Mehaidli, der seit 2013 für „Fastenal“ arbeitet, machte seiner Verärgerung auf der sozialen Plattform Twitter Luft. Allerdings unter einem Pseudonym, aber ganz eindeutig an sein Unternehmen gerichtet. In dem inzwischen gelöschten Tweet schimpfte er:
"Welche Multi-Milliarden-Dollar-Firma schenkt ihren kanadischen Angestellten Grillsauce zu Weihnachten? Während sich die amerikanischen Angestellten mit einem richtigen Weihnachtsgeschenk vollstopfen!"
Schon einen Tag später war der Vorgesetzte von Mehaidli am Telefon, redete ihn direkt mit seinem Twitter-Pseudonym an und forderte ihn auf, den Tweet umgehend zu löschen. Das hatte Mehaidli schon längst getan und war auch nur bedingt überrascht von dem Anruf und der Ansprache mit seinem Pseudonym, hatte er doch selbst für seine Enttarnung gesorgt. Denn Mehaidli war kurze Zeit nach seinem Läster-Tweet schockartig aufgefallen, dass er vorher stolz ein Foto veröffentlicht hatte, von Tickets, die er für eine Sportveranstaltung in Vancouver ergattern konnte. Das Foto zeigte seinen Arbeitsplatz mit Rechner.
Doch die sofortige Löschung seiner virtuellen Schimpfkanonade kam zu spät. Die relativ kurze Präsenz im Netz reichte aus, damit sie, wie es neuzeitlich heißt, viral gehen konnte und die Chefetagen von „Fastenal“ davon Wind bekamen, denn der Konzern ist neben dem Kurznachrichtendienst auch auf Facebook, Youtube, Instagram und Linkedin aktiv, hat also eine entsprechend aufmerksame Abteilung für soziale Medien. Die Personalabteilung wurde kontaktiert und die empfahl kurz und bündig: Kündigung.
Zehn Tage nach dem kritischen Tweet von Mehaidli wurde er zu seinem Vorgesetzten gerufen, der ihm eröffnete, dass trotz seiner und der Fürsprache eines übergeordneten Vorgesetzten die Firmenleitung in den USA seinen Rauswurf forderte. Fristlos, ohne Abfindung.
Mehaidli wandte sich an den kanadischen Fernsehsender CTV News und erzählte ihm seine Geschichte von Pfannenwender, Grillsauce, Twitter und Kündigung. Er versuchte vor allem zu erklären, warum er so verärgert über das Geschenk war: "Ich arbeite wirklich schwer. Wir werden energisch dazu gedrängt, unsere Verkaufsziele zu erreichen. Ich hatte das Gefühl, so viel für die Firma getan zu haben, dass es sich respektlos anfühlte, Grillsauce als Weihnachtsgeschenk zu bekommen." Offenbar sahen frühere Weihnachtsgaben bei „Fastenal“ anders aus, glaubt man Mehaidlis Darstellungen: "Man bekam Kekse, M&Ms, Räucherfleisch – eine Schachtel voller Junkfood. Wir haben das immer sehr geschätzt." So richtig in Rage aber brachte ihn das Anschreiben, das der Geschenkbox beigelegt war. Darin wurden die Mitarbeiter aufgefordert, das Geschenk mit jemandem zu teilen: "Was denn teilen? Meine Grillsauce??"
Die Berichterstattung über das Grillsaucen-Gate führte zu einem sogenannten Shitstorm für „Fastenal“, der so schlimm wurde, dass sich nicht nur das Social-Media-Team gezwungen sah, umfassend zu löschen, weil die Kommentare teilweise „vulgär“ und „bedrohlich“ waren, sondern „Fastenal“-Chef Daniel Florness höchstselbst sich genötigt sah, in der auflagenstärksten Zeitung des US-Bundesstaates Minnesota Stellung zu beziehen.
In der „Star Tribune“ gab er unumwunden zu: "Ich werde es nicht leugnen. Wir haben uns von einem Angestellten getrennt." Er räumte sogar ein, dass die Entlassung möglicherweise „eine Überreaktion“ gewesen sei und er selbst vielleicht anders entschieden hätte, aber er werde die Entscheidung der Personalabteilung nicht revidieren. Vor allem nicht, weil jeder Mitarbeiter die Verhaltensstandards des Unternehmens kennen müsse, insbesondere ein leitender Angestellter, wovon wohl auch die Personalabteilung ausgegangen sei.
