Die deutschen Medien zeigen sich unzufrieden mit den Ergebnissen, die Außenminister Steinmeier aus Russland mitbrachte. Dass die deutsche Außenpolitik in Moskau nicht ganz ernst genommen wird, dürfte allerdings vor allem selbstverschuldet sein.
von Malte Daniljuk
Die deutschen Leitmedien sind empört: „Russland lässt Steinmeier abblitzen.“ Dabei habe der deutsche Außenminister doch nur das Beste im Sinn gehabt, nämlich ein bisschen humanitäre Hilfe für die eingeschlossene Bevölkerung in Aleppo. Dort wurden die vom Westen unterstützten islamistischen Söldner gerade von der syrischen Armee eingekesselt.
Wie es dazu kommen konnte, berichtet heute noch einmal die NZZ. Seit dem Jahr 2012 lieferten westliche Geheimdienste, die Türkei und die Golfstaaten Waffen im Wert von mindestens 1,2 Milliarden Dollar an die Anti-Assad-Söldner in Syrien. Immer wieder hatte das russische Außenministerium an den Westen appelliert, die Unterstützung für die Terroristen in Syrien einzustellen.
Natürlich wurden diese Forderungen souverän ignoriert. Inzwischen ist Syrien komplett zerstört. Die Hälfte der Bevölkerung befindet sich auf der Flucht. Aber siehe da: Kaum geraten die islamistischen Söldner in der strategisch entscheidenden Stadt Aleppo militärisch ins Hintertreffen, entdeckt der Westen überraschend seine humanitären Verpflichtungen in Syrien.
„Die humanitäre Situation in Aleppo ist katastrophal. Das kann und darf so nicht weitergehen.“
Die Regierungssprecher beim ZDF kolportieren:
„Dem deutschen Außenminister brennt wie der ganzen Bundesregierung die verzweifelte Lage in der syrischen Stadt Aleppo auf den Nägeln.“
Der russische Außenminister antwortete darauf mit dem leider begründeten Hinweis, bei jeder humanitären Aktion müsse sichergestellt werden, dass „Hilfsgüter“ nicht in die Hände von Terroristen fallen. Immerhin fielen „Hilfsgüter“ des Westens jahrelang in den von militanten Islamisten kontrollierten Gebieten vom Himmel. Anschließend werden die dort enthaltenen Waffen – Made in US, France and Germany – von der syrischen Armee in den Depots des IS und bei al-Nusra entdeckt.
Erst als der russische Präsident Putin auf dem G20-Gipfel in Antalya mit den Überweisungsbelegen „aus über 40 Ländern, darunter mehrere G20-Mitglieder“ wedelte, aus denen die Terroristen in Syrien unterstützt werden, bemüßigte man sich im Westen, zumindest symbolisch etwas gegen die Einkommensquellen des IS zu unternehmen. Die verdeckten Waffenlieferungen laufen selbstverständlich weiter, wie die Financial Times erst letzte Woche berichtete.
Auch wenn die Bundesregierung nicht an erster Stelle zu nennen ist, was die Unterstützung der Terroristen und Söldner in Syrien betrifft, sickerte doch bisher nicht durch, dass Außenminister Steinmeier in den letzten Jahren seinen Kollegen aus den USA, Großbritannien und Frankreich einmal bedeutet hätte, was deren Politik in Syrien an humanitären Folgen zeitigte. Ein beherztes: „Das kann und darf so nicht weitergehen“ wäre seit 2012 unzählige Mal überfällig gewesen.
Aber als es vor den Verhandlungen in Genf darum ging, die Verbündeten des Westens in Syrien als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich Terroristen, da hatte der deutsche Außenminister sein Herz für die Kopfabschneider von Ahrar-al-Sham entdeckt. Nur zur Erinnerung: Die heute von Steinmeier geforderte Waffenruhe hatten die von ihm benannten islamistischen „Verhandlungspartner“ erst vor wenigen Wochen platzen lassen.
Um es kurz zu machen: Die deutsche Außenpolitik hat in den letzten Jahren nicht gerade damit geglänzt, die humanitäre Situation der Syrerinnen und Syrer zu gewährleisten, notfalls auch gegen die Interessen ihrer NATO-Partner. Dass der deutsche Außenminister sich nun plötzlich als Samariter inszeniert, dürfte in Moskau eher auf Irritation gestoßen sein. Sergej Lawrow beschied den deutschen Kollegen denn auch, dass man sich nun „mit den Amerikanern über das Vorgehen in Syrien“ abstimme.
Selbst beim Thema Ukraine scheint das inzwischen mehr Erfolg zu versprechen. Angesichts des offen terroristischen Vorgehens gegen die Krim ermahnte US-Vizepräsident Joe Biden die Regierung in Kiew zu „mehr Zurückhaltung“ und forderte Poroschenko auf, dieser müsse „seinen Teil tun“, um eine Eskalation der Lage zu verhindern.
Dabei agiert Biden keineswegs im luftleeren Raum. Das gesamte außenpolitische Establishment der USA – vom Atlantic Council bis Foreign Policy – diskutiert seit Monaten die unglaubliche Korruption und den nationalistischen Wahn der Poroschenko-Regierung. Die moralische Verkommenheit der nach dem Putsch vom Februar 2014 eingesetzten Machthaber erweist sich inzwischen als dysfunktional für westliche Interessen.
In Berlin übt man sich unterdessen in Nibelungen-Treue. Hier ist kein Wort der Kritik an der ukrainischen Regierung zu hören. Gerade erst haben sich der deutsche Außenminister und Federica Mogherini auf die Redewendung geeinigt, Moskau müsse erst die „Minsk-Vereinbarungen vollständig erfüllen“, bevor die EU ihre Sanktionen aufhebt. Zwar ist die Russische Föderation in der Ukraine keineswegs am inneren Konflikt beteiligt, Russland sitzt im Gegenteil zusammen mit Deutschland und Frankreich als Garantiemacht des Abkommens am Tisch.
Aber der SPD-Außenminister fabuliert öffentlich über angebliche russische Verfehlungen, obwohl jeder Laie unschwer erkennen kann, dass die Regierung der Ukraine eine Umsetzung von Minsk 2 blockiert.
Wie die Verhältnisse in der einstigen Arbeiterpartei liegen, demonstrierte vor kurzem Erhard Eppler. Einen sehr lesenswerten Text unter dem Titel „Wider die Spaltung Europas: Für eine neue Verständigung mit Russland“ veröffentlichte er ausdrücklich als Privatperson und nicht als SPD-Mitglied. Seine Genossen Steinmeier und Erler halten unterdessen brav transatlantische Redewendungen in die Luft. Ob die SPD mit diesem außenpolitischen Kurs im nächsten Jahr die Wahlen gewinnt?