Mit Verweis auf zahlreiche Rechtswidrigkeiten bei der Durchführung der Stichwahl zum Amt des Bundespräsidenten hat der Österreichische Verfassungsgerichtshof das Urteil gefällt, dass die Bundespräsidenten-Stichwahl "in ganz Österreich und komplett" wiederholt werden muss.
Christian Neuwirth, Sprecher des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, verweist insbesondere auf Unregelmäßigkeiten durch das Innenministerium und bei der Auszählung der Briefwahlstimmen:
"In den Bezirken Innsbruck-Land, Südoststeiermark, Stadt Villach, Villach-Land, Schwaz, Wien-Umgebung, Hermagor, Wolfsberg, Freistadt, Bregenz, Kufstein, GrazUmgebung, Leibnitz, Reutte wurden Regeln für die Durchführung der Briefwahl nicht eingehalten. Die Rechtswidrigkeiten betreffen insgesamt 77.926 Briefwahl-Stimmen. Der Stimmenunterschied zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer beträgt 30.863 Stimmen. Da die von der Rechtswidrigkeit betroffenen Stimmen die Hälfte des Vorsprunges (15.432 Stimmen) bei weitem übersteigen, konnte das von Einfluss auf das Wahlergebnis sein."
Der gesamte Begründungstext des Verfassungsgerichtes kann hier eingesehen werden.
Es verletzt den Grundsatz der Freiheit der Wahl, wenn das Innenministerium Auszählungsergebnisse vor Wahlschluss weitergibt. #VfGH#bpw16
— Christian Neuwirth (@VfGHSprecher) 1. Juli 2016
Die Bundespräsidenten-Stichwahl muss in ganz Österreich und komplett wiederholt werden. #vfgh#bpw16
— Christian Neuwirth (@VfGHSprecher) 1. Juli 2016
In vielen Bezirken ist es aber zu Rechtswidrigkeiten bei der Durchführung der Stichwahl gekommen. #VfGH#bpw16
— Christian Neuwirth (@VfGHSprecher) 1. Juli 2016
Die unterlegene FPÖ hatte die Abstimmung angefochten, mit Verweis auf angebliche Unregelmäßigkeiten in 94 der 117 Wahlbezirke. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache legte eine 150 Seiten umfassende Klageschrift vor.
Der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hatte die Stichwahl mit einem Vorsprung von lediglich 30.863 Stimmen gewonnen. Als ausschlaggebend erwiesen sich die rund 740.000 als gültig gewerteten Briefwahlstimmen.
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Zuvor hatten die österreichischen Verfassungsrichter vier Tage lang zahlreiche Zeugen befragt, die mehrere formale Fehler bei der Stimmenauszählung bestätigten. Beispielsweise wurden in mehreren Bezirken bei der Stichwahl die Briefwahlstimmen bereits am Sonntag ausgezählt, obwohl dies per Wahlgesetz erst ab Montag 9:00 Uhr erlaubt ist.
Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, betonte bezüglich der Urteilsfindung:
"Die Entscheidung macht niemanden zu einem Verlierer oder Gewinner."
Das Urteil diene dazu, das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Demokratie zu stärken, so Holzinger abschließend.
Wenn die Verfehlungen auf das Ergebnis von Einfluss sein konnten, ist unerheblich, ob Manipulationen stattgefunden haben. #VfGH#bpw16
— Christian Neuwirth (@VfGHSprecher) 1. Juli 2016
Der Amtsantritt von Van der Bellen war für den 8. Juli angesetzt gewesen. In Folge der Entscheidung des Verfassungsgerichtes wird das dreiköpfige Präsidium des Nationalrats, dem auch der zuvor unterlegene FPÖ-Präsidentschaftskandidat Hofer angehört, die Amtsgeschäfte kommissarisch übernehmen.
Als möglich Termine für eine Neuwahl wurden vom österreichischen Innenministerium der 25. September und der 2. Oktober 2016 als mögliche Termine eingeplant.
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