Sichert die Corona-Krise der Union das Kanzleramt? Noch vor wenigen Wochen wäre laut Umfragen demnächst ein grüner Regierungschef denkbar gewesen. Doch in Zeiten von Covid-19 haben Merkel, Spahn und Söder – mit dem Herrschaftsbonus im Rücken – die Öko-Partei auf die Plätze verwiesen. Freuen darf man sich darüber nicht, wie Gertrud Höhler verdeutlicht.
Acht Jahre nach ihrem Bestseller-Erfolg Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut hat die bekannte Unternehmensberaterin und Publizistin mit Angela Merkel – das Requiem vor Kurzem ein neues Buch über die Kanzlerin veröffentlicht. Darin zieht sie eine Bilanz, die so negativ ausfällt wie der Corona-Test von Merkel.
Deren fast 15 Jahre Kanzlerschaft hätten in Deutschland tiefe Spuren hinterlassen: Als Symbolpolitikerin habe sie außenpolitisch stets humanitäre Botschaften verkündet, während sie das politische Koordinatensystem in der Bundesrepublik immer weiter nach links verschoben und eine konservative Bastion nach der anderen (zum Beispiel Wehrpflicht, Atomkraft, Energiesicherheit, Ehe als Verbindung von Mann und Frau) geschleift habe, stellt Höhler fest.
Der traurige Höhepunkt ihrer destruktiven Politik sei schließlich die Asylkrise 2015/16 gewesen. Damit habe Merkel Deutschland an den Abgrund geführt, so die Autorin. Das Land gehe enorm geschwächt aus dem Stresstest der Ära Merkel hervor.
Höhlers luzides Merkel-Bashing liest sich erfrischend, ihre Rundumschläge sind knallhart. Ein Beispiel:
„Angela vom anderen Stern. Merkel, der Superstar, der alle Starklischees überwand. Die absurde Karriere einer hoffnungslos überschätzten Dilettantin, die aus jedem Handicap einen Glamourfaktor machte. Ihr Spitzenplatz in US-Rankings der Topmagazine wurde zum Abonnement über Jahre. Ihre Rechtsverstöße mehrten ihren Ruhm. Jeder ihrer spektakulären Regelbrüche wurde unter Merkels Deutungsanweisung zum humanitären, ökologischen oder friedensstiftenden Sieg erklärt. Das Talent der Laien-Politikerin führte sie im politischen globalen Business auf den idealen Platz: zur Symbolpolitik.“ Das sitzt!
Höhlers Kernthese: Angela Merkel geriere sich quasi stellvertretend für Deutschland in humanitären und umweltpolitischen Fragen als Vorreiterin, um das kollektive Schuldtrauma aus zwei Weltkriegen zu überwinden. Dies untermauert die Autorin unter anderem mit Zitaten der Kanzlerin, die nichts anderes vermuten lassen. Sie geht aber noch weiter: Merkels Aufstieg von einer regimetreuen FDJ-Funktionärin zur Kanzlerin sei nur möglich gewesen, weil sich die Deutschen immer noch im Banne von Hitler und dem Holocaust befänden. Das Volk sei dabei nach wie vor für Größenwahn empfänglich – wenn er denn nur im gutmenschlichen Gewand auftritt.
Der Blog Achse des Guten schreibt zu Höhlers Abrechnung: „Die Professorin kontert Merkels eher schlichte Sprache mit enormer Wortgewalt, da rollt jeder Satz wie eine Lawine zu Tale und erschlägt die paar triftigen Gedanken, die unterwegs aufkreuzen.“ Und das Handelsblatt notiert: „Höhler prügelt an einigen Stellen verbal derart heftig auf Merkel ein, dass der Leser den Eindruck gewinnt, es gehe hier um eine persönliche Fehde.“
Tatsächlich sind es mehr als ein „paar triftige Gedanken“, die die Autorin zu bieten hat – und auch die Verve, mit der sie ihre Standpunkte vorträgt, ist berechtigt. Ihr Buch Angela Merkel – das Requiem besticht durch analytischen Scharfsinn, den die Literaturwissenschaftlerin mit geschliffener Sprache und inbrünstiger Lust am Austeilen kombiniert. Für Sensibelchen und dröge Buchhaltertypen mag das empörend oder zu anstrengend sein, alle anderen dürften ihre helle Freude an Gertrud Höhlers Buch über „das Mädchen aus Mangelland“ mit der „Aura einer Schlafwagenschaffnerin“ haben.