In ihrer Rede zur Corona-Krise äußerte Kanzlerin Angela Merkel, dass es „die Richtschnur all unseres Handelns“ bleibe, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, bis ein Medikament oder ein Impfstoff gegen die neue Infektionskrankheit entwickelt worden sei. Das öffentliche Leben müsse deshalb „mit Vernunft und Augenmaß“ heruntergefahren werden. Doch auch die heutige Rede der Kanzlerin kann nur wenig an dem Eindruck ändern, dass sie eine Politikerin auf Abruf ist und andere Kräfte die Zügel übernehmen.
Merkels Ansprache bot erwartungsgemäß nur wenige politische Aufhänger, da sie sich um das derzeit alles überragende Thema der öffentlichen Gesundheit drehte. Die Kanzlerin kritisierte Hamsterkäufe als „sinnlos und letztlich vollkommen unsolidarisch“. Blieben die Regale im Supermarkt einmal einen Tag leer, „so werden sie nachgefüllt“. Die Einschränkungen beim Reiseverkehr bedauerte Merkel, schließlich wären diese „für jemanden wie mich […] ein schwer erkämpftes Recht.“ Die Bundesregierung werde alles tun, um wirtschaftliche Härten abzufedern und Arbeitsplätze zu sichern.
„Grenzen dicht“ ist nun plötzlich möglich
Wichtig sei es momentan, „kaum noch Kontakte zu den ganz Alten“ zu haben, weil sie eben besonders gefährdet seien. „Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge“, so Merkel weiter. „Skypen, Telefonate, Mails und vielleicht mal wieder Briefe schreiben“, wären nun die besten Möglichkeiten, um miteinander in Kontakt zu bleiben. Das alles sei nötig, da es seit dem Zweiten Weltkrieg „keine Herausforderung an unser Land mehr“ gab, „bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt“.
Insgesamt war Merkels Rede – dem Thema entsprechend – natürlich weitgehend überraschungsfrei und glich beinahe eher einer der täglichen Stellungnahmen des Robert-Koch-Instituts. Dem Zuhörer drängte sich natürlich fast schon von alleine die Frage auf, warum nun eine Abriegelung Deutschlands doch möglich ist, obwohl diese doch angeblich – so vor einigen Jahren noch Merkels Stellungnahme während der Asylkrise – prinzipiell nicht geleistet werden kann, da es nicht möglich sei, Grenzen zu schützen.
Söder und Spahn stehen längst im Vordergrund
Gerade aus diesem Grund wirkte Merkels Rede, an der es für sich genommen nur wenig auszusetzen gibt, dann aber wieder nur wenig überzeugend. Es dürfte keinen weiteren deutschen Politiker geben, der mit seinen Entscheidungen so viel zur Spaltung des Landes in den vergangenen Jahren beigetragen hat wie sie und der nun plötzlich an die innere Geschlossenheit appellieren muss.
Selbstkritik war in dieser Rede von Merkel natürlich nicht zu erwarten, man wird allerdings mit dem Hallenser Virologen Alexander Kekulé feststellen dürfen, dass es schon im Januar unerlässlich gewesen wäre, Einreisesperren aus China einzuführen – Länder wie Singapur oder Taiwan haben es mit derartigen Maßnahmen geschafft, die Zahl der Neuinfektionen auf eine vergleichsweise winzige Zahl zu begrenzen.
Auch nach dieser Rede bleibt der Eindruck, dass Merkel im Grunde genommen jetzt schon eine Art Platzhalterin für ihren Nachfolger ist, der im nächsten Jahr gewählt werden wird. Als die starken Männer in den Unionsparteien, die jetzt das Heft in die Hand nehmen, präsentieren sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Gut möglich, dass Merkel ihnen derzeit auch weitgehend das Feld überlässt, um eine mögliche Wahl ihres Erzkonkurrenten Friedrich Merz, der mittlerweile bekanntgegeben hat, mit dem Coronavirus infiziert zu sein, zum CDU-Parteivorsitzenden doch noch zu verhindern.