Am vergangenen Wochenende feierte Schweden das traditionelle „Midsommar“- Fest. Doch nachdem die Briten über ihren Ausstieg aus der EU entschieden hatten, verbreitete sich am Montag Schlechtwetter an der Stockholmer Börse. Großbritannien war bisher immer der wichtigste Handelspartner der Schweden. Nun muss sich das kleine Land neu orientieren.
von Olga Banach
Nach Börsenschluss am Montag hatte der schwedische Index OMXSPI um 7,8 Prozentpunkte verloren. Nach der Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, diskutieren und polarisieren die Schweden über ihre Position. Während Premierminister Stefan Löfven beteuert, er halte an der europäischen Union fest, macht das rechte und kommunistische Lager in Schweden Stimmung gegen Europa und fordert ein eigenes EU-Referendum.
Löfven ließ in einer Erklärung verlauten, dass sich das Land auf Stabilität und langfristige Planungen konzentrieren müsse. Er forderte aber auch ein geeintes Europa, welches die Lasten der Flüchtlingsströme gerecht teile.
Schweden hat sich gerade mit einem neuen Immigrationsgesetz von seiner Liberalität verabschiedet. Bei einer Einwohnerzahl von 9,5 Millionen hat das Land im letzten Jahr 160.000 Asylbewerber aufgenommen. Laut der neuen Regelungen wird der Familiennachzug erschwert und den unter-25-Jährigen wird nur dann ein permanenter Aufenthalt gewährt, wenn sie über einen Schulabschluss verfügen und sich selbst versorgen können.
Morgan Johansson, Schwedens Justiz- und Migrationsministerin, warnte letzte Woche in einer hitzigen Parlamentsdebatte zum Thema Einwanderung, dass das schwedische Sozialsystem bei einer Zahl von 200.000 Asylbewerbern in diesem Jahr kollabieren könnte.
Seit der Entscheidung für den Brexit ist auch die Zahl der Briten, welche die schwedische Staatsbürgerschaft beantragen, stark angestiegen. In der letzten Woche erreichten 129 Anträge auf Einbürgerung britischer Staatsbürger die Migrationsbehörde. Dies ist ein Rekord.
Kristoffer Tamsons, der ehemalige Stabs- und Planungschef unter Staatsminister Frederik Reinfeldt, schreibt im schwedischen Tageblatt, dass durch den Brexit für Schweden die Chance auf eine Neuorientierung besteht. Schweden solle sich nun weg von England und den skandinavischen Ländern, hin zu Deutschland und den baltischen Staaten orientieren. Diese Neuorientierung sei besonders im Hinblick auf die "russische Bedrohungslage" zwingend notwendig.
Doch wächst nun das schwedische Lager der EU-Gegner. Am 27. Juni versammelten sich Anhänger der kommunistischen Partei schwedenweit, um ebenfalls ein Referendum für einen Austritt aus der EU zu fordern. Die kommunistische Partei Schwedens richtet sich an die Arbeiter, die sich von der "Geißel der EU" befreien wollen.
Jens Halldin von der kommunistischen Partei Schwedens merkt an:
„Im Gegensatz zu Großbritannien ist sich die schwedische Elite in der Unterstützung der EU eins. Sie werden alles tun, um die Schweden mundtot zu machen und ihre Interessen durchzusetzen.“
Ulf Kristersson, ökonomisch-politischer Sprecher der Moderaten Partei Schwedens, sieht keinen Spielraum für einen Svexit und spricht sich gegen eine Hysterie in der Debatte um Europa aus.
Jimmie Akesson von den rechtsgerichteten Schwedendemokraten sieht im Brexit eine Chance für sein Land:
„Die britischen Bürger haben gezeigt, dass eine EU-Mitgliedschaften neu überdacht werden kann. Die derzeitige Entwicklung in Großbritannien ist etwas, was wir uns auch für Schweden wünschen.“
Außenministerin Margot Wallström zeigt sich besorgt über die Folgen des Brexit für ihr Land, vor allem auch im Hinblick auf rechte Strömungen im Inland, die hier Stimmung machen könnten.
Tatsächlich haben die Schwedendemokraten im Jahr 2014 schon 13 Prozent der Stimmen erhalten und laut Umfragen ist der Zuspruch für die Partei seither gewachsen. Der prominenteste Fall, der den Schwedendemokraten mehr Zuspruch in ihrer kritischen Asyl- und Europapolitik gab, war die Ermordung einer Frau und ihres Sohnes in einer schwedischen Ikea Filiale. Die Tat wurde durch einen Asylbewerber aus Eritrea begangen, dessen Asylgesuch bereits abgelehnt wurde.
Aus Sicht der Schweden war die EU bisher immer ein ökonomisches Projekt, in welchem die Briten ihnen den Weg geebnet haben. Schweden hat durch den Brexit eine wichtige Allianz verloren, die nun ein Vakuum hinterlässt, welches es durch neue Partner füllen muss, oder aber durch eine rein nationale Lösung.
Erst seit ein paar Stunden hat Stefan Löfven einen Twitteraccount, auf dem er auf Englisch schreibt. Sein erster Tweet befasst sich sogleich mit dem Brexit und zeigt seinen europäischen Kampfgeist: „On my way to Brussels for Big challenges demand hard work and cooperation. Improving EU is not for quitters!”