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Ölpreiskrieg: Washington bricht das größte Tabu

swaine1988
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Autor: Iwan Danilow
Quelle: https://de.sputniknews.com/kom...
2020-03-25, Ansichten 858
Ölpreiskrieg: Washington bricht das größte Tabu

Ölpreise stürzen ein, Fracking-Firmen geraten in Schwierigkeiten und US-Politiker samt der Öl-Lobby suchen nach Auswegen aus der Krise. Plötzlich wird möglich, was noch vor kurzem als undenkbar, unmachbar und unnatürlich – ja als Verrat an US-Interessen – galt.

Wenn du sie nicht schlagen kannst, schließe dich ihnen an – dieses berühmte britische Sprichwort klingt wie eine Anleitung zum bestmöglichen Verhalten im Angesicht unüberwindbarer Kräfte. Angewandt auf die heutige Wirklichkeit am Ölmarkt, hieße es: Wenn im Preiskrieg gegen Saudi-Arabien und Russland nur eine Niederlage oder allerhöchstens ein Pyrrhussieg möglich ist, dann ist es sinnvoll, Anschluss an die Stärkeren zu suchen. Also tut die US-amerikanische Ölmarktaufsicht (genauer: die Aufsicht, die für Fracking-Firmen zuständig ist) das Undenkbar-Unkoscher-Verbotene: sie sucht den Kontakt zur OPEC.

Mehr noch: Washington legt einen Plan zur Stabilisierung des globalen Ölmarkts auf den Tisch. Bis dieser Plan umgesetzt ist, ist freilich noch ein weiter Weg zu gehen, in dessen Verlauf die schwierigen Verhandlungen noch tausendmal scheitern können. Doch was in diesem Fall zählt, ist der Umstand, dass eines der größten Tabus des globalen Ölmarkts gebrochen ist: Die US-Amerikaner zeigen zumindest die Bereitschaft, Weltmarktanteile gegen steigende Ölpreise einzutauschen.

Amerikas Ausgangsposition in den bevorstehenden Verhandlungen hat Ryan Sitton in einem „Bloomberg“-Gespräch deutlich gemacht:

„Theoretisch kann Texas die Förderung um zehn Prozent kürzen. Wenn Saudi-Arabien bereit ist, die Förderung gemessen am Umfang vor der Pandemie um zehn Prozent zu kürzen, und Russland bereit ist, dasselbe zu tun, dann kann das den Markt zurückbringen zum Vorkrisenniveau bei leichtem Öl-Überangebot.“

Mr. Sitton leitet eine Behörde, die berechtigt ist, die Ölförderung in den USA mit einem Federstrich zu reduzieren. Bezeichnet wird die Einrichtung etwas irreführend als Railroad Commission of Texas, weil sie seit dem 19. Jahrhundert für die Mobilitätsaufsicht zuständig ist. Inzwischen aber hat diese Dienststelle auch die Ölförderung im größten Öl- und Fracking-Staat Amerikas zu überwachen. Ryan Sitton ist der Commissioner der Behörde – und ihm stehen nach eigenen Angaben die Verhandlungen mit der OPEC bevor: Die offizielle Einladung habe er schon erhalten.

Es ist bekanntlich so, dass es den Ölkonzernen in den USA seit dem Kampf der US-Regierung gegen Ölkartelle im 20. Jahrhundert unter Androhung schwerer Strafen untersagt ist, die Fördermengen untereinander abzusprechen. Umso weniger dürfen sie Absprachen mit ausländischen Förderern treffen. Sicherlich werden manche US-Politiker und -Ölfirmen sich gegen Förderkürzungen mit allen – selbst gerichtlichen – Mitteln wehren. Doch es bleibt unverändert, dass die Railroad Commission of Texas die Ölquellen auch ohne die Zustimmung der Ölwirtschaft und ohne die Einführung neuer Rechtsvorschriften zudrehen kann.

Das Treffen von Sitton und OPEC-Vertretern ist auf Juni angesetzt, wie „Bloomberg“ berichtet: „Einer der einflussreichsten Beamten des ölreichsten Bundesstaats der USA ist im Juni in das Allerheiligste der OPEC eingeladen. Das ist das Ergebnis einer seltenen Annäherung zweier traditionell widerstreitenden Ölmächte.“ Am Freitag habe Sitton erklärt, der OPEC-Generalsekretär Mohammed Barkindo habe ihn eingeladen, an der Sommersitzung der Organisation in Wien teilzunehmen, schreibt die Agentur.

Diese unerwartete Erklärung ist in der amerikanischen und internationalen Ölwirtschaft eingeschlagen wie eine Bombe, dennoch ruft Sittons Vorschlag zur ersten Kürzung der Fördermengen in Texas seit den 1970er Jahren Widerstand hervor – und zwar in seiner eigenen Behörde. Wayne Christian, der Vorsitzende der Railroad Commission of Texas, sagt, er sei natürlich offen für alle Vorschläge zum Schutz des „Fracking-Wirtschaftswunders“, doch als „Konservativer und Anhänger des freien Markts“ habe er „eine Reihe von Einwänden“ bei diesem Ansatz. „Wenn Texas die Lieferungen stoppt, gibt es keine Garantie, dass andere Länder oder Staaten seinem Beispiel folgen.“

Mit dieser Aussage sendet der Vorsitzende zweierlei Botschaften. Erstens: Es gibt Kritiker einer Absprache mit der OPEC in der texanischen Aufsichtsbehörde. Zweitens: Den Kritikern geht es bei allen Bekenntnissen zur Marktfreiheit weniger ums Prinzip als um die Furcht, bei der Absprache über den Tisch gezogen zu werden und dann als die einzigen Verlierer dieses Deals dazustehen. Aber eine Absage ist das nicht und über die „Reihe von Einwänden“ lässt sich in Wien durchaus reden.

Eine Entscheidung stehe noch aus, man sei auf der Suche und in der Ausarbeitung konkreter Maßnahmen, erklärte ein Vertreter der Railroad Commission of Texas:

„Texanische Ölförderfirmen sind interessiert an der Zweckmäßigkeit der Einführung einer Festlegung der Fördermengen. Die Festlegung hieße: raus aus dem Modus ‚Jeder fördert, soviel er will und kann‘ und rein in den Modus ‚Jeder fördert, was erlaubt ist‘.“

Vielleicht erscheint es gerade noch erstaunlich, doch die Sachlage deutet an, dass der Preiseinbruch am Ölmarkt wahre Wunder wirkt bei der Verhandlungsbereitschaft der US-Ölindustrie. Dass dieses Wunder zu einem (zumindest inoffiziellen) Beitritt der Vereinigten Staaten zur OPEC und zu einem (zumindest informellen) Abschluss eines Abkommens über die Fördermengenregulierung in den nächsten Monaten reicht, ist noch lange nicht ausgemacht. Doch Schritte in diese Richtung sind klar zu erkennen. 


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