Auf ihrem Facebook-Konto muss sich die Firma derweil weiterhin mit Kritik auseinandersetzen. Mit einem Foto von der Geschenkbox samt Inhalt versuchte „Fastenal“ am 8. Januar um Schadensbegrenzung:
„Vielen Dank, dass Sie sich besorgt über die jüngsten Nachrichten in Kanada geäußert haben. Die Weihnachtsbox, die wir jedes Jahr verteilen, hat seit über 25 Jahren Tradition. In der Vergangenheit war das Geschenk eine Auswahl an Speisen und Leckereien für die Feiertage. Aufgrund der Versandbestimmungen können wir dieses Geschenk jedoch nicht international versenden. Infolgedessen entscheidet jedes Land über den Inhalt und die Herkunft seines Geschenks vor Ort, während der Gesamtwert jeder Schachtel unternehmensweit einheitlich bleibt. Wir sind sehr stolz auf unsere kanadischen Mitarbeiter und ihre 25-jährige Berufserfahrung. Der geprägte Grillschaber und die in der Region hergestellte BBQ-Sauce waren eine Möglichkeit, diesen Meilenstein in Erinnerung zu rufen.
Aus Rücksicht auf die Privatsphäre unserer Mitarbeiter und die örtlichen Gesetze können wir keine Kommentare zur Beschäftigungsfrage abgeben. Angemessene Abfindungs- und Kündigungspraktiken wurden gemäß den kanadischen Gesetzen und Unternehmensrichtlinien befolgt.“
Diese Erklärung stößt auf ein geteiltes Echo Verständnis. Während sich einige Nutzer lobend über die Firma äußern, meint ein Nutzer mit dem Namen Mark Dewar:
„Genau wie alle anderen amerikanischen Großunternehmen. Schrecklich. Ich habe Eure früheren kanadischen Weihnachtspakete gesehen. Die Versandbestimmungen haben sich nicht geändert, Ihr, die Fans von Konzerngier seid es, die sich geändert haben!!!! Gott sei Dank kann ich woanders hingehen, wo kanadische Mitarbeiter für ihre harte Arbeit respektiert werden.“
Eine Nutzerin namens Jana Craft wiederum erinnert, neben anderen, daran, dass Weihnachtsgeschenke vom Arbeitgeber keine Selbstverständlichkeit sind:
„Was in aller Welt ist mit diesen Kommentaren los? Viele, viele, viele Unternehmen geben ihren Mitarbeitern NICHTS NULL.“
Ein Nutzer mit dem Namen Chris Becker zweifelt an der Rechtmäßigkeit der Kündigung:
„Sie wissen, dass Sie mehrere schriftliche und mündliche Warnungen mit eindeutigen Konsequenzen aussprechen müssen, um jemanden entlassen zu können, der eine Probezeit hinter sich hat. Und bei jemandem, der so lange mit Ihrem Unternehmen zusammengearbeitet hat, können Sie darauf wetten, dass er jeden Rechtsstreit gewinnt, der sich hieraus ergibt.“
CTV News holte dazu Rechtsberatung ein. Und Richard Johnson, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Vancouver meint, obwohl noch unklar ist, ob Mehaidli sich gerichtlich wehren wird, zumindest in der Frage der verweigerten Abfindung hätte er gute Chancen, eine entsprechende Klage zu gewinnen: „Ich glaube, er hätte ein Recht darauf.“ Denn, so Johnson, wenn ein Unternehmen einen Mitarbeiter wegen einer Verfehlung feuert und zugleich eine Abfindung verweigert, "muss es wirklich so schlimm sein, dass es an die Wurzel des Arbeitsvertrags geht."
Aber Johnson stellt auch klar, dass seine Kanzlei sehr oft auf eine Konstellation wie die von Hussien Mehaidli trifft und viele Menschen offenbar die Risiken von Internetkritik am Arbeitgeber auf die leichte Schulter nehmen:
„Die Leute gehen in die sozialen Medien, reden über einen schlechten Tag, etwas, was ihre Manager tun, Interna von der Arbeit. Und eines der großen Probleme ist, ob der Arbeitgeber in den Beiträgen genannt wird und ob sie das in Verlegenheit bringt, ob sie in der Öffentlichkeit herabwürdigt werden. Mitarbeiter müssen daher sehr vorsichtig sein.“
Drum merke: Wegen der Firmen-Weihnachtsgabe meckern auf die Schnelle, kann Dich kosten Deine Stelle!