von Wladislaw Sankin
Als die Soldaten der sowjetischen Roten Armee am 27. Januar 1945 das Gelände des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau betraten, fanden sie in den Baracken des Lagers insgesamt circa 7.000 komplett ausgemergelte, in Lumpen gekleidete, kranke Menschen vor. Eigentlich waren sie aus der Sicht der Lagerführung keine Menschen mehr, sondern abstrakte Größen, Träger einer Nummer, die in ihre Haut eingebrannt wurde – wie bei Rindvieh. Ihr Schicksal war längst beschlossen, und dass sie noch am Leben waren, war entweder den "unzureichenden" Kapazitäten der Todesmaschinerie zu verdanken oder dem Bedarf an "Jobs" wie etwa dem des Leichenträgers, die diese Maschinerie selbst erschaffen hatte.
So verlängerte der Tod der einen das Leben der anderen ein wenig. Doch auch die "Arbeiter" konnten in diesen Tagen kaum noch an ihre Rettung glauben, denn die Nazis schickten bei ihrem Rückzug die verbliebenen Insassen auf sogenannte Todesmärsche. Der Tod konnte jeden jederzeit treffen. Auch die Befreiung bedeutete nicht automatisch die Rettung: Die Gesundheit vieler war so beeinträchtigt, dass sie trotz schneller ärztlicher Hilfe noch an Ort und Stelle starben. 700 waren es, die in den ersten Tagen nach der Befreiung noch ihr Leben verloren.
/Sehr viele der Überlebenden waren damals Kinder oder Jugendliche, heute sind fast alle über 90 Jahre alt. Viele waren zum Zeitpunkt der Befreiung schon in andere Lager versetzt worden und mussten diese andernorts erleben. So wie David Lewin (im Lager als David Lebenbaum geführt), der seinen Leidensweg in Buchenwald beendete, oder Igor Malizki, der am Gefangenenaufstand in Mauthausen beteiligt war.
Beide erledigten Drecksarbeit – Lewin in der sogenannten Entwesungskammer, Malizki als Leichenträger. Er erzählte, wie er einmal ein lebendes Kind in der Gaskammer neben seiner Mutter fand.
Plötzlich hörte ich Kinderschrei. Als ich dort hinaufkam, sehe ich eine Frau liegen und ein kleines Kind, das in der Nähe ihrer Brust krabbelt. Es war eine sehr schöne Frau. Anscheinend wurde das Kind irgendwie nicht vom Gas erstickt. Ich frage meinen älteren Genossen: "Onkel Wanja, was soll ich mit ihm machen? Er sagt: "Nun, nimm es raus, sag ihm (dem Aufseher), dass das Kind hier lebt." Ich nahm es heraus und wandte mich an den Deutschen, der dort im Dienst war: "Herr, das Kind ist nicht tot." Dann sprach ich schon Deutsch, man brachte es mir schnell bei. Und der Deutsche nimmt den Jungen an den Beinen, schlägt ihn auf den Boden – und wirft a+ihn auf den Haufen zu den Toten.