunismus arrangiert hatten und dennoch anständig geblieben waren. Als er 2002 überraschend nach einer ersten vierjährigen Amtsperiode als Ministerpräsident abgewählt wird, begreift er, dass es nicht reicht, sich seinen Landsleuten als Politiker zu präsentieren, der Ungarn lediglich in die westlichen Bündnissysteme NATO und EU führt.
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➡️ Stolz und Vorurteil, Gratismut und Hass – Brüssel gegen Budapest: «Die Zahl der EU-Mitgliedsländer, die die Provokationen von Ungarn nicht weiter tolerieren möchten, werden immer zahlreicher», freute sich kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Aber von wem gehen die Provokationen eigentlich aus? Ein Beitrag von Mariann Öry, Redakteurin der Tageszeitung Magyar Hirlap.
➡️ «Die Linke ist der Feind der Freiheit» – O-Ton von Viktor Orban: Der ungarische Ministerpräsident antwortete in harscher Form auf die Angriffe der von ihm als «Regenbogenländer» titulierten Mehrheit der Europäischen Union.
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