Denn dass UN-Generalsekretär Antonio Guterres mit ihr auf dem roten Teppich vor dem Kanzleramt die Teilnehmer begrüßten, wurde als das Bekenntnis Deutschlands zur überragenden Rolle der Vereinten Nationen als erster Adresse zur Beilegung internationaler Konflikte und vor allem zum Prinzip des Multilateralismus gewertet und von den UN-Repräsentanten auch genau so verstanden.
Und Angela Merkel betonte mehrfach, dass die Berliner Vereinbarungen durch den Weltsicherheitsrat der Uno bestätigt werden sollen, was Generalsekretär Guterres dazu veranlasste, noch einmal an das Verantwortungsgefühl aller Sicherheitsratsmitglieder zu appellieren, damit die Verletzung des Völkerrechtes und die Nichtrespektierung der Uno, die nach Ansicht von Guterres in den zurückliegenden Monaten zu beobachten gewesen sei, endlich beendet werde.
Am 15. August 2019 hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, das erste Mal über einen Weg verständigt, der zu der nun in Berlin abgehaltenen Konferenz führen sollte. Mit diversen Treffen und Konsultationen hatte die Bundesregierung diese Konferenz in den zurückliegenden Monaten vorbereitet und dabei auch für die deutsche Diplomatie eigentlich nicht verhandelbare Regeln zur Seite geschoben. Denn dass sich ein deutscher Außenminister mit einem Militärführer trifft, der nach offizieller Lesart Deutschlands ein Rebellenführer ist, der die legitime und von Berlin anerkannte Regierung bekämpft und daher nicht durch Kontakte aufgewertet werden soll, wäre vor einem Jahr nur schwer vorstellbar gewesen.
Aber der letzte Anstoß für eine Kursänderung war wohl der Besuch der Bundeskanzlerin in Moskau vor wenigen Tagen, bei der ihr klar geworden zu sein scheint, dass ohne die Unterstützung der russischen Regierung die Berliner Konferenz genauso enden könnte wie der Versuch der russischen und türkischen Regierungen, einen Waffenstillstand auszuhandeln. Deshalb wurde von praktisch allen Beobachtern bereits die Anwesenheit aller relevanten Kräfte, die einen Frieden in Libyen mit herbeiführen oder ihn sabotieren können, im Internationalen Konferenzsaal des Bundeskanzleramtes als ein Wert an sich charakterisiert.
Die beiden wichtigsten Vertreter Libyens, der international anerkannte Regierungschef Fayiz as-Sarradsch und sein Kontrahent General Chalifa Haftar nahmen an der Konferenz in einer Art virtueller Form teil. Denn sie waren, in jeweils unterschiedlichen Räumlichkeiten, dem Geschehen im Großen Saal zugeschaltet, aber hatten keinen direkten Kontakt. Den hatten zuvor diverse andere Politiker teilnehmender Länder.
Vielleicht war diese Strategie erfolgreich, vielleicht haben die Konfliktparteien und ihre jeweiligen Garanten und Unterstützer auch „nur“ erkannt, dass in der gegenwärtigen Situation kein militärisch eindeutiger Sieg herbeizuführen ist und von der prä-anarchischen Staatlichkeit Libyens alle gleichermaßen Schaden nehmen.
Als wichtiger Durchbruch wurde während der anschließenden Pressekonferenz gewertet, dass nunmehr General Haftar jene fünf Repräsentanten verbindlich benannt hat, die bislang noch fehlten, um das sogenannte 5+5 Gremium arbeitsfähig zu machen, das bislang seine Arbeit wegen der fehlenden Ansprechpartner auf Seiten der Haftar-Allianz nicht aufnehmen konnte.
Dieses Gremium soll nun in verschiedenen Teilgremien einen Waffenstillstand und einen politisch, ökonomisch und sicherheitspolitisch stabilen libyschen Staat entwerfen und etablieren. Die entsprechenden Einladungen soll der UN-Sondergesandte Salamé noch in dieser Woche verschicken, versicherte die Bundeskanzlerin.
Sie wie die gesamte deutsche Seite erhielten viel Lob von den beiden Repräsentanten der Vereinten Nationen, für ihre „enthusiastischen“ Bemühungen, diese Konferenz zu organisieren. Die Atmosphäre beschrieb die deutsche Regierungschefin als intensiv, ernsthaft und konstruktiv. Auf die Nachfrage, ob der Wille, das Waffenembargo durchzusetzen, auch bedeute, im Zweifel Sanktionen auszusprechen, verneinte die Kanzlerin ausdrücklich den Terminus „Sanktionen“, sondern erklärte, dass jedem durch die Tatsache, dass die Vertreter der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates den Berliner Vereinbarungen ausdrücklich zugestimmt haben, klar geworden sein muss, dass die Verletzung des Waffenembargos Konsequenzen haben werde, ohne diese en détail zu benennen.
Die Konferenz wurde von mehr als 800 Journalisten aus aller Welt begleitet und versetzte das Zentrum der deutschen Hauptstadt kurzzeitig in eine Hochsicherheitszone, was lästige Absperrungen und Umleitungen mit sich brachte, die von den Berlinern mit bewundernswerter Gelassenheit hingenommen wurden, obwohl sie an diesem Wochenende bereits durch Demonstrationen, ein Fußball-Bundesligaspiel und die Internationale Grüne Woche sowie den ganz normalen Touristenansturm eine Hauptstadt im Belagerungszustand erlebten.