Amazon ist ein Online-Warenhändler mit enorm gutem Service und extrem kurzen Lieferzeiten. Alexa ist eine Box mit Spracherkennung, die, ans Internet angeschlossen, dort Informationen für den Nutzer heraussucht, diese mit liebenswürdiger Frauenstimme vorträgt und hier und da ein nützliches Produkt vorschlägt und auch gleich bestellt. Passt zum Zeitgeist, alles bestens.
Ganz und gar nicht, findet der Journalist und Buchautor Johannes Bröckers. Auch in seinem neuen Buch warnt er vor den Gefahren des noch gefährlicheren Virus als Corona: dem Amazon-Virus. Bröckers macht darin „Schluss“ mit Alexa. „Das ist natürlich im übertragenen Sinne gemeint. Ich habe Schluss mit Amazon gemacht, ich habe meinen Account gelöscht“, berichtet Bröckers im Sputnik-Interview. Es ist nicht der Neid, dass Amazon-Gründer Jeff Bezos bald der erste Billionär der Menschheit werden könnte, der Bröckers zu dieser Entscheidung bewegt hat. Auch wenn sich natürlich die Frage stellt, ob so viel Geld und damit auch Macht wirklich in ein Paar Hände gehört.
Was Amazon anrichtet, hat den Buchautor motiviert, auf die Logistikdienste des Unternehmens zu verzichten:
„Wenn man sich anschaut, dass in den letzten zehn Jahren in Amerika 85000 Einzelhändler zugemacht haben und 35.000 Hersteller – das ist nicht allein Amazon zuzuschreiben, aber Amazon dominiert mehr als 50 Prozent des Einzelhandels“, betont Bröckers.
Im Gegenzug schafft Amazon in seinen Logistikhallen deutlich schlechter bezahlte Arbeitsplätze und maximiert seinen Profit in Europa noch mit einem Firmensitz in Luxemburg zur Steuervermeidung.
Zudem betätigt sich Amazon auch als Nachahmer fremder Produkte, indem es einen Marketplace für Millionen Händler anbietet, die er jederzeit wieder vom Marketplace verbannen kann. „Wenn dort Händler sind, die ein besonders erfolgreiches Produkt haben. überlegt sich Amazon, wieso es nur eine kleine Verkaufsprovision kassieren soll, wenn es auch das Produkt kopieren und selbst billig in China herstellen lassen kann. Dann setzt Amazon dieses kopierte Produkt auf seinem eigenen Marktplatz auf die oberste Stelle, und der Händler, der das ursprünglich hatte, macht kein Geschäft mehr oder wird gleich vom Marktplatz ausgeschlossen“, so Bröckers, der den Marketplace deshalb als ein „kostenloses Forschungs- und Entwicklungslabor für Amazon“ bezeichnet, das auch gerne mal erfolgreiche Händler in dem Amazon-Imperium durch Kauf einverleibt.
Der erste Schritt in unseren Alltag ist mit der zuhörfreudigen Alexa bereits getan. Aber auch unsere Gesichter beginnt das Unternehmen mit der Software Recognition zu sammeln. „Recognition wird in den kassenlosen „Amazon Go“-Supermärkten eingesetzt. Diese Software verkauft Amazon aber auch an die amerikanische Polizei, die damit auf Verbrecherjagd geht. Diese Prozesse fließen ineinander über, ohne dass wir dazu eine öffentliche Diskussion führen“, erläutert Bröckers.
„Nicht nur als Kaufhaus“ heißt auch: Amazon bietet sein digitales Werkzeug in Form von „Web Services“ an. Amazon Web Services (AWS) ist eine Cloud Computing-Plattform, die Amazon zur Verfügung stellt. „Das sind Rechenzentren, in denen nicht nur wir Privatleute Cloudspeicher mieten können, sondern 80 Prozent der deutschen DAX-Unternehmen ihre IT auslagern, was ich auch ziemlich fragwürdig finde“, so Bröckers. „Auch die deutsche Polizei speichert übrigens Daten auf Amazon Web Services, da wurde auch nicht groß drüber diskutiert.“
Heiß diskutiert wurde dagegen im Juni 2019 die Idee des Bundesinnenministers Horst Seehofer, Alexa-Daten auch für die Strafverfolgung zu verwenden. „Dann haben die Opposition und die Datenschutzbeauftragte Alarm gerufen und von staatlicher Abhörung mit Millionen Wanzen gesprochen. Das ist eine berechtigte Reaktion. Ich habe mich nur gefragt, warum keiner dieser Kritiker die Frage gestellt hat, warum denn diese Privatunternehmen wie Amazon und Google diese Daten überhaupt erheben können“, findet Bröckers.
„Da fiel mir auf, dass das ein klassisches Reaktionsmuster ist: Der Staat, der böse, will seine Bürger ausspionieren oder hat Schlechtes im Sinn, aber wenn das private Unternehmen machen, scheint das in Ordnung zu sein.“ Dabei seien die größten Datenerheber nicht Staaten, sondern Google und die anderen Silicon-Größen.
Gründe, solche Datenerhebungen nicht einfach hinzunehmen, gibt es zur Genüge. Denn was in China das „Citizen Scoring-Programm" womöglich erreichen wird, das könnte im Westen die materialistische Bequemlichkeit der Bürger-als-Kunden bewirken. Schließlich arbeiten bei Amazon nicht nur Programmierer, sondern seit neuestem auch der ehemalige NSA-Direktor Keith Alexander in der Geschäftsführung. „Warum Amazon so einen Ober-Überwachungsexperten der NSA nimmt? Weil der sich natürlich mit Spionage auskennt. Es hat womöglich auch noch andere Hintergründe, weil Amazon wie auch Google und Microsoft sich in verstärktem Maße um Aufträge der amerikanischen Regierung bemühen. Amazon hat ja für die CIA schon eine Cloud entwickelt, und im Moment gibt es einen großen Wettstreit zwischen Amazon und Microsoft um ein Vier-Milliarden-Dollar-Projekt, mit dem das Pentagon seine Kriegsführung cloudbasiert aufbauen will. Das sind alles Entwicklungen, die in eine solche Richtung gehen“, bemerkt Bröckers dazu.
Ein weiterer Artikel zu dem Thema folgt am Sonntag.
Das Interview mit Johannes Bröckers können Sie hier Nachhören:
Johannes Bröckers: „Alexa, ich mach Schluss mit dir!“ Verlag Westend, 2020. 96 Seiten