Song wie Video geben seit Erscheinen vor etwa einem Jahr Anlass für diverse Interpretationen zu den Zuständen in Russland. Die Band gilt, da ihr Song „Straschno“ etwa bei Meetings laut gespielt wird, dennoch als politisch und unangepasst. Einige Autoren, wie vom Internetmagazin New Eastern Europe etwa, sehen in Shortparis gar gewiefte Widerständler im Jahre 20 seit Präsident Putin.
Der Clip will den Zustand eines Teils der heutigen Generation festhalten. Er sei natürlich provokativ und spielt auf einige soziale Tragödien an, die aus irgendeinem Grund bis heute nicht in unserer visuellen Kultur reflektiert worden sind, erläutern die Musiker in einem Interview.
Im Verlauf würden Trigger aufgezeigt, schmerzliche Assoziationen, gesellschaftliche Tabus, Ängste: Arabische Schriftzüge, auch wenn damit etwa Worte wie „Freundschaft” oder „Liebe” geschrieben seien, verbänden sich unweigerlich mit Terrorismus, rasierte Köpfe mit Neonazismus und so weiter. Shortparis seien paradoxerweise gleichzeitig als Nazis wie Islamisten betitelt worden. Jedoch würde nach diesem Gedankenspiel eines übrigbleiben: Der Zustand einer nicht artikulierten, aber wachsenden Alarmiertheit, die allen gemein sei, so die Band.
Womöglich hätten sie mit „Straschno“ den Soundtrack zu Russland 2019 geschrieben, eine Art Manifest, allerdings kein politisches, sondern eines der Zeit. Im Interview mit dem Webmagazin Afisha erklären die Musiker:
„Es spiegelt die Gefühle einer Generation wider, also geographisch und zeitlich gesehen…Dies ist keine Rede gegen Putin, es ist ein sozialer Clip. Was die Öffentlichkeit alles mit dem Produkt anstellt, ist cool. Aber ich weiß nicht, was Opposition damit zu tun hätte.“
Der politische Diskurs sei ihnen fremd, und wenn, dann wären sie lediglich im künstlerischen und ästhetischen Sinne radikal. Auf eine bestimmte Lesart wolle die Band sich nicht festlegen lassen, wie sie erst jüngst im Onlinemagazin Schmutz klarstellte. Sie wollen unvorhersehbar bleiben, betrachten dies als eine ihrer Stärken.
Das aktuelle Album von Shortparis, ist mit „Tak sakaljalas stal“ betitelt, was zu Deutsch „So wurde Stahl gehärtet“ heißt. Der Titel erinnert an eines der bedeutendsten Werke der Sowjet-Literatur. Aber das ist auch Kopfkino. Das Video dazu beinhaltet viele gewalttätige Szenen: Ein junger Soldat verletzt und tötet andere, um sich dann selbst qua Harakiri zu richten. Gewalt als solche sei längst Teil der heutigen Gesellschaft, so die Band. Sie präge längst Gedanken und Handlungen, die nichts mit Politik zu tun hätten, zitieren russische Medien die Musiker.
Ihnen ginge es primär um die Formensprache, so die fünf mit dem Kunstwissenschaftler Nikolaj Komjagin als Frontmann. Ein „l`art pour l`art“ gewissermaßen, also Kunst um der Kunst Willen. Die Künstler charakterisieren ihre jüngste Arbeit auf ihrer Facebookseite als Komposition aus verschiedenen heterogenen Teilen, mit einer Spannbreite vom im Metier gängigen Hochglanzstil bis hin zur Form „Protest“, der als solcher innerhalb der Popkultur selbst allerdings illusorisch sei.
Shortparis sind so Pop wie Punk, Avantgarde und Establishment gleichermaßen: Ihre Musik ist dient als musikalische Untermalung zur US-amerikanischen Serie „The O.A.“, im russischen Film „Leto“ (Sommer) über die Achtziger covern sie einen David Bowie Song, schlagen beim russischen Staatsfernsehen bei der populärsten Late-Night-Show des Landes auf und zieren mit ihren Konterfeis Magazincover. Sie spielen bei Musikfestivals und in restlos ausverkauften Clubs, im vergangenen Jahr waren sie auf Europa-Tournee. Von der internationalen Presse wird die Band als "der beste russische Live-Act" gefeiert.
Das deutsche Publikum kann sich davon einmal mehr am kommenden Sonnabend überzeugen: Die Gruppe spielt beim Dresdener Karussell-Kunstfestival, mit seinem diesjährigen Russland-Schwerpunkt. „Wir machen eine „Putin-kritische Show“, so Carina Schlewitt, Intendantin vom Europäischen Zentrum der Künste Hellerau, im Deutschlandfunk.
Ob Shortparis darüber informiert wurde, ist nicht bekannt.