Symbolbild
Eine Analyse von Timur Fomenko
Die Europäische Union (EU) hat vergangene Woche ehrgeizige Vorschläge für Einführung bis Ende 2022 eines Embargos gegen die Einfuhr von Erdöl aus Russland angekündigt. Nach zähen Verhandlungen und öffentlich geäußerten Zweifel über die Wirksamkeit solcher Maßnahmen,, die auf heftige Einwände mehrerer Mitgliedstaaten stießen, darunter auch Ungarn und die Slowakei, erklärte die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, dass diese Maßnahmen im Laufe des Jahres schrittweise umgesetzt würden.
Erwartungsgemäß vermochte diese Ankündigung die Märkte nicht zu beschwichtigen, und die Rohölpreise schossen unmittelbar danach umgehend auf über 114 US-Dollar pro Barrel, während Offizielle in Moskau voraussagten, dass die EU weiterhin russisches Öl kaufen werde, nur dann eben über Drittländer und Zwischenhändler. Das ist dieselbe Strategie, die angeblich Iran gefahren hat, das unter harte Sanktionen der USA gezwungen wurde.
Obwohl die geplanten Maßnahmen gegenüber der europäischen Öffentlichkeit von der EU-Kommission als "hart" reklamiert werden, wird die EU als Ganzes aus mehreren Gründen der größte Verlierer einer solchen Anstrengung sein. Das vorgeschlagene Embargo offenbart eine große strategische Schwachstelle in der europäischen "Energiesicherheit", also der Fähigkeit eines Staates oder einer Gruppe von Staaten, sich den Zugang zu Energieressourcen zu sichern, wenn man selbst nicht genug davon fördern kann. Wenn man bedenkt, wie viele Kriege der Westen allein um den Zugang zu Ölreserven geführt hatte, darunter zwei im Irak, dann ist das eine große Sache.
Für die EU ist die Beendigung der Ölabhängigkeit weiterhin ein schwieriger Schritt, der die bereits stark angestiegenen Energiekosten und die Inflation auf diesem Kontinent noch verschärfen wird. Wird die Union neue Zulieferer finden? Und wenn ja: bringt die erneute starke Abhängigkeit von anderen Partnern nicht auch wieder neue Gefahren mit sich?
Im Jahr 2020 stammten 29 Prozent des in die EU importierten Rohöls aus Russland, 9 Prozent aus den USA, 8 Prozent aus Norwegen, je 7 Prozent aus Saudi-Arabien und Großbritannien und je 6 Prozent aus Kasachstan und Nigeria. Der Ausschluss Russlands als größter Zulieferer bedeutet, dass die Europäische Union nun ihre Importe bei anderen Zulieferern sichern und auch drastisch erhöhen muss. Die
nächstliegenden Kandidaten dafür sind die Staaten am Persischen Golf. Dies bedeutet, dass die strategische Abhängigkeit der EU vom Zugang zu Ölressourcen im Nahen Osten ebenso drastisch zunimmt, was natürlich im Gegenzug die Verhandlungsmacht und den politischen Einfluss dieser Länder stärken wird.
Bisher deutet dabei alles darauf hin, dass die OPEC-Staaten zunächst vor allem von höheren Preisen profitieren wollen und sich weigern, westliche Forderungen nach Steigerung der Förderleistungen (zum Zweck der Preissenkung) zu erfüllen. Im Handel geht es um Angebot und Nachfrage. Wenn das Angebot sinkt, aber die Nachfrage hoch bleibt – vorausgesetzt, man kann nicht ohne Öl auskommen –, dann steigen die Preise. Und warum sollte irgendein Produzent auf der Welt seine Preise senken, wenn der Abnehmer keinen alternativen Lieferanten für sein wichtiges Produkt findet oder akzeptieren will? Die Tatsache, dass Russland ja selbst Teil der erweiterten OPEC+ ist, erschwert diese Dinge zusätzlich.
Infolgedessen macht die EU einen großen Fehler in ihrer Außenpolitik und hat gleichzeitig weder einen Notfallplan noch eine Strategie, um dieses aufkommende Problem anzugehen. Derzeit ist die EU entschlossen, die Ukraine für den Versuch zu benutzen, Russland eine militärische Niederlage aufzuzwingen.
Inzwischen hat sich die EU auch selbst zu einer "indopazifischen" Macht ernannt und zeigt wenig Initiative zu vermeiden, in die von Washington angestrebte Konfrontation mit China hineingezogen zu werden, also in einer relativ weit entfernten Region, zu der die EU gar keine Land- oder Seegrenzen hat. Dies eröffnet der EU zwar die Option, eine Partnerschaft mit Indien einzugehen. Aber auch diese Nation mit 1,3 Milliarden Einwohnern ist ein Netto-Energieverbraucher, kein Zulieferer – was gleichzeitig ein weiterer Grund ist, warum Versuche, die Beziehungen zwischen Neu-Delhi und Moskau dadurch zu untergraben, wahrscheinlich scheitern werden.
All dies reißt eine klaffende Lücke in die EU-Außenpolitik, wenn es um die "strategische Energiesicherheit" geht. Während die Beamten in Brüssel versuchen, die "strategische Abhängigkeit" von Russland zu verringern, schaffen sie stattdessen nur einen Flickteppich von Abhängigkeiten der EU von anderen Regionen und öffnen dadurch Tür und Tor für neue Risiken.
Wie kann beispielsweise diese Krise die bisher orientierungslose Politik der EU gegenüber Iran überleben, wo man sich nominell gegen die einseitige Strategie des "maximalen Druck" der USA stellt? Kann die EU vermeiden, auf iranisches Öl zurückgreifen zu müssen? Und unabhängig davon: wie würde die EU darauf reagieren, wenn Iran – trotz aller US-Sanktionen – durch die steigenden Ölpreise weiter erstarkt? Und diese Frage stellt sich bereits, bevor wir überhaupt darüber nachdenken, was passieren würde, wenn durch eine weitere große Krise oder einen neuen Konflikt im Nahen Osten die Ölversorgung von dort unterbrochen wird. Was würde die EU tun, sollte der Irak wieder in ein Chaos der Aufstände und des Bürgerkriegs zurückfallen?
Russland ist eine zu große globale Energieressource, um ignoriert werden zu können, weshalb die EU-Sanktionen der russischen Wirtschaft keinen Todesstoß versetzen werden. Wenn das vorgeschlagene Embargo stufenweise erfolgt, wird Russland durch die steigenden Preise kurzfristig ohnehin noch mehr einnehmen. Dies zeigt nur, dass sich die EU lediglich selbst drastisch schwächt, um letztlich die Interessen der Vereinigten Staaten zu bedienen, die mit ihrer unverhältnismäßigen Macht von Übersee aus die strategische und außenpolitische Politik der Europäischen Union kontrollieren. Sicherlich profitieren die USA von Energiesanktionen der EU gegen Russland – aber nicht zulasten Putins, sondern auf Kosten der europäischen Verbraucher.
Die Sanktionen werden der EU selbst mehr Schaden zufügen als Russland und werden wirtschaftlich ebenso schmerzhaft wie strategisch katastrophal sein. Die EU hat keine konkrete Alternative zu russischem Öl und Gas, aber was noch schlimmer ist, sie hat eine Alternative kaum in Betracht gezogen.
Dies wird den alten Kontinent schwächer, ärmer und verwundbarer machen, und es droht eine schreckliche Wiederholung der Energiekrise der 1970er Jahre, die angesichts der Daten zur Inflation bereits im Anmarsch ist.
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Übersetzt aus dem Englischen
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst