Mit CETA erhoffen sich die internationalen Energiekonzerne eine Möglichkeit, aus Nordamerika mit Fracking gefördertes Erdgas zu importieren. Vergangene Woche stimmte das EU-Parlament den besonders umweltschädlichen Importen zu.
In der vergangenen Woche beschloss das EU-Parlament mit den Stimmen der Konservativen und der Sozialdemokraten eine neue Energiestrategie. Die heimliche „Große Koalition“ in Brüssel nahm den „Bericht zur EU Strategie für Flüssigerdgas und die Speicherung von Gas“ an. Darin heißt es unmissverständlich, dass die Freihandelsabkommen TTIP und CETA wichtige Bausteine für die Energiepolitik sind.
Das Europäische Parlament betont, dass das Kapitel über Energie und Rohstoffe in der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft von Bedeutung für die Energieversorgungssicherheit der EU sind.
Wir begrüßen die Arbeit der Kommission im Hinblick auf die Abschaffung der Beschränkungen der Ausfuhr von Gas aus den USA in die EU.
Das EU-Parlament vertritt die Auffassung, dass die zusätzlichen 12,2 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, die dem Markt 2016 über das Sabine-Pass-Terminal für Flüssigerdgas an der Ostküste der USA zugeführt worden sind, und auch die weiteren Kapazitäten mit einem Volumen von 74 Milliarden Kubikmetern, die durch mehrere Projekte der USA bis 2020 hinzukommen können, eine bedeutende Chance für Europa dafür bieten, die Beziehungen zu den USA im Bereich Energiehandel zu vertiefen.
Das EU-Parlament ist der Ansicht, dass sich im Zuge des Abschlusses der Arbeiten am Kapitel Energie und Rohstoffe der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft deutlich mehr Optionen für die EU in Sachen Gasversorgung ergeben.
Mit der Entscheidung legalisiert die Mehrheit der EU-Abgeordneten nun eine Strategie, welche die USA und ein Teil der Brüsseler Energiepolitiker bereits seit mindestens 2014 verfolgen. Damals hieß es, dass die Energieversorgung durch russische Unternehmen nicht mehr sicher sei. Stattdessen solle man den in den USA aktiven Unternehmen das Erdgas abnehmen, dass dort mithilfe der besonders umweltschädlichen Fracking-Technologie gewonnen wird.
Die NGO Food & Water Europe nennt den Beschluss „beunruhigend“. Nur wenige Tage bevor das Pariser Klimaschutzabkommen in Kraft tritt, begrüße die EU „den Import von gefracktem US-Gas“.
Das in Nordamerika verflüssigte Erdgas (LNG) sorgt dort für einen „signifikanten Anteil an den globalen Methan-Emissionen“, warnt etwa Andy Gheorghiu im Gespräch mit RT Deutsch. Dies liege an der Fördermethode, bei der große Fläche von Gesteinsschichten aufgebrochen werden. Daher treten beim Fracking große Mengen an klimaschädlichen Gasen aus dem Boden.
„Zwei Drittel des Erdgases in den USA werden durch Fracking gewonnen. Während mehrere EU-Mitgliedstaaten Fracking-Moratorien oder Verbote eingeführt haben, ist es zynisch, gleichzeitig auf den Import von gefracktem Gas zu drängen“, so Andy Gheorghiu. „Wir brauchen jetzt - sowohl auf der EU-Ebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten - ein klares Bekenntnis für den Übergang in eine postfossile Zukunft.“
Auch die Opposition greift den geopolitisch motivierten Entscheid an. Die deutsche Abgeordnete Cornelia Ernst meint, dass die EU-Strategie in „eine völlig falsche Richtung“ läuft. Sie stellt das Projekt auch volkswirtschaftlich in Frage:
„Es wird geplant, EU-Gelder in den Ausbau der Flüssiggasterminals und Gaspipelines zu stecken, vor allen Dingen aus der Connecting Europe Facility und den Strukturfonds. Heute liegt die Nachfrage nach Gas in der EU mit 23 Prozent unter ihrem Höchststand von 2010. Wenn nun verstärkt in Flüssiggas investiert wird, schafft sich die EU eine Infrastruktur an, die sie nicht braucht, und die von allen Steuerzahlern bezahlt werden muss.“
Die energiepolitische Sprecherin der verschiedenen Linken-Fraktionen in Brüssel weist darauf hin, dass die Europäischen Kommission die Gas-Nachfrage seit vielen Jahren überbewertet. So habe man sei 2003 die Vorhersagen immer wieder nach unten korrigieren müssen. Cornelia Ernst fordert, dass die EU-Gelder ausgegeben werden, um Treibhausgase zu reduzieren.
Das fordern auch die verschiedenen NGO aus dem Umweltbereich. Sie weisen etwa darauf hin, dass Deutschland zwar lauthals Umweltfreundlichkeit predige. In der Sache bleibt die Bundesrepublik einer der größten Verbrennungsmotoren in Europa.
„Schon die Klimaziele für 2020 wird die Bundesrepublik nach jetzigem Stand verfehlen“, erklärt Viviane Raddatz, Klimaexpertin der Umweltschutzorganisation WWF.
In den nächsten drei Jahren müssten weitere 158 Millionen Tonnen Treibhausgas eingespart werden, um den Misserfolg abzuwenden. Das sei eine „enorme Menge“. Und es ist nur ein Zwischenschritt: Bis 2050 will und muss Deutschland nach den Vorgaben des 2015 in Paris beschlossenen UN-Klimavertrags 80 bis 95 Prozent weniger CO2 ausstoßen.
Gegen eine fortschrittliche Ressourcenpolitik arbeitet in Deutschland eine Allianz aus Energiekonzernen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und „wirtschaftsnahen“ Politikern. Sie lamentieren über angebliche Arbeitsplatzverluste, warnen vor steigenden Stromkosten und Wettbewerbsproblemen für die Industrie. Im vergangenen Jahr stammten immerhin 40 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung aus Kohlekraftwerken.
Während in Europa gejammert und blockiert wird, hat eine der größten Volkswirtschaften der Welt längst die Handbremse gelöst. Die Volksrepublik China befindet sich mitten im Umbau hin zu regenerativen Energien. Nirgendwo auf der Welt steigt der Anteil von Solarenergie schneller. Das Land hat allein im Rahmen des letzten Fünfjahresplans von 2010 bis 2015 seine CO2-Intensität um 20 Prozent gesenkt.
In dieser Woche erklärte Li Lailai, Chinas Verantwortlicher für das World Resources Institute, dass sein Land wachsenden Druck verspürt, die Verschmutzung zu verringern. Gegen die sinkende Wirtschaftskraft lautet die chinesische Strategie: Investitionen in neue Technologien und intensivere Nutzung der vorhandenen Ressourcen